Geschichtszeugnis Kroll-Oper
Große Querallee
1931 – 1933
Vom Reichstag in die Kroll-Oper –
Das Ende der Demokratie
30. Januar 1933 Adolf Hitler (1889 – 1945)
wird durch den Reichspräsidenten Paul von
Hindenburg (1847– 1934) zum Reichskanzler
ernannt. Dieses Ereignis geht als »Machtüber-
nahme« in die Geschichte ein.
27. – 28. Februar 1933 In dieser Nacht
brennt der Reichstag. Das Ereignis nehmen die
Nationalsozialisten zum Anlass, um vor allem
die kommunistische Opposition komplett aus-
zuschalten.
5. März 1933 Bei erneuerten Reichstags-
wahlen erzielt die NSDAP ihr bislang bestes
Ergebnis mit 43,9 Prozent aller Stimmen, ver-
fehlt jedoch die absolute Mehrheit. Da nach der
Weimarer Verfassung das Parlament spätestens
30 Tage nach der Wahl zusammentreten muss,
kommt die nahe gelegene, seit Juli 1931 unge-
nutzte Kroll-Oper als Tagungsstätte in Betracht.
7. März 1933 Beginn der Umbauarbeiten
in der Kroll-Oper. Die Decke des Zuschauer-
saales wird tiefer gezogen und mit Stoff abge-
hangen, um die »heiteren Deckengemälde« des
Opernhauses zu verdecken, die Sitzplätze wer-
den verrückt, um im Parkett die 647 Sitze der
Abgeordneten unterzubringen. Die 81 Mandate
der KPD sind bereits annulliert. Reichsinnen-
minister Wilhelm Frick (1877– 1946) verkündet
unverfroren: »Wenn der neue Reichstag zusam-
mentritt, werden die Kommunisten durch drin-
gendere und nützlichere Arbeiten verhindert sein,
an der Sitzung teilzunehmen. Diese Herrschaften
müssen wieder an nutzbringende Arbeit gewöhnt
weden. Dazu werden wir ihnen in Konzentra-
tionslagern Gelegenheit geben.«
21. März 1933 Erste Zusammenkunft des
neu gewählten Reichstages in der Garnisons-
kirche in Potsdam. Hitler versteht es, die Ver-
treter des »Alten Preußens« über seine wahren
Absichten zu täuschen. Am Nachmittag folgt
die konstituierende Sitzung des Reichstages in
der Kroll-Oper, bei der am Eingang ein großes
Plakat mit der Aufschrift »Reichstag« von der
neuen Funktion des Opernhauses kündet.
Große Hakenkreuzfahnen, zu diesem Zeitpunkt
noch kein offizielles staatliches Symbol, werden
neben dem Reichsadler und den schwarz-weiß-
roten Flaggen des Reiches hochgezogen. Bereits
zu diesem Zeitpunkt sind Teile der Geschäfts-
ordnung außer Kraft gesetzt. Der Antrag des
SPD-Vorsitzenden Hans Vogel (1881 – 1945) auf
Freilassung von elf in Haft befindlichen Mit-
gliedern seiner Fraktion wird lapidar an den
Geschäftsordnungsauschuss überwiesen.
23. März 1933 Hitler begrüßt in seiner Re-
gierungserklärung bei Kroll die Vorlage des
»Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und
Staat«, wie die Bezeichnung des »Ermächti-
gungsgesetzes« offiziell lautet. Einzige Hürde
für ihn ist die benötigte Zweidrittel-Mehrheit
zu dessen Verabschiedung, für die er auf die Zu-
stimmung vor allem der bürgerlichen Parteien
angewiesen ist. Bei der Fraktion des Zentrums
warnt der frühere Reichskanzler Heinrich Brü-
ning (1885 – 1970) »leidenschaftlich vor jeder
Nachgiebigkeit«. Seine Fraktion einigt sich je-
doch »mit Rücksicht auf die Partei und ihre Zu-
kunft« darauf, für das Gesetz zu stimmen. Ob-
wohl stärkstem Druck ausgesetzt, stimmen ein-
zig die verbliebenen Abgeordneten der SPD-
Fraktion geschlossen gegen das »Ermächti-
gungsgesetz«. Der Partei- und Fraktionsvorsit-
zende Otto Wels (1873 – 1939) begründet in
einem »letzten öffentlichen Bekenntnis zu De-
mokratie und Sozialismus« die Ablehnung sei-
ner Partei: »Gewiß, die Gegner wollen uns an die
Ehre, daran ist kein Zweifel. Aber daß dieser Ver-
such der Ehrabschneidung einmal auf die Urhe-
ber selbst zurückfallen wird, da es nicht unsere
Ehre ist, die bei dieser Welttragödie zugrunde
geht, das ist unser Glaube bis zum letzten Atem-
zug. […] Freiheit und Leben kann man uns neh-
men, die Ehre nicht.«
Die Abstimmung ergibt 441 zu 94 Stimmen,
weit mehr als die erforderliche Zweidrittel-
Mehrheit. Die Kapitulation des parlamenta-
rischen Systems vor dem »Ermächtigungsgesetz«
bedeutet das Ende der Demokratie im Deut-
schen Reich.
1933 – 1942
Der Weg in den Untergang
17. Mai 1933 Hitler beruft den Reichstag
in die Kroll-Oper ein, um sich der Weltöffent-
lichkeit in einer »Friedensrede« als »Anwalt der
Vernunft und Völkerverständigung« zu präsen-
tieren. Ein letztes Mal noch sind Abgeordnete
anderer Parteien vertreten. Die SPD-Fraktion
ist durch Verhaftungen und Flucht bereits auf
70 Abgeordnete dezimiert.
12. Dezember 1933 Der nun aus 661
NSDAP-Abgeordneten bestehende Reichstag
kommt bei Kroll zusammen. Zu den »Neu-
wahlen« am 12. November 1933 konnte als ein-
zige Partei nur noch eine Einheitsliste der
NSDAP gewählt werden. Nach Angaben der
NS-Zeitung »Völkischer Beobachter« votierten
39,6 Mio. Wahlberechtigte für die Einheitsliste,
rund 3,3 Mio. Stimmzettel galten als ungültig.
30. Januar 1934 Diese Reichstagssitzung
dient dazu, die ersten zwölf Monate NS-Herr-
schaft zu feiern. Beiläufig wird das »Gesetz über
den Neuaufbau des Reiches« beschlossen, wel-
ches die Volksvertretungen der Länder aufhebt,
ihre Hoheitsrechte auf das Reich überträgt und
der Reichsregierung zuspricht, das Verfassungs-
recht ohne Länderbeteiligung zu ändern.
13. Juli 1934 Hitler rechtfertigt in der
Kroll-Oper die Ermordung der parteiinternen
Opposition, darunter viele hohe SA-Funktio-
näre (»Röhm-Putsch«). Außerdem erhebt er sich
zum obersten Gerichtsherren aller Deutschen
und verkündet: »Die Nation muß wissen, daß
ihre Existenz… von niemanden ungestraft be-
droht wird! Und es soll jeder für alle Zukunft wis-
sen, daß, wenn er die Hand zum Schlage gegen
den Staat erhebt, der sichere Tod sein Los ist!«
6. August 1934 Der Reichstag gedenkt in
der Kroll-Oper dem am 2. August verstorbenen
Reichspräsidenten von Hindenburg.
21. Mai 1935 Nach neun Monaten kommt
der NS-Reichstag wieder in der Kroll-Oper zu-
sammen. Hitler hält eine »Friedensrede«, um die
Welt und das deutsche Volk – trotz Wiederein-
führung der Wehrpflicht (16. März 1935) und
des offenen Bruches des Versailler Vertrages –
von seinem angeblichen Friedenswillen zu über-
zeugen.
15. September 1935 Der Reichstag tagt in
Nürnberg, um seine alte Geschäftsordnung
außer Kraft zu setzen, ohne eine neue zu verab-
schieden. Zugleich werden die »Nürnberger Ge-
setze« beschlossen, um Juden auf »gesetzlicher
Grundlage« rassisch diskriminieren zu können.
7. März 1936 Hitler lässt den Reichstag in
die Kroll-Oper einberufen, um die fünf Tage
zuvor erfolgte Rheinlandbesetzung durch die
Wehrmacht und den damit verbundenen Bruch
der Verträge von Versailles und Locarno zu
rechtfertigen. Wieder versteht er es, Widersprü-
che, Ängste und Friedenssehnsüchte, die in Eu-
ropa herrschen, auszunutzen. Am Ende der Sit-
zung wird durch eine »Botschaft des Führers«
der Reichstag zum 28. März 1936 aufgelöst und
Neuwahlen für den Folgetag verkündet.
30. Januar 1937 Erstmals nach der »Wahl«
vom 29. März 1936, die angeblich 99 Prozent
Zustimmung gebracht haben soll, versammelt
sich der Reichstag wieder in der Kroll-Oper.
Ausführlich referiert Hitler über die »Erfolge«
seiner ersten vier Jahre und über ein neues »Frie-
densprogramm«, beschwört die »bolschewisti-
sche Weltgefahr«, meldet Ansprüche auf die ehe-
maligen deutschen Kolonien an und lehnt jegli-
che Rüstungskontrolle ab. Zum Ende der Sit-
zung wird die Verlängerung des »Ermächtigungs-
gesetzes« um weitere vier Jahre beschlossen.
20. Februar 1938 Hitler hält in der Kroll-
Oper vor dem Reichstag eine mehrstündige
Rede, die erstmals auch von österreichischen
Sendern übertragen wird. Den hier deutlich
herauszuhörenden Annexionsgedanken folgt
am 13. März 1938 der »Anschluß« Österreichs
an das Deutsche Reich.
18. März 1938 Abends tritt Hitler bei Kroll
vor den Reichstag, rechtfertigt den »Anschluß«
Österreichs und bedankt sich in seiner Rede bei
Italiens Diktator Mussolini für dessen Unter-
stützung. Dabei droht er unverhohlen den west-
lichen Demokratien mit Krieg. Danach löst er
den Reichstag auf und verfügt eine allgemeine
Volksabstimmung zum 10. April 1938, die »ein-
zig Zustimmung oder Ablehnung der vollzo-
genen Wiedervereinigung Österreichs mit dem
Deutschen Reiche« zuließ. Es sollen über 99
Prozent der 49,3 Mio. Wahlberechtigten mit
»Ja« gestimmt haben.
30. Januar 1939 Zum sechsten Jahrestag
der »Machtergreifung« kommt der »Großdeut-
sche Reichstag«, der nunmehr 885 Abgeordnete
umfasst, in der Kroll-Oper zusammen. Hitler
rechtfertigt die Einverleibung der zur Tschecho-
slowakei gehörenden Sudetengebiete. Erstmals
droht er offen mit der »Vernichtung der Jü-
dischen Rasse in Europa«. Zum Schluss der Sit-
zung lässt Hitler die Dauer des »Ermächtigungs-
gesetzes« bis zum 10. Mai 1943 verlängern.
28. April 1939 Die Zerschlagung der Tsche-
choslowakei im März 1939 führte zu scharfen
Reaktionen des Westens. Hitler beantwortet
vor dem Reichstag die Note des US- Präsiden-
ten Roosevelt, für 31 namentlich aufgeführte
Staaten eine zehnjährige Nichtangriffsgarantie
abzugeben, mit der Kündigung des deutsch-bri-
tischen Flottenabkommens von 1935 als auch
des deutsch-polnischen Vertrages von 1934. In
seiner Rede vermeidet er die sonst üblichen
Attacken gegen die Sowjetunion.
1. September 1939 In der Kroll-Oper ver-
kündet Hitler den Überfall des Deutschen
Reiches auf Polen, den Beginn des Zweiten Welt-
krieges. Über 100 fehlende Abgeordnete, die
teilweise zur Wehrmacht eingezogen sind, wer-
den durch Parteifunktionäre ersetzt und mit
Stimmrecht ausgestattet. Hitler beschwört den
erst wenige Tage alten Nichtangriffspakt mit der
Sowjetunion und verkündet: »Seit 5.45 Uhr wird
jetzt zurückgeschossen! Und von jetzt ab wird
Bombe mit Bombe vergolten!« Abschließend bil-
ligt der Reichstag die »Wiedervereinigung« der
Freien Stadt Danzig mit dem Deutschen Reich.
6. Oktober 1939 Nach der Kapitulation
Polens tritt Hitler in der Kroll-Oper vor den
Reichstag und unterbreitet Großbritannien ein
»großzügiges« Friedensangebot, das von seinen
Inhalten her jedoch unannehmbar ist.
19. Juli 1940 Nach den Siegen in Nord-
und Westeuropa lässt Hitler den Reichstag wie-
der in die Kroll-Oper rufen. Entgegen der allge-
meinen Erwartung eines erneuten Friedensan-
gebotes an Großbritannien verkündet er pro-
phetisch: »Es wird ein großes Weltreich zerstört
werden, das zu vernichten oder auch nur zu schä-
digen niemals meine Absicht war. Allein ich bin
mir darüber im klaren, daß die Fortführung
dieses Kampfes nur mit der vollständigen Zer-
trümmerung des einen der beiden Kämpfenden
enden wird. Mister Churchill mag glauben, dass
dieses Deutschland ist. Ich weiß, es wird England
sein.«
4. Mai 1941 Nach den Eroberungen Jugo-
slawiens und Griechenlands tritt Hitler vor den
Reichstag und versichert nach scharfen Atta-
cken gegen Großbritannien den »Männern des
Reichstags«, dass er mit »voller Ruhe und höchs-
ter Zuversicht in die Zukunft blicke« und »die
Wehrmacht stets dann und dort eingreifen wer-
de, wann und wo es notwendig« sein würde.
11. Dezember 1941 Nach dem japanischen
Überfall auf Pearl Harbor erklärt Hitler vor dem
Reichstag in der Kroll-Oper den USA den Krieg
und den amerikanischen Präsidenten für »geis-
teskrank«.
26. April 1942 Hitler stellt in der Kroll-
Oper die Winterniederlage vor Moskau als
Triumph dar und lässt sich im Anschluss vom
Reichstag zum »Obersten Gerichtsherren aller
Deutschen« deklarieren. Die Abgeordneten
billigen den Beschluss als eine Art »Super-
ermächtigungsgesetz«. Danach tritt der Reichs-
tag nie wieder zusammen.
1941 – 1957
Das Ende der Kroll-Oper
30. September 1941 Nach schweren Bom-
bentreffern an der Staatsoper spielt das Ensem-
ble der Lindenoper – parallel zu den letzten zwei
Reichstagssitzungen – als »Staatsoper am Kö-
nigsplatz« wieder in der Kroll-Oper.
22. November 1943 Bei den ersten nächt-
lichen Großangriffen der Royal Air Force auf
Berlin wird die Kroll-Oper so schwer getroffen,
dass eine Weiterführung des Opernbetriebes
nicht mehr möglich ist.
April – Mai 1945 Beim Kampf um Berlin
und der Erstürmung des Reichstagsgebäudes
durch die Rote Armee wird die Kroll-Oper wei-
ter zerstört. Dennoch beginnen am 23. Mai be-
reits Aufräumarbeiten zur Wiederherrichtung
der Gartenlokalitäten.
27. März 1951 Beginn von Spreng- und Ab-
tragungsarbeiten an der Ruine der Kroll-Oper.
Bis dahin wurde der »Kroll-Garten« in den
Sommermonaten durch verschiedene Pächter
mit Tanz- und Konzertveranstaltungen mehr
oder weniger erfolgreich bewirtschaftet.
4. Mai 1957 Das Grundstücksamt Tiergar-
ten stellt den Antrag auf »öffentliche Abräu-
mung« für die Reste von Kroll. Nach einer er-
folglosen Sommersaison 1956 hatte der letzte
Pächter den »Kroll-Garten« aufgegeben. Die
letzten Ruinenreste werden im Herbst 1957 be-
seitigt, der Tiergarten auf das Areal erweitert.
1931–1933
From the Reichstag to the Kroll Opera –
the end of democracy
January 30, 1933 Adolf Hitler (1889–1945)
is nominated “Chancellor of the Reich” by the
President Paul von Hindenburg (1847–1934).
This historic event subsequently becomes known
as the Machtübernahme (“seizure of power”).
February 27–28, 1933 On this night, the
Reichstag building is set on fire. The National
Socialists use this event as an occasion to com-
pletely eliminate their opposition, especially the
communists.
March 5, 1933 At this renewed “Reichstag
elections” the NSDAP obtains its best result so
far with 43.9 percent of the votes, but still doesn’t
have the absolute majority. Since the Weimar
Constitution determinates that the new govern-
ment has to assemble within 30 days after the
vote, the nearby Kroll Opera, which hasn’t been
used since July 1931, is considered as a meeting
site.
March 7, 1933 The reconstruction of the
Kroll Opera begins. The ceiling of the audito-
rium is lowered and covered with cloth to hide
the “joyful ceiling paintings” of the Opera
House, and the seats are rearranged to accom-
modate the 647 seats of the delegates. The 81
mandates of the KPD have already been an-
nulled. The Interior Minister Wilhelm Frick
(1877–1946) audaciously announces: “When
the new Reichstag meets the communists will be
unable to participate due to more urgent and
constructive work. These gentlemen have to get
accustomed to useful work again. We will give
them an opportunity to do so in the concentra-
tion camps.”
March 21, 1933 The first meeting of the
newly elected Reichstag at the garrison church
(Garnisonkirche) in Potsdam. Hitler under-
stands how to deceive the representatives of
“Old Prussia” about his true intentions. The
constituent session of the Reichstag takes place
that afternoon at the Kroll Opera, whose en-
trance has a large poster announcing its new
function as the “Reichstag”. Large swastika ban-
ners, which are not yet an official state symbol,
are raised next to the Imperial Eagle and the
black-white-red flags of the Reich. At this point,
some of the rules of procedure have already been
suspended. The application by the SPD delegate
Hans Vogel (1881–1945) regarding the release
of eleven jailed members of his faction, is suc-
cinctly transferred to the procedural commit-
tee.
March 23, 1933 In his inaugural speech at
Kroll, Hitler welcomes the draft of the Enabling
Act, officially referred to as the “Law to Remedy
the Distress of the People and the State”. At this
time, the National Socialists still require a
majority of two-thirds to pass this law, which
means that they are still dependent on the ap-
proval of other political parties. As the center is
fractioned, the former Chancellor Heinrich
Brüning (1885 – 1970) issues a “passionate warn-
ing against any concession“. But his fraction de-
cides to vote for the law “in consideration of the
party and its future”. Although they are sub-
jected to the strongest pressures, only the re-
maining delegates of the SPD fraction uniform-
ly vote against it. In a “final public declaration
for democracy and socialism”, the party and
fraction chairman Otto Wels (1873–1939) sub-
stantiates his party’s rejection: “Certainly, our
opponents want to attack our honour, there is
no doubt about it. But that this attempt to de-
fame our character will one day fall back on the
perpetrators, since it isn’t our honour that will
be destroyed in the course of this world tragedy,
will remain our belief to the very last moment.
[…] You can take our lives and our freedom,
but not our honour.”
The votes are cast 441 to 94, far more than the
required majority of two-thirds. The capitula-
tion of the parliament system to the Enabling
Act now effectively also signifies the end of de-
mocracy in Germany.
1933–1942
The downward path
May 17, 1933 Hitler convenes the Reichstag
to present himself to the world as an advocate
for reason and public communication in a
“speech on peace”. This is the last time that del-
egates from other parties are represented. Ar-
rests and escapes have already reduced the SPD
party down to 70 delegates.
December 12, 1933 The Reichstag, now
consisting of 661 NSDAP delegates, meets at
Kroll. After withdrawing from the League of
Nations, Hitler only allows a single list of the
NSDAP to be newly elected on November 12,
1933. According to the Nazi newspaper
“Völkischer Beobachter”, 39.6 million voters
elect the single list; approximately 3.3 million
ballots are considered invalid.
January 30, 1934 This Reichstag session
serves as a celebration of the first twelve months
of rule by the Nazis. In passing, the “law con-
cerning the new construction of the Reich” is
enacted, which abolishes the political institu-
tions of the states, transferring their powers onto
the Reich, and gives the central government the
right to change constitutional law without any
state representation.
July 13, 1934 At the Kroll Opera, Hitler
justifies the murders of members of the party
and other oppositionists (“Röhm-Putsch”).
Additionally, he promotes himself to the
supreme judge of the German people and de-
clares: “Let the nation know that its existence...
cannot be threatened with impunity by anyone!
And let it be known for all time to come that if
anyone raises his hand to strike the State, then
certain death is his lot!”
August 6, 1934 At the Kroll Opera, the
Reichstag commemorates the death on Au-
gust 2, 1934, of the former President Paul von
Hindenburg.
May 21, 1935 Nine months later, the Nazi
Reichstag meets again. Hitler holds a “speech
on peace” to convince the German public of his
supposed desire for peace – despite a renewal of
compulsory military service (March 16, 1935),
and the open break with the Treaty of Ver-
sailles.
September 15, 1935 The Reichstag con-
venes in Nuremberg on the occasion of the
NSDAP party congress in order to dissolve its
old order of business without putting a new one
in effect. At the same time the Nuremberg Laws
are passed, which now provide a legal founda-
tion for the increased racial discrimination
against Jews.
March 7, 1936 Hitler assembles the Reich-
stag at the Kroll Opera to justify the army’s oc-
cupation of the Rhineland five days before and
the associated break with the Treaties of Ver-
sailles (1919) and Locarno (1925). Again he is
adept at taking advantage of the contradictions,
fears and desire for peace that are pervading
Europe. In conclusion, the Reichstag disbands
with a message by the Führer on March 28,
1936, and new elections are planned for the next
day.
January 30, 1937 For the first time since
the “election” on March 29, 1936, which sup-
posedly had an approval rate of 99 %, the Reich-
stag again assembles at the Kroll Opera. Hitler
delivers an extensive lecture about the “suc-
cesses” of his first four years and his new “pro-
gram for peace”, he evokes the “Bolshevistic
danger to the world”, declares his claims to the
former German colonies and rejects any form of
military control. At the end of the session, the
Enabling Act is extended by another four years.
February 20, 1938 For several hours, Hit-
ler holds a speech in front of the Reichstag,
which is also broadcasted by Austrian stations
for the first time. The annexation considerations,
clearly recognizable in his speech, are followed
by the inclusion of Austria in the German Reich
on March 13, 1938.
March 18, 1938 Hitler justifies the annexa-
tion of Austria before the Reichstag and thanks
the Italian dictator Benito Mussolini (1883 –
1945), for his support during his speech. At the
same time, he threatens western democracies
with war in no uncertain terms. He dissolves
the Reichstag and enacts a general public vote
on April 10, 1938, which is referred to as the
“sole approval or rejection of the enacted reuni-
fication of Austria with the German Reich”.
Supposedly more than 99 percent of the 49.3
million voters were in favour.
January 30, 1939 On the sixth anniversary
of the seizure of power, the German Reichstag,
which now comprises 885 delegates, meets at
the Kroll Opera. Hitler justifies taking over the
Sudeten regions from Czechoslovakia. For the
first time, he openly threatens the “annihilation
of the Jewish race in Europe”. At the end of the
session, Hitler extends the duration of the Ena-
bling Act until May 10, 1943.
April 28, 1939 The fragmenting of Czecho-
slovakia in March 1939 evokes harsh responses,
from the West. Before the Reichstag, Hitler re-
sponds to a letter by US President Franklin D.
Roosevelt (1882–1945) – which asks for a com-
mitment to refrain from attacking 31 listed
states for ten years – by canceling the fleet agree-
ment between Germany and Britain from 1935
along with the German/Polish contract from
1934. In his speech he avoids his customary at-
tacks of the Soviet Union.
September 1, 1939 At the Kroll Opera,
Hitler announces the assault of the German
Reich on Poland, the beginning of World
War II. More than 100 missing delegates, some
of whom have already been drafted into the
army, are succinctly replaced by party function-
aries who are given voting rights. Hitler evokes
the Non-Aggression Pact with the Soviet Union,
in effect for only a few days, and announces: “As
of 5:45 a.m., we are firing back! And from now
on, bombs are requited with bombs!” After-
wards, the Reichstag “permits” the “reunifica-
tion” of the free city of Danzig with Germany.
October 6, 1939 After Poland’s capitula-
tion, Hitler steps in front of the Reichstag at the
Kroll Opera and makes Great Britain a “gener-
ous” offer of peace, which however is unaccept-
able in its details.
July 19, 1940 After the victories in north-
ern and western Europe, Hitler again assembles
the Reichstag at the Kroll Opera. Contrary to
the general expectation of a new offer of peace
to Great Britain, he prophetically announces:
“A great empire will be destroyed whose annihi-
lation or even damage was never my intention.
I alone know that the continuation of this war
will only end with the complete destruction of
one of the two opponents. Mr. Churchill may
believe that this is Germany. I know it will be
England.”
May 4, 1941 After conquering Yugoslavia
and Greece, Hitler appears before the Reichstag
and, after harsh attacks on Great Britain, as-
sures the “men of the Reichstag”, that he is
“looking into the future full of calm and the
greatest confidence” and that “the army will al-
ways intervene where and when it will be neces-
sary”.
December 11, 1941 After the Japanese at-
tack on Pearl Harbor, Hitler declares war with
the United States at the Kroll Opera, calling the
US President “mentally ill”.
April 26, 1942 At the Kroll Opera, Hitler
presents the winter defeat before Moscow as a
triumph and has himself declared to the “su-
preme judge of all Germans” following the
Reichstag session. The delegates tolerate the
resolution as a kind of superior Enabling Act.
Afterwards, the Reichstag never meets again.
1941–1957
The end of the Kroll Opera
September 30, 1941 After the State Opera
has been subjected to severe bomb hits, the en-
semble of the Linden Opera performs at the
Kroll Opera again as the “State Opera at Königs-
platz”, parallel to the last two Reichstag ses-
sions.
November 22, 1943 During the first few
major nocturnal attacks by the Royal Air Force
on Berlin, the Kroll Opera is so badly damaged
that a continuation of the opera performances is
no longer possible.
April–May 1945 During the battle for Ber-
lin and the storming of the Reichstag building
by the Red Army, the Kroll Opera is damaged
further. Nonetheless, the cleaning process al-
ready begins on May 23 in an effort to restore
the garden localities.
March 27, 1951 The beginning of blasting
and demolition work at the ruin of the Kroll
Opera. Until then, the Kroll Garden had been
utilized in the summer months more or less suc-
cessfully by various tenants with dance and con-
cert events.
May 4, 1957 The Tiergarten property office
requests that the remains of Kroll be cleared
away. After the end of the unsuccessful summer
season in 1956, the last tenant has abandoned
the Kroll Garden. The final remnants of the ru-
ins are cleared off by the fall of 1957; the Tier-
garten expands onto the property.
Die Tafel steht am Ende der Großen Querallee mit direktem Blick auf das Carillon und somit auf die Stelle, an der sich bis 1951 die Krolloper befand. Direkt neben dieser Tafel befindet sich eine weitere mit dem Titel “»Krolls Etablissement« vor dem Brandenburger Tor 1842-1931”.
Diese blaue Informationstafel wurde gestiftet vom Bundesminister der Finanzen, Herrn Peer Steinbrück, und am 31. August 2007 der Öffentlichkeit übergeben. Die Realisierung erfolgte auf Initiative der SPD Bellevue (Berlin-Mitte), unterstützt durch die Gedenktafelkommission des Bezirkes Mitte. Entwurf, Layout und Aufstellung wurden durch den Berliner Unterwelten e.V. ausgeführt. Weitere Tafeln desselben Designs existieren im gesamten Stadtraum Berlins. Die Tafeln sind gerahmt von einem Stahlgestell, die Texte und Bilder befinden sich auf einer beschichteten Kunststoffplatte.
Die Bildunterschriften von links nach rechts lauten:
[1] Das Reichstagsgebäude in Flammen, 27. Februar 1933.
The Reichstag building in flames, February 27, 1933.
[2] SA rückt als »Saalschutz« in die Kroll-Oper ein, 21. März 1933.
SA engages as “Saalschutz” into the Kroll Opera, March 21, 1933.
[3] Reichstagssitzung in der Kroll-Oper, 23. März 1933.
Reichstags meeting in the Kroll Opera, March 23, 1933.
[4] Hitler betritt die Kroll-Oper, 7. März 1936.
Hitler enters the Kroll Opera, March 7, 1936.
[5] Kroll-Oper, um 1942.
Kroll Opera, around 1942.
[6] Kroll-Oper, im Herbst 1945.
Kroll Opera, in autumn 1945.
[7] Tanz im Kroll-Garten, Sommer 1947.
Dance in the Kroll Garden, summer 1947.
Inmitten des deutschen Textes befindet sich ein Zeitzeugenbericht von Josef Felder (1900 – 2000), Reichstagsabgeordneter der SPD, zum unmittelbaren Geschehen und den Umständen des 23. März 1933:
»Die SPD-Fraktion hatte am 22. und am Vormittag des
23. März noch eingehend über ihre Haltung zum Ermächti-
gungsgesetz beraten. Es handelte sich um die Entscheidung
darüber, ob die Fraktion überhaupt an der Sitzung teilneh-
men solle. Es gab einige Kollegen [...], die hartnäckig die
Meinung vertraten, dem Präsidenten Göring eine scharfe
Entschließung zu übermitteln und dann abzureisen. Diese
Meinung fand keine Mehrheit. Otto Wels wehrte sich ebenso
wie der um viele Jahre jüngere Dr. Schumacher energisch
gegen ein Fernbleiben von der Sitzung. Die Abgeordnete aus
Schleswig-Holstein, Luise Schröder, geriet in Erregung. Sie
sprang auf und forderte leidenschaftlich: »Keiner darf fern-
bleiben! Ich gehe hinüber und wenn sie mich in Stücke
reißen. Man muss vor aller Welt den Nazis widersprechen
und mit Nein stimmen.« [...].
»Die Ankündigung der Kanzlerrede hatte eine rie-
sige Menschenmenge in Bewegung gesetzt. Agitatoren der
NSDAP peitschten sie unaufhörlich mit Zurufen an. Sprech-
chöre brandeten zu den Fraktionszimmern, die teilweise im
Reichstag noch benutzbar waren, hinauf, um den Abgeord-
neten der bürgerlichen Mitte und der SPD begreiflich zu ma-
chen, dass der Reichstag bewusst unter äußersten Druck ge-
setzt werde. »Wir wollen das Ermächtigungsgesetz, sonst
gibt‘s Zunder! Nieder mit den roten Schuften und Landesver-
rätern!« Kein Wunder, dass die unheimliche Situation in der
SPD-Fraktion psychische Belastungen und so bei manchem
die Meinung auslöste, in die Kroll-Oper hinüberzugehen,
bedeute vielleicht Selbstmord.
So wurde der Weg vom Wallotbau [Anm.: Reichstag]
zur Kroll-Oper zum Dornenpfad. Die Schutzpolizei hielt nur
eine schmale Gasse in der Menschenbrandung für die Abge-
ordneten frei. Unmittelbar vor dem Portal der Kroll-Oper er-
lebten wir die Verhaftung des ehemaligen Ministers Carl
Severing. Auf Intervention von Göring kam er wieder frei
und konnte nachträglich noch seine Neinstimme abgeben.
Der ebenfalls verhaftete Abgeordnete Dr. Julius Leber kam
nicht frei. [...]
Hitler und sein Gefolge kamen in Parteiuniform im
Sturmschritt und mit erhobener Hand. Die Botschafter und
Gesandten der fremden Mächte und die sonstige Prominenz
erwarteten ihn in den vollgepfropften Logen stehend, wäh-
rend die gestiefelten Nazis die Hacken zusammenschlugen
wie eine preußische Gardekompanie. Die bürgerliche Mitte
und die SPD nahmen sichtlich betroffen und schweigend
Platz. [...]
In diesem Augenblick geschah etwas Ungewöhnliches:
SA- und SS-Leute betraten in völlig unzulässiger Weise den
Raum der Abgeordneten und bildeten einen dichten Kordon
um die Sitze der SPD. Ihre gezischten Drohungen und billi-
gen Witze verstummten erst, als Hitler mit seiner program-
matischen Rede begann. Bei jedem seiner sarkastischen
Hiebe gegen die SPD fieberten die braunen Gäste um uns
und es sah mehr als einmal so aus, als könnten sie den Zeit-
punkt einer »persönlichen Abrechnung« mit uns nicht er-
warten. [...]
Die Sitzung wurde nun für die Dauer von etwa drei
Stunden unterbrochen, um den Fraktionen – im alten Reichs-
tag – Zeit für ihre Schlussberatungen zu lassen. Warnend, ja
beschwörend kam der Abgeordnete Joos nochmals zu uns:
»Reist ab oder sagt ja, ihr seid in Lebensgefahr!« Auch der
Zentrumsabgeordnete Dr. Dessauer warnte einige Kollegen.
Die Fraktion billigte einige Abwesenheitsmeldungen
für jüdische Kollegen aus menschlich sehr erklärbaren Grün-
den. Über 20 Abgeordnete befanden sich in »Schutzhaft«, so
dass die verbleibenden 94 nun die endgültige Entscheidung
zu treffen hatten. Es kam zu einem dringenden Appell jün-
gerer Abgeordneter, Otto Wels solle die Antwort der SPD an
Hitler an sie abgeben. [...]
Am Spätnachmittag des 23. März erhielt sofort nach
Sitzungsbeginn Otto Wels unter gespanntester Aufmerksam-
keit des Hauses das Wort. […] Höhnisches Gelächter der
Rechten übertönte unseren Beifall und dann stürzte Hitler
förmlich ans Rednerpult: »Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt!“
Und nun folgte eine Flut von böswilligen Behauptungen und
Anklagen gegen die Sozialdemokratie, unter völliger Miss-
deutung politischer und geschichtlicher Fakten. Zwischenrufe
aus den Reihen der SPD mischten sich mit Heil- und Bravo-
Rufen der Rechten. Göring zu uns gewandt: »Ruhe! Jetzt
rechnet der Führer ab!« Die bürgerliche Mitte verhielt sich
schweigend.«