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Volksgerichtshof

Volksgerichtshof

Potsdamer Straße 7

Der „Volksgerichtshof”
An dieser Stelle befand sich von 1935 bis 1945
der Hauptsitz des „Volksgerichtshofes”. Dieses
Sondergericht wurde durch Initiative Hitlers auf
Grundlage eines Gesetzes vom 24. April 1934
eingerichtet, um der bislang noch unabhängigen
Justiz politische Strafverfahren zu entziehen.
Am 1. August 1934 nahm der „Volksgerichtshof”
seine Arbeit in Berlin zunächst im Gebäude des Preußischen Land-
tages in der Prinz-Albrecht-Straße 5 (heute Sitz des Berliner Abge-
ordnetenhauses) auf. 1935 zog das Sondergericht in das ehemalige
Königliche Wilhelms-Gymnasium. Als Adresse diente dessen
Zufahrt in der Bellevuestraße 15, an der Nord-
seite des Sony Centers, wo heute eine Gedenk-
tafel im Boden daran erinnert.
Das Gerichtsgebäude selbst befand sich jedoch
abgeschirmt von Straßen im historischen Schul-
gebäude und stand schräg zu der erst in den
1990er Jahren gebauten Neuen Potsdamer Straße.
Für einige Prozesse nutzte der „Volksgerichts-
hof” aus Platzgründen auch das Gebäude des
Berliner Kammergerichts in der Elßholzstraße in
Berlin-Schöneberg. Dort fanden unter anderem
mehr als 20 Hauptverhandlungen gegen Beteiligte am Umsturz-
versuch vom 20. Juli 1944 statt, in denen mehr als 110 Menschen
zum Tode verurteilt wurden.
Seit 1942 amtierte Roland Freisler als Gerichts-
präsident. In seinem Antrittsschreiben an Hitler
beteuerte er: „Der Volksgerichtshof wird sich
stets bemühen, so zu urteilen, wie er glaubt,
dass Sie, mein Führer, den Fall selbst beurteilen
würden.” Freisler starb bei einem Bombenangriff
am 3. Februar 1945 in diesem Gebäude.
Gegenstand der Verfahren vor dem „Volksge-
richtshof” waren politische Opposition und Wi-
derstand gegen den NS-Staat, wobei der Begriff
des Widerstandes weit gefasst wurde. Häufig
reichte eine kritische Äußerung über die Zeitumstände aus, um
wegen „Vorbereitung zum Hochverrat” angeklagt und zum Tode
verurteilt zu werden.
Mit Beginn des Krieges stieg die Zahl der Todes-
urteile des „Volksgerichtshofes” stark an. Bis
1945 wurden mindestens 5423 Angeklagte zum
Tode verurteilt. Unter ihnen befanden sich
Mitglieder bekannter Widerstandsgruppen, wie
der Weißen Rose, des Kreisauer Kreises, der
von der Gestapo so bezeichneten Roten Kapelle
sowie Unterstützer des Umsturzversuches vom
20. Juli 1944.
Das Gebäude des „Volksgerichtshofes” wurde
im Februar 1945 zerstört. Die meisten der für
vielfache Rechtsbeugung und Willkürjustiz verantwortlichen Richter
und Staatsanwälte fielen nach 1945 unter das „Richterprivileg”, da
sie sich - so die Begründung - mit ihren Urteilen an geltendes NS-
Recht gehalten hätten.
Erst 1985 hatte der Deutsche Bundestag in einer
einstimmig angenommenen Entschließung den
„Volksgerichtshof” als „Terrorinstrument zur
Durchsetzung nationalsozialistischer Willkür-
herrschaft” bezeichnet und den dort gefällten
Urteilen die Rechtswirkung in der Bundesre-
publik aberkannt. 1998 wurden die Urteile des
„Volksgerichtshofes” durch das „Gesetz zur Auf-
hebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile
in der Strafrechtspflege” außer Kraft gesetzt.

The Volksgerichtshof
It was here that the main seat of the Volks-
gerichtshof (”People’s Court”) was located from
1935 to 1945. This special court, based on a law
of 24 April 1934, was established on Hitler’s
initiative with the aim of denying the hitherto
independent courts the right to pursue political
criminal proceedings.
On 1 August 1934 in Berlin, the Volksgerichtshof began its work at
the Preussischer Landtag building in Prinz-Albrecht-Straße 5 (now
the seat of the Berlin Parliament). In 1935, the Special Court moved
to the former Königliches Wilhelms-Gymnasium, whose entrance in
Bellevuestraße 15 served as the court’s address.
A memorial plaque set in the cobblestones now
commemorates this fact.
The court building, located in the historical
school building, was concealed from the streets.
It stood diagonally to Neue Potsdamer Straße,
which was built in the 1990s. Some of the trials
staged at the Volksgerichtshof also used the
Supreme Court building in Elßholzstraße in the
district of Berlin-Schöneberg. At this court, more
than twenty main proceedings were held against
the participants in the attempted coup d’état on 20 July 1944. In
these cases, over 110 people were sentenced to death.
From 1942 on, Roland Freisler acted as President of the Volksge-
richtshof. Upon taking office, he declared in his
inaugural letter to Hitler: ‘The Volksgerichtshof
will always strive to pass judgement in the way
that he believes that you, my Leader, would have
judged the case yourself.’ Freisler died in this
building during an air raid on 3 February 1945.
The proceedings before the Volksgerichtshof
dealt with political opposition and resistance
to the Nazi state. The definition of resistance
provided great scope for interpretation.
Frequently, a critical comment on the prevailing
conditions was enough to charge the defendants with ”preparing to
commit high treason” and have them sentenced to death. On the out-
break of war, the number of death sentences passed by the Volks-
gerichtshof rose considerably. By 1945, at least
5,243 defendants had been sentenced to death.
The victims included members of resistance
groups such as the Weiße Rose, the Kreisauer
Kreis, the group called Rote Kapelle by the
Gestapo and the participants in the attempted
coup d’état on 20 July 1944.
The building containing the Volksgerichtshof
was destroyed in February 1945. Most of the
judges and state prosecutors who had been
responsible for perverting the course of justice
on countless occasions came under the so-called judges’ privilege
after 1945. It was argued that the judgements had been passed in
accordance with prevailing National Socialist law.
In 1985, the German Bundestag, in an unan-
imously adopted resolution, described the Volks-
gerichtshof as an ‘instrument of terror aimed at
implementing National Socialist tyranny’, and
declared that the judgements passed at the
Volksgerichtshof had no legal validity in the
Federal Republic of Germany. It was not until
1998 that the judgements of the Volksgerichts-
hof were annulled by the ”Law to squash unjust
judgements pronounced by the national
Socialists in the criminal justice system”.

Die deutsche Inschrift steht in Blickrichtung Osten, die englische in Blickrichtung Westen. Neben den Texten befinden sich übereinander fünf Abbildungen, deren Unterschriften jeweils lauten (von oben nach unten):
Königllches Wilhelms-Gymnasium, o.J.
King William Grammar School, no date

Zwischen Bellevue- und alter Potsdamer
Straße, um 1926 und heute
Between Bellevue- and the old Potsdamer
Straße, ca. 1926 and today

Eröffnung „Volksgerichtshof”, Preußischer
Landtag, Juli 1934
Opening of the ”People’s Court”,
Prussian Landtag, July 1934

„Volksgerichtshof”, o.J.
The „”People’s Court”, no date

Ruine des „Volksgerichtshofes”, 1951
The ruins of ”People’s Court”, 1951

Design und Gestaltung der schlanken, weitgehend durchsichtigen Stele lagen bei Helga Lieser, Recherchen und Text beim Aktiven Museum. Hergestellt wurde sie im Auftrag der Senatskanzlei - Kulturelle Angelegenheiten. Sie steht am Rande des Gehwegs auf öffentlichem Straßenland.  Eingeweiht wurde die Tafel am 1.8.2014, dem 80. Jahrestag der „Arbeitsaufnahme” des Volksgerichtshofs zum Gedenken an die Opfer der NS-Justiz. Es sprachen Bezirksstadträtin Sabine Weißler, der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Johannes Tuchel, und der Initiator der Tafel, Manfred Pohl.

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