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„Spiegel gegen das Vergessen“

Hermann-Ehlers-Platz

Die in Deutschland lebenden Juden sind eine kleine Minderheit von weniger als einem
Prozent der Gesamtbevölkerung. 1933 wohnen in Berlin-Steglitz 3.385 Angehörige der
jüdischen Religionsgemeinschaft.
Im nationalsozialistisch regierten Deutschland werden Menschen als minderwertig
bezeichnet nach dem Maß einer vorgeblichen "Reinheit des Bluts". Bislang gleichbe-
rechtigte Bürger werden zu Objekten einer "Rassentrennung" in Juden und Deut-
sche. Berufsverbot und Entrechtung, schließlich Auswanderungsverbot und Zwangs-
arbeit sind die Vorstufen von willkürlicher Verhaftung, Deportation und Ermordnung
in den Jahren 1941 bis 1945.
Vom 18. Oktober 1941 bis 27. März 1945 gehen von Berlin 61 sogenannte Ost-Trans-
porte und 121 sogenannte Altentransporte in die Ghettos und Vernichtungslager
nach Auschwitz, Kowno, Lodz, Minsk, Reval, Riga, Theresienstadt, Warschau und in
den Distrikt Lublin.
Im folgenden werden die Namen, Geburtstage und Anschriften von 1.723 rassisch ver-
folgten Berlinern so dokumentiert, wie sie auf den erhalten gebliebenen Transport-
listen verzeichnet sind. Auf die Wiedergabe der von den Nationalsozialisten 1939
aufgezwungenen zusätzlichen Vornamen Israel und Sara wird bewußt verzichtet.
Bei jedem Transport sind Datum der Deportation aus Berlin und – soweit bekannt –
der Bestimmungsort abgegeben. Rassisch Verfolgte, die Steglitz, Lankwitz, Lichter-
felde und Südende wegen Zwangseinweisung on sogenannte Judenwohnungen in
anderen Bezirken schon zuvor verlassen mußten, sind in diesen Listen nicht mehr als
Steglitzer zu erkennen.
Aufgeführt sind die Seiten aus den Berliner Transportlisten, soweit diese auch Steg-
litzer Adressen enthalten. Auf unleserliche Namen mußte verzichtet werden.
Es wird erkennbar, daß die Deportation von 230 Steglitzer Bürgern nur ein Ausschnitt
aus der Verschleppung und Ermordung von nahezu 50.000 "Berliber Juden" ist.
Einige rassisch Verfolgte überleben in sogenannten "Mischehen", wenige kehren aus
den Ghettos und Vernichtungslagern zurück, noch weniger konnten in Berlin unter-
tauchen.

Auf diesem 9m langen und 3,50m hohen „Spiegel gegen das Vergessen“ sind neben relativ wenigen allgemeinen Angaben zur Geschichte der Juden in Deutschland, Berlin und Steglitz, die Namen, Geburtsdaten und Adressen von 1.723 aus Berlin depor­tierten Jüdinnen und Juden wieder­gegeben.

Es sind die Sei­ten aus den erhalten geblie­be­nen Trans­port­listen aufge­führt, sofern sich darauf Ste­glitzer Adres­sen befan­den. So wurde die namentli­che Erinnerung an 230 jüdi­sche Ste­glitzerinnen und Ste­glitzer mög­lich. Außerdem finden sich Abbildungen der Neuen Synagoge im kriegszerstörten Zustand und nach der Wiederherstellung des Frontteils, der ehemaligen Synagoge des „Religiösen Vereins Jüdischer Glaubensgenossen in Steglitz“ am Haus Wolfenstein in der Düppelstraße (die heute hinter einem Neubau den Blicken verborgen bleibt, auf die die Spiegelwand aber hinzeigt), der Kinder des Fotografen Abraham Pisarek mit einem Chanukkaleuchter und ein Zitat von Robert M(aximilian) W(assilij) Kempner:

„Man hat ihnen die Berufe genommen, das Besitztum gestohlen, sie durften nicht erben oder vererben, sie durften nicht auf Parkbänken sitzen oder einen Kanarienvogel halten, keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, keine Restaurants, keine Konzerte, Theater oder Kinos besuchen, für sie galten bestimmte Rassengesetze, ihnen wurden sämtliche staatsbürgerlichen Rechte entzogen, die Freizügigkeit wurde ihnen genommen, ihre Menschenrechte und ihre Menschenwürde wurden in den Staub getreten, bis sie in Konzentrationslager deportiert wurden und in die Gaskammern kamen ... Die Opfer waren Juden ... Der gelbe Stern kennzeichnete sie.“

An den Schmal­seiten der Spiegelwand steht einmal auf Deutsch: "Gedenke" und einmal das hebräische Äquivalent "זכור".

Die ein­drucksvolle Anlage ging aus einem Wettbewerb im Jahr 1992 hervor. Die Gewinner waren Wolfgang Göschel, Joachim von Rosenberg und Hans-Norbert Burkert. Ihrer Errichtung ging ein ­langer Streit auf Be­zirksebene voraus, weil sich ihr eine „Koalition“ aus CDU, FDP und Republikanern wi­dersetz­te. Im Mai 1994 zog Bausenator Wolf­gang Nagel das Ver­fahren an sich.

Am 7.6.1995 wurde das Denk­zeichen enthüllt und blieb auch bald zwanzig Jahre nach der Einweihung so gut wie unbeschmiert und unbeschädigt.

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