Profit und Pogrom (Nikolaiviertel 9)
Poststraße 16
straße. Ihr stand ab 1565 der jüdische Münzmeister Lippold vor.
Dies war keine Selbstverständlichkeit, denn schließlich hatte das
letzte Judenpogrom in Brandenburg erst 1510 stattgefunden und
38 Juden das Leben gekostet; die übrigen hatte man aus dem Land
getrieben, wie schon zuvor 1349, 1373, 1405 und 1446.
Der Prasssucht des Kurfürsten Joachim II. ist es zu verdanken, dass
sich 30 Jahre später Juden wieder ansiedeln durften – freilich gegen
Zahlung eines saftigen Entgeldes!
1556 zum Judenältesten ernannt, musste Lippold für den Fürsten die
„Schutzgelder“ von den Juden einziehen und ihm Darlehen beschaffen.
1565 machte der Kurfürst ihn zum Münzmeister und Kämmerer; so
hatte Lippold zwar eine einflussreiche und lukrative Position inne,
wurde jedoch von den Bürgern als Auspresser wahrgenommen.
Seine mit dem Davidstern geprägten Münzen ließen nach dem
Empfinden der meisten Bürger keinerlei Zweifel an dieser Sicht zu.
Der Kurfürst profitierte.
Als er 1571 plötzlich an erstickendem Husten verstarb, wurde
Lippold sofort verhaftet, die Vorwürfe gegen ihn allerdings schnell
fallengelassen.
Jedoch muss die Gelegenheit, Lippold und durch neuerliche Pogrome
auch alle anderen jüdischen Gläubiger loszuwerden, für den ver-
schuldeten Hof so attraktiv gewesen sein, dass der Thronfolger
als Inhaber der höchsten Gerichtsbarkeit abermals das Verfahren
eröffnete:
Des Giftmordes und der Zauberei beschuldigt, gestand Lippold unter
grausamster Folter, im Besitz eines „Zauberbuches“ zu sein. Obwohl
ein Mord an Joachim ihm ja offenkundig am allermeisten geschadet
hätte und es Entlastungszeugen gab, wurde er 1573 verurteilt.
Unter dem Jubel der Berliner wurde er ausgeweidet und gevierteilt,
die Juden wieder einmal aus dem Land getrieben.
From 1540—85, the mint of Brandenburg was located on
Poststrasse. In 1565, Lippold ben Judel, a Jew, was appointed
master of the mint. Anti-Semitism was prevalent at the time; the
most recent pogrom had taken place in 1510. At least 38
Jews were killed, the others driven out of the country, in much
the same manner as 1349, 1373, 1405 and 1446.
In 1540, due to the greed of Prince-Elector Joachim II, Jews
were once again allowed to settle in Brandenburg – for a
considerable fee!
Appointed Jewish Elder in 1556, Lippold was responsible for
collecting protection money from the Jewish community and
arranging loans for the sovereign. In 1565, he was named
treasurer and master of the mint by the Prince-Elector. In this
way, although Lippold enjoyed an influential and lucrative
position of power, he was viewed as an extortionist by the
public, while the Prince-Elector profited the most.
When the sovereign suddenly died in 1571, Lippold was
immediately arrested on speculation of foul play, but the
charges were quickly dropped. Yet the opportunity to dispose
of Lippold and incite a renewed anti-Jewish pogrom proved
irresistible to the heavily indebted court, and a new trial
against Lippold was personally opened by the sovereign’s
successor. In this new trial, which was thoroughly biased from
the start, Lippold confessed following gruesome torture to the
possession of a spell book and the poisoning of Joachim II.
Obviously Lippold had very good reasons not to kill his own
protector. Nevertheless, despite witnesses and testimony in his
defence, Lippold was disembowelled, drawn and quartered
in 1573, to the cheers of a blood-thirsty public. A pogrom
ensued, and the Jews were once again expelled from
Brandenburg.
Jede der 19 Gedenktafeln ist Teil des historischen Pfades, der quer durch die Berliner Altstadt des gesamten Nikolaiviertels konzipiert wurde. Mithilfe der Nummerierungen und einer Karte des Stadtviertels, die auf jeder der Tafeln unten links abgebildet ist, kann eine Stadtführung in eigenem Tempo vorgenommen werden. Die mit Bildern ausgeschmückten Informationen in deutscher und in englischer Sprache erzählen die bis ins 12. Jahrhundert zurückgehenden sowohl amüsanten als auch bestürzenden Geschichten zu den Gebäuden und berühmten Persönlichkeiten.
Die neunte Gedenktafel befindet sich mittig auf dem großen Platz, der sich zwischen dem Hanfmuseum, dem Ephraim-Palais und dem Knoblauchhaus befindet. Sie ist paarweise mit der Gedenktafel Nr. 10 und hinter der Zaunabsperrung eines Grünstreifens aufgestellt. Sie erzählt die erschütternde Geschichte von Lippold Ben Judel Chluchim (Prag 1530 – 28.01.1573 Berlin) und seiner Rolle als jüdischer Münzmeister des Kurfürsten Joachim II. In inhaltlicher Einheit erzählt die zehnte Gedenktafel vom Schicksal jüdischen Lebens im 18. Jhdt.
Die Bildunterschrift lautet:
Zeitgenössische Darstellung der Hinrichtung Lippold ben Judel Chluchim