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Sanatorium Lichterfelde

Sanatorium Lichterfelde

Jungfernstieg 14

Das Sanatorium Lichterfelde
Am Jungfernstieg 14 standen bis 1962 Reste des 1889 von den
jüdischen Ärzten Dr. Max Goldstein und Dr. Albert Lilienfeld gegrün-
deten Sanatoriums für Nervenkranke, innere Kranke, Suchtkranke
und Erholungsbedürftige (später Sanatorium Lichterfelde genannt).
Behandelt wurde auf der Basis neuer wissenschaftlicher Therapien,
was den Ruf des Sanatoriums als moderne medizinische Einrichtung
begründete.
Wilhelm von Carstenn ließ 1870/71 nach Plänen des Architekten
Johannes Otzen am Jungfernstieg ein repräsentatives Gesellschafts-
haus erbauen. Gedacht war es für gesellige Zusammenkünfte und
Veranstaltungen nahe des damals einzigen Bahnhofs in Lichterfelde.
1889 ging das Haus in das Eigentum von Dr. Max Goldstein und
Dr. Albert Lilienfeld über, die es zum Sanatorium umbauen ließen.
Sanatorium für Nervenkranke (1889 - 1940)
Im Privat-Sanatorium fanden sich Patientinnen und Patienten des
gehobenen, nicht ausschließlich jüdischen Bürgertums aus dem
gesamten Deutschen Reich ein. Bis 1939 blieb die Leitung der
Einrichtung in der Hand der Familie Goldstein, seit 1935 unter Führung
der Tochter von Max Goldstein, Charlotte Goldstein. Mit zunehmender
Verfolgung, die 1938 auch zum Entzug der Approbation für jüdische
Ärztinnen und Ärzte führte, entschloss sich Charlotte Goldstein zu
emigrieren. Sie sah sich gezwungen, das Sanatorium nebst Inventar
und verbliebenem Personal in einem Pachtvertrag der 1939 gegrün-
deten Reichsvereinigung der Juden in Deutschland zu unterstellen.
Längst diente das Sanatorium als „Dauerwohnheim“ für Bewohne-
rinnen und Bewohner, die infolge antijüdischer Politik Erwerb und
Wohnung verloren hatten.
Siechenheim der Reichsvereinigung der Juden
in Deutschland (1940 - 1941)
Nach Ausschluss der jüdischen Bevölkerung aus der staatlichen
Fürsorge wurden die Grundstücke Jungfernstieg 14 und 18, mit dem
Wohnhaus der Familie Goldstein, zu Zwecken der allein der Reichs-
vereinigung obliegenden jüdischen Wohlfahrtsfürsorge als Siechenheim
genutzt. Die nationalsozialistischen Machthaber strebten in der
Heimfürsorge die isolierte Unterbringung jüdischer Hilfsbedürftiger
an. Im Siechenheim wurden jüdische Menschen nach Selbstmord-
versuchen, sowie alte, alleinstehende pflegebedürftige Jüdinnen und
Juden untergebracht, darunter auch solche, die 1940 nach der
sogenannten „Entjudung“ von Teilen des Deutschen Reiches – etwa
aus dem Raum Leer oder Schneidemühl – mit Hilfe der Reichsver-
einigung in das Heim gebracht wurden.
Das Reichssicherheitshauptamt befahl die Räumung des Heims zum
Dezember 1941. Die Bewohnerinnen und Bewohner kamen in anderen
Einrichtungen der Reichsvereinigung unter, bis sie deportiert wurden.
Auf dem Areal von Nr. 14 wurden nunmehr SS-Mannschaften
stationiert. Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Fliegerbomben Teile des
Gebäudekomplexes.
Nachkriegszeit
Die Alliierte Kommandantur ließ das Grundstück Jungfernstieg 14
treuhänderisch verwalten, zuletzt nutzte es das Bezirksamt Steglitz.
1962 wurden die Gebäudeüberreste abgeräumt und das Gelände
neu bebaut.
Vor dem im Krieg zerstörten Haus Jungfernstieg 18 erinnern
Stolpersteine an Charlotte Goldstein und ihre Söhne Helmut, Max
und Joachim.
Barbara Wittkopf

Rechts neben der Inschrift befinden sich vier Fotografien und eine Abbildung. Die Bildunterschriften lauten (v. o. n. u.):
Architekt Johannes Otzen
Gesellschaftshaus im Jungfernstieg,
um 1890
Dr. Max Goldstein vor dem
Sanatorium, um 1900
Ansichtskarte des Sanatoriums
Lichterfelde, 1907
Gebäude im Jungfernstieg 14,
um 1952

Enthüllt wurde die Stele an der Ecke Jungfernstieg / Bruno-Walter-Straße am 2.12.2022 in Anwesenheit von gut 50 Menschen, darunter auch Nachfahren der Familie Goldstein aus Schweden. Es sprachen die stellvertretende Bezirksbürgermeisterin und Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur und Sport, Cerstin Richter-Kotowski, und Nina Haeberlin von der Stolpersteininitiative der Markusgemeinde Steglitz. Gestaltet wurde die Stele von Karin Rosenberg.

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