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Siegfried Hirschmann

Siegfried Hirschmann

Ansbach 16.12.1863 - Guatemala 8.3.1942

Boxhagener Straße 79-82

Siegfried Hirschmann
Industriepionier der Elektro-,
Reifen- und Automobilindustrie
Der in Ansbach am 16. Dezember 1863 geborene Siegfried Hirschmann
war ein bedeutender Berliner Industriepionier der Elektro- und Automobil-
technik während der Hochindustrialisierung. Im Alter von 27 Jahren
(1890) gründete er an der Landsberger Allee eine Firma zur Herstellung
von Kabel- und Gummiprodukten. Wenige Jahre später entstand daraus
unter Beteiligung des Bruders Bernhard Hirschmann und weiterer
Familienmitglieder die Aktiengesellschaft Deutsche Kabelwerke vorm.
Hirschmann & Co. Im Jahr 1895 wurde hier auf dem rund 26.000 Quadrat-
meter großen Grundstück Boxhagener Straße/Holteistraße/Weserstraße
vor den Toren Berlins die Produktion aufgenommen.
Um 1900 arbeiteten bereits 300 Menschen für die Deutschen Kabelwerke.
In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich daraus ein beachtlicher
Industriekomplex mit zahlreichen Auslandsvertretungen. Bedeutende
Innovationen der Kabel-, Elektro- und Gummifabrikation gingen von
der Firma aus. So entstand hier bereits 1904 mit Deka-Reifen einer der
ersten und größten Reifenhersteller Deutschlands.
1907 entstand entlang der Boxhagener Straße die Cyklon Maschinenfabrik
im Besitz der Deutschen Kabelwerke. Die Tochterfirma war beinahe zwei
Jahrzehnte ein erfolgreicher und innovativer Repräsentant der in den Kin-
derschuhen steckenden Automobilindustrie.
Bekannt wurde sie vor allem durch ihre erschwinglichen und beliebten
motorisierten Dreiräder, die Cyklonetten. Der beachtliche Erfolg der ge-
samten Unternehmung Siegfried Hirschmanns führte zur Gründung von
zwei Zweigwerken in Fürstenwalde (Spree), östlich von Berlin, und in der
Nähe von London (Union Cable Company). Siegfried Hirschmann machte
sich nicht nur als Unternehmer verdient, sondern prägte als Interessen-
vertreter der elektrotechnischen Industrie auch maßgeblich die Entwick-
lung der Branche.
Die jüdische Familie Hirschmann wurde nach der Machtergreifung der
Nationalsozialisten aus dem eigenen Unternehmen gedrängt. Nach 1933
vertrieben die Nationalsozialisten die Familie aus Deutschland und
beraubten sie ihres Vermögens. Mehrere Familienangehörige starben
im Konzentrationslager Theresienstadt. Siegfried Hirschmann flüchtete
mit seiner Frau erst kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs: Er folgte
der Familie seines Sohnes nach Guatemala. Dort starb er im Exil am
8. März 1942. Erst 2009, 67 Jahre später, sprach das Bundesverwaltungs-
gericht den Erben von Siegfried Hirschmann eine symbolisch niedrige
Entschädigung durch die Bundesrepublik Deutschland für den Verlust
des Vermögens zu.
(Rückseite mit englischem Text)

Siegfried Hirschmann
Electrical, tyre and
automotive pioneer
Born in Ansbach, Bavaria, on 16 December 1863, Siegfried Hirschmann
was an important electrical and automotive pioneer in Berlin during
Germany’s Second Industrial Revolution, At the age of 27 (1890), he
founded a company manufacturing cable and rubber products on Lands-
berger Allee. A few years later, this became Deutsche Kabelwerke vorm.
Hirschmann & Co., a public limited company in which his brother,
Bernhard Hirschmann, and other family members were also ivolved.
In 1895, production began here on an approx. 26,000-square-metre plot
at the gates of Berlin, spanning Boxhagener Straße, Holteistraße and
Weserstraße.
Employees at Deutsche Kabelwerke already numbered 300 in around
1900. In the decades that followed, the company grew to become an
impressive industrial complex with numerous agencies abroad and was
responsible for major cable, electrical and rubber innovations. In 1904
already, for example, one of Germany’s first and largest tyre manufac-
turers - Deka Reifen - emerged here.
In 1907, the Cyklon Maschinenfabrik car manufacturing company owned
by Deutsche Kabelwerke was founded on Boxhagener Straße. This sub-
sidiary proved a succesful and innovative player in the fledgling
automotive industry for almost two decades. It was especially well known
for ist affordable and popular motorised three-wheeler, the Cyklonette.
Thanks to Siegfried Hirschmann’s remarkable business success, two fur-
ther operations were established - one in Fürstenwalde (Spree), to the
east of Berlin, and another near London (the Union Cable Company).
Siegfried Hirschmann was not only a respected entrepreneur but also a
lobbyist for the electrical engineering industry and played a considerable
role in shaping its development. The Hirschmanns, a Jewish family, were
stripped of their business once the National Socialists came to power.
After 1933, the National Socialists expelled the family from Germany
and confiscated its assets. Several members of the family perished in the
Theresienstadt concentration camp. Siegfried Hirschmann fled with his
wife only shortly before the outbreak of World War II. He followed his
sons’s family to Guatemala, where he died in exile on 8 March 1942. It
was not until 2009, a full 67 years later, that the Federal Administrative
Court of Germany awarded Siegfried Hirschmann’s heirs a modest sum
as symbolic compensation from the Federal Republic of Germany for
the loss od the family’s assets.

Oben auf der Tafel ist auf jeder Seite ein Brustbild Hirschmanns. Unten sieht man die Fabrikationsanlagen aus der Luft. Rechts neben den jeweiligen Texten befinden sich übereinander je vier gleiche Abbildungen mit Bildunterschriften in Deutsch resp. Englisch. Diese lauten (v.o.n.u.):

Briefpapier der Hirschmann & Co. aus dem
Jahr 1895 mit der ältesten noch erhaltenen
Abbilddung der anfänglichen Grundstücks-
bebauung auf dem Boxhagener Gelände.
Hirschmann & Co. stationery from 1895, with the
oldest surviving depiction of the buildings first erected
by the company on the Boxhagener Straße plot.


Diese Cyklonette mit Kastenaufbau und überdachtem
Fahrersitz gehört wohl zu einer der letzten Produktions-
serien. Bis 1922 wird die Cyklonette in der Boxhagener
Straße produziert,
A Cyklonette with a box body and a canopy over the
driver’s seat from presumably one of the last production
series. The Cyklonette was produced in Boxhagener
Straße up until 1922.


Beim Reifenversand vor den Produktionsgebäuden in
Boxhagen. Die Reifensparte ist eine der profitabelsten
Gesellschaften der Deutschen Kabelwerke. DEKA war
einer der ersten und bis 1945 auch einer der größten
Reifenhersteller Deutschlands.
Loading tyres in front of the production buildings on
the Boxhagener Straße plot. The tyre division was one of
the most profitable companies within Deutsche Kabel-
werke, with Deka being one of the first and, until 1945,
also one of the largest tyre manufacturers in Germany.


Der Schein trügt: Dem Fabriktor zur Boxhagener
Straße sieht man in den 1940er-Jahren die national-
sozialistischen Machenschaften nicht an.
Die Hirschmanns werden wegen ihrer jüdischen
Abstammung aus dem Unternehmen gedrängt.
Appearances can bee deceiving: the factory gate at
Boxhagener Straße in the 1940s gave little indication
of the contemptible actions of the National Socialists.
The Hirschmanns were stripped of their business
due to their Jewish identity.

Die Stele steht inmitten des nach Siegfried Hirschmann benannten öffentlich zugänglichen Parks in dem Neubaukomplex an Boxhagener Straße, Holteistraße und Weserstraße. Enthüllt wurde die von der BAUWERT AG gestiftete Stele am 17.12.2018 durch Innensenator Andreas Geisel, den SPD-Abgeordneten Sven Heinemann, den Vorstand der BAUWERT AG, Jürgen Leibfried, und den Enkel des Geehrten, Tomas S. Hirschmann. Anschließend wurde sie bis zur offiziellen Einweihung des Parks und ihrer dortigen endgültigen Aufstellung am 7.9.2019 erst einmal wieder sicher verwahrt.

Sven Heinemann hat die Geschichte des Areals bearbeitet und in “Boxhagen beginnt” publiziert. Eine Tochter Siegfried Hirschmanns und seiner Frau Frieda war die Journalistin und Schriftstellerin Gabriele Tergit.

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