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Riesen und Wunder (Nikolaiviertel 8)
Riesen und Wunder (Nikolaiviertel 8)

Riesen und Wunder (Nikolaiviertel 8)

Poststraße 17

1665 erwarb der Schneider Brandseß das Haus „Zur Rippe“ und
besserte sein Einkommen mit dem Ausschank selbstgebrauten Bieres
auf – freilich illegal. Dennoch erhielt er 1672 das Schankrecht.
Die namensgebenden Knochen sind Teile eines urzeitlichen Wales,
die wohl bei Bauarbeiten noch früherer Jahrhunderte gefunden wurden.
Natürlich behauptete der Volksmund, es handle sich um die Knochen
eines erschlagenen Riesen und variierte diese lokale Version eines
klassischen Themas mehrfach. Hauszeichen wie dieses waren vor
der Einführung von Hausnummern 1799 üblich.
1935 wurde die „Rippe“ als eines der letzten historischen Gebäude
am Molkenmarkt abgerissen, um 1986 wieder im Zustand der
Barockzeit aufgebaut zu werden.
Am Molkenmarkt 4 befand sich ab 1635 die Zornsche Apotheke.
Die Inhaberfamilie hatte, nach heutigen Begriffen für Pharmazeuten
eher ungewöhnlich, von 1687 bis 1766 das brandenburgische
Tabakmonopol inne.
Noch Ungewöhnlicheres geschah am 1. Oktober 1701:
Ein junger Apothekergeselle verwandelte Silbermünzen in Gold!
Unter den anwesenden Honoratioren befand sich auch Friedrich
Zorn, der ebenfalls getäuschte Lehrherr des jungen Johann Friedrich
Böttger. Zorn, der Böttger seit dessen vierzehntem Lebensjahr ausge-
bildet hatte, sandte die 50 Gramm Gold an den König – Böttger
setzte sich eilends nach Sachsen ab.
Doch auch August der Starke, sächsischer Herrscher, war alarmiert
worden, und Böttger wurde sein Gefangener. Dass er seinen Betrug
nicht mit dem Leben zahlte, verdankt er seiner epochalen Entdeckung:
der Rezeptur für Porzellan – damals „weißes Gold“.
Der Alte Fritz holte sich das Porzellan gewissermaßen wieder zurück:
Fachkräfte der Meissener Manufaktur wurden aus dem im Sieben-
jährigen Krieg von Preußen besetzten Sachsen abgeworben und die
frischgegründete Königliche Porzellan-Manufaktur in Schwung ge-
bracht – sie besteht heute noch.


Giants: In 1665, a tailor by the name of Brandsess acquired
the house known as Zur Rippe (‘The Rib’). He supplemented his
income by selling homebrewed beer – illegally, of course, until
he received a license in 1672. When the house was torn
down in 1935, it was one of the last historical buildings on
Molkenmarkt. The house was reconstructed in its original
baroque style in 1986. The home received its nickname
from the bones of a fossilized whale which was purportedly
discovered during earlier excavations. In the popular imagina-
tion the bone originated from the ribcage of a defeated giant.
Prior to the introduction of street numbers in 1799, it was
common for each house to have a distinct name.
Miracles: From 1687 to 1766, Zorn´s pharmacy, founded in
1635, possessed exclusive rights to sell tobacco in Branden-
burg – certainly an unusual pharmaceutical product from a
modern perspective.
On October 1st, 1701, something miraculous occurred:
A young pharmacist turned silver into gold! The proprietor
of the pharmacy, Friedrich Zorn, was among the spectators
deceived by Johann Frederick Böttger’s fraud. Zorn delivered
the 50 grams of gold ‘transmuted’ by Böttger to the king; Böttger,
for his part, fled to Saxony. Böttger didn’t last long on the run:
Friedrich August I, the ruler of Saxony, was notified of Böttger’s
presence in the region and immediately took him captive.
Böttger managed to avoid execution – a common punishment
for would-be alchemists at the time – thanks to his discovery
of porcelain,also known as‘white gold’.
When King Friedrich II, the ruler of Prussia, occupied Saxony
in the Seven Years’ War, he enticed many of the expert crafts-
men from the porcelain factories in Meissen. This proved
a great boon to the newly founded Königliche
Porzellan-Manufaktur (‘Royal Porcelain Factory’),
which still exists to this day.

Jede der 19 Gedenktafeln ist Teil des historischen Pfades, der quer durch die Berliner Altstadt des gesamten Nikolaiviertels konzipiert wurde. Mithilfe der Nummerierungen und einer Karte des Stadtviertels, die auf jeder der Tafeln unten links abgebildet ist, kann eine Stadtführung in eigenem Tempo vorgenommen werden. Die mit Bildern ausgeschmückten Informationen in deutscher und in englischer Sprache erzählen die bis ins 12. Jahrhundert zurückgehenden sowohl amüsanten als auch bestürzenden Geschichten zu den Gebäuden und berühmten Persönlichkeiten.

Die achte Gedenktafel befindet sich auf der Poststraße direkt unter den Hausnummern 17, 18, 19 und rechts von einer großen hölzernen Hauseingangstür an der Hauswand. Sie erzählt die Geschichte von den an dieser Stelle vorangegangenen historischen Gebäuden, von seinen sowohl legalen als auch illegalen Geschäften und Entdeckungen.

Die Bildunterschriften von links nach rechts lauten:

Molkenmarkt (Kupferstich 1785)

Johann Friedrich Böttger

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