Reichstagsabgeordnete - Opfer des Nationalsozialismus
Platz der Republik
sozialisten ermordete Reichstagsabge-
ordnete der Weimarer Republik errich-
tete die Bürgerinitiative "Perspektive
Berlin" dieses Denkmal, unterstützt vom
Deutschen Gewerkschaftsbund, vom
Bezirksamt Tiergarten, vom Senator für
Kulturelle Angelegenheiten und zahl-
reichen Bürgerinnen und Bürgern.
Entwurf Appelt • Eisenlohr • Müller
• Zwirner Berlin 1992
Eine Gedenkstätte zum Andenken an
die ermordeten und verfolgten Mit-
glieder des Reichstages der Wei-
marer Republik ist im Reichstags-
gebäude eingerichtet.
Julius Adler *1894 +1945 KZ Bergen-Belsen KPD
Johann Adlhoch *1884 +1945 München, zuvor "Todesmarsch" BVP
Eduard Alexander *1881 +1945 Transport KZ Bergen-Belsen KPD
Julius Assmann *1868 +1939 Bodino
Polen ermordet DVP
Elise Augustat *1889 +1940 Lägerdorf Haftfolgen KZ Ravensbrück KPD
Bernhard Bästlein *1894 +1944 Zuchthaus Brandenburg-Goerden KPD
Artur Becker *1905 +1938 Burgos/Spanien ermordet KPD
Anton Bias *1876 +1945 KZ Dachau SPD
Adolf Biedermann *1881 +1933 Nähe Recklinghausen tot aufgefunden SPD
Konrad Blenkle *1901 +1943 Zuchthaus Berlin-Plötzensee KPD
Fritz Bockius *1882 +1945 KZ Mauthausen Zentrum
Clara Bohm-Schuch *1897[!] +1936 Berlin, Spätfolgen Frauengefängnis Berlin-Barnimstrasse SPD
Eugen Bolz *1881 +1945 Zuchthaus Berlin-Plötzensee Zentrum
Rudolf Breitscheid *1874 +1944 KZ Buchenwald SPD
Lorenz Breunig *1882 +1945 KZ Sachsenhausen SPD
Conrad Brosswitz *1881 +1945 KZ Dachau SPD
Otto Eggerstedt *1886 +1933 KZ Esterwegen SPD
Eugen Eppstein *1871 +1943 KZ Lublin-Majdanek KPD
Helene Fleischer *1899 +1941 Stadtroda, zuvor Stadtgefängnis Gera KPD
Albert Funk *1894 +1933 Polizeipräsidium Recklinghausen KPD
Otto Geiselhart *1890 +1933 Amtsgerichtsgefängnis Günzburg SPD
Otto Gerig *1885 +1944 KZ Buchenwald Zentrum
Paul Gerlach *1888 +1944 KZ Sachsenhausen SPD
Ernst Grube *1890 +1945 KZ Bergen-Belsen KPD
Franz Haindl *1879 +1941 Landesanstalt Sonnenstein-Pirna DBP
Eduard Hamm *1879 +1944 Gefängnis Berlin-Lehrterstrasse DDP
Ernst Heilmann *1881 +1940 KZ Buchenwald SPD
Rudolf Hennig *1895 +1944 KZ Sachsenhausen KPD
Franz Herbert *1885 +1945 KZ Mauthausen BVP
Eugen Herbst *1903 +1934 KZ Dachau KPD
Christian Heuck *1892 +1934 Strafgefängnis Neumünster KPD
Guido Heym *1882 +1945 Weimar, von der SS erschossen KPD
Rudolf Hilferding *1877 +1941 Gefängnis Paris La-Santé SPD
Gustav Hoch *1862 +1942 KZ Theresienstadt SPD
Lambert Horn *1899 +1939 KZ Sachsenhausen KPD
Friedrich Husemann *1873 +1935 Sögel, Haftfolgen KZ Esterwegen SPD
Albert Janka *1907 +1933 KZ Reichenbach KPD
Heinrich Jasper *1875 +1945 KZ Bergen-Belsen SPD
Friedrich Jendrosch *1890 +1944 KZ Sachsenhausen KPD
Reinhold Jürgensen *1898 +1934 KZ Fuhlsbüttel KPD
Eugen Kaiser *1879 +1945 KZ Dachau SPD
Albert Kayser *1898 +1944 KZ Buchenwald KPD
Franziska Kessel *1906 +1934 Zuchthaus Mainz KPD
Anton Krzikalla *1887 +1944 KZ Sachsenhausen KPD
Franz Künstler *1888 +1942 Berlin, Spätfolgen KZ Lichtenburg SPD
Max Lademann *1896 +1941 KZ Sachsenhausen KPD
Julius Leber *1891 +1945 Zuchthaus Berlin-Plötzensee SPD
Paul Lejeune-Jung *1882 +1944 Zuchthaus Berlin-Plötzensee Chr.N.A.
Richard Lipinksi *1867 +1936 Bennewitz, zuvor in Haft mißhandelt SPD
Karl Mache *1882 +1934 KZ Kislau[!] SPD
Max Maddalena *1895 +1943 Zuchthaus Brandenburg-Görden KPD
Ludwig Marum *1882 +1934 KZ Kislau SPD
Stefan Meier *1889 +1944 KZ Mauthausen SPD
August Merges *1870 +1945 Braunschweig, zuletzt Zuchthaus Wolfenbüttel SPD
Franz Metz *1878 +1945 Geretsried, Haftfolgen KZ Dachau SPD
Julius Moses *1886 +1942 KZ Theresienstadt SPD
Arthur Nagel *1890 +1945 KZ Bergen-Belsen KPD
Theodor Neubauer *1890 +1945 Zuchthaus Brandenburg-Görden KPD
Franz Petrich *1889 +1945 Zuchthaus Sonnenburg SPD
Andreas Portune *1875 +1945 Rosslau, Haftfolgen Strafgefangenenlager Griebo SPD
Friedrich Puchta *1883 +1945 München, Haftfolgen KZ Dachau SPD
Ernst Putz *1896 +1933 Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit KPD
Siegfried Rädel *1893 +1943 Zuchthaus Berlin-Plötzensee KPD
Paul Redlich *1893 +1944 Brandenburg, Haftfolgen KZ Sonnenburg KPD
Walter Reek *1878 +1933 Gefängnis Danzig SPD
Ernst Reinke *1891 +1943 KZ Flossenbürg KPD
Max Richter *1881 +1945 Neustädter Bucht Transport KZ Neuengamme SPD
Theodor Roeingh *1882 +1945 KZ Sachsenhausen Zentrum
Julius Rosemann *1878 +1933 Polizeigefängnis Hamm SPD
Karl Sattler *1896 +1945 KZ Bergen-Belsen KPD
John Schehr *1896 +1934 KZ Berlin-Columbiahaus KPD
Michael Schnabrich *1880 +1939 KZ Sachsenhausen SPD
Ernst Schneller *1890 +1944 KZ Sachsenhausen KPD
Ernst Schneppenhorst *1881 +1945 Gefängnis Berlin-Lehrter Strasse SPD
Werner Scholem *1895 +1940 KZ Buchenwald KPD
Georg Schumann *1886 +1945 Untersuchungsgefängnis Dresden KPD
Walter Schütz *1897 +1933 Königsberg/Pr von SA ermordet KPD
Hugo Sinzheimer *1875 +1945 Bloemendaal-Overeen[!], Haftfolgen KZ Theresienstadt SPD
Willi Skamira *1897 +1945 Zuchthaus Brandenburg-Goerden KPD
Fritz Sollmann *1878 +1945 Wernigerode/Harz, Haftfolgen KZ Buchenwald SPD
Robert Stamm *1900 +1937 Zuchthaus Berlin-Plötzensee KPD
Johannes Stelling *1877 +1933 Amtsgerichtsgefängnis Berlin-Köpenick SPD
Franz Stenzer *1900 +1933 KZ Dachau KPD
Walter Stöcker *1891 +1933 KZ Buchenwald USPD, KPD
Georg Streiten *1884 +1945 KZ Ravensbrück DVP
August Steufert *1897 +1944 KZ Neuengamme SPD
Hermann Tempel *1889 +1944 Oldenburg, Haftfolgen Strafgefängnis Wolfenbüttel SPD
Johanna Tesch *1875 +1945 KZ Ravensbrück SPD
Ernst Thälmann *1886 +1944 KZ Buchenwald KPD
Matthias Thesen *1891 +1944 KZ Sachsenhausen KPD
Nikolaus Thielen *1901 +1944 KZ Mauthausen KPD
Friedrich Voigt *1882 +1945 Zuchthaus Berlin-Plötzensee SPD
Paul Voigt *1876 +1944 Berlin, ermordet SPD
Paul Wegmann *1889 +1945 KZ Bergen-Belsen USPD
Georg Wendt *1889 +1948 Berlin, zuvor Zuchthaus Brandenburg SPD
Lotte Zinke *1891 +1944 KZ Ravensbrück KPD
Am 26. Februar 1992 legte die Bürgerinitiative "Perspektive Berlin" den Grundstein zu diesem Denkmal, das an gleicher Stelle im Juni 1992 errichtet werden sollte. Am 12. September 1992, war es schließlich soweit. Hergestellt wurden die Gußmodelle in der Eisengießerei Behr in Weißensee nach Gußmodellen von HdK-Studenten. Die Namen, Lebensdaten und die Parteizugehörigkeit der Toten sind auf den Bruchkanten der wie Grabplatten aufgestellten Tafeln angegeben. Die ursprünglich vom DGB zugesagte Finanzierung reichte nicht, die Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten und das Bezirksamt Tiergarten sprangen ein. Der Bezirk übernahm die Bauarbeiten und die Pflege.
Bereits am 31. August 1989 hatte die Bürgerinitiative "Perspektive Berlin" an der Südostecke des Platzes der Republik eine - zur Einweihung des Denkmals wieder entfernte - Tafel mit den Namen von 81 von den Nazis ermordeten Reichstagsabgeordneten (KPD 40, SPD 31, andere Fraktionen 10) aufgestellt. Diese Tafel trug über die ganze Breite einige Informationen, darunter in vier Spalten die Namen der Parlamentarier, geordnet nach Konzentrationslagern. Die Tafel begann mit der Inschrift:
"Zum Gedenken an die von den Nazis ermordeten Reichstags-Abgeordneten der Weimarer Republik
Seit 40 Jahren hat der Deutsche Bundestag versäumt, dieser Opfer zu gedenken.
Die Bürgerinitiative Perspektive Berlin errichtet deshalb mit Unterstützung der Industriegewerkschaft Medien
und der Deutschen Postgewerkschaft heute diese Tafel.
Berlin, 31. August 1989
Es starben in: (Es folgen Namen, Daten und Orte)"
Zwischen der heutigen Anlage und der ersten Tafel bestehen einige Unterschiede - nicht nur, weil die jetzige mehr Namen umfaßt. Beispielhaft erwähnt sei: In der jetzigen Anlage nicht mehr aufgeführt sind Minna Bollmann, Heinrich Mehrhof, Antonie Pfülf und Mathilde Wurm (alle SPD). Bei Karl Mache ist offenbar bei der Herstellung der neuen Tafel ein Fehler unterlaufen: Auf der provisorischen Vorgängertafel waren als Lebensdaten und Todesort "*1880 +1944 KZ Groß-Rosen" angegeben. Auf der jetzigen stimmen sie mit denen von Ludwig Marum überein. Offen bleibt auch, ob der Todesort von Hugo Sinzheimer Bloemendaal-Overveen (alt) oder Bloemendaal-Overeen (neu) heißt, ebenso ob Theodor Roeingh im KZ Bergen-Belsen (alt) oder im KZ Sachsenhausen (neu) um sein Leben gebracht wurde. Paul Lejeune-Jung wurde der DNVP zugerechnet.
Aus der Vorgeschichte des Gedenkens für die durch nationalsozialistische Verfolgung umgekommenen Reichstagsabgeordneten sei berichtet: Am Reichstagsgebäude sollte entsprechend einem Beschluß des Berliner Abgeordnetenhauses vom 23. Mai 1985 eine Tafel für die verfolgten und ermordeten Reichstagsabgeordneten angebracht werden. Noch im selben Jahr kam es zu einer politischen Kontroverse wegen der dann auch aufzunehmenden Kommunisten und weil sichtbar geworden wäre, dass Kommunisten und Sozialdemokraten den überwiegenden Teil der Opfer stellten. Denn im Beschluß des Abgeordnetenhauses hieß es (Der Tagesspiegel, 27.2.1992): "Auf der Tafel sind Name, Beruf, Geburts- und Sterbedatum mit Hinweis auf Ort und Umstände des Todes, Parteizugehörigkeit und Herkunftsort als Abgeordneter sowie Zeitraum der Mitgliedschaft im Reichstag anzugeben." Im Spätsommer 1985 übermittelte die Alternative Liste (AL) Bundestagspräsident Jenninger eine Liste mit Kurzbiographien von 83 in Frage kommenden Personen, die Historiker der Technischen Universität Berlin erarbeitet hatten. Der Bundestagspräsident hatte zuvor nämlich in einem Schreiben "die Tafel unter Hinweis auf bestehende Forschungslücken abgelehnt." Dies wurde von Bundestagsvizepräsidentin Annemarie Renger als "unüberlegt" bezeichnet, während sie sich für eine ausführliche Erinnerungstafel am Reichstagsgebäude einsetzte (Der Tagesspiegel, 5.9.1985). Auch der Tagesspiegel veröffentlichte im Spätsommer 1985 eine Liste mit den Namen und Daten von 88 Toten. Die TU-Historiker rechneten sogar mit 95 bis 100 Opfern. Die Berliner SPD sprach sich durch ihren Sprecher Wiegreffe weiter für eine Gedenktafel am Reichstag aus. Wiegreffe bezeichnete die Bedenken Jenningers als "in höchstem Grade befremdlich". Auch Senatssprecher Fest betonte die positive Haltung gegenüber dem Vorschlag des Abgeordnetenhauses und wandte sich gegen eine allgemein gehaltene Erinnerungstafel. 17 Monate später gab es noch immer keine offizielle Liste. Der Tagesspiegel schrieb am 31. Januar 1987: "Für die geplante Gedenktafel im Reichstagsgebäude, die an die von den Nazis ermordeten Abgeordneten erinnern soll, sind im Etat 1987 des Bundestages zwar Mittel ausgewiesen; da an der Liste aber immer noch gearbeitet wird, ist nach Einschätzung von Bundestag und Abgeordnetenhaus mit einer Tafel in diesem Jahr nicht zu rechnen... Wann die mit der Aufstellung der entsprechenden Liste beauftragte 'Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien e.V.' mit ihrer Arbeit fertig sein werde, ist im Abgeordnetenhaus derzeit nicht bekannt."