Poststraße & Persönlichkeiten (Nikolaiviertel 14)
Poststraße 28
residierte in der Poststraße. Die Nähe zum Stadtschloss machte sie
zum idealen Wohnort für hohe Regierungsbeamte, führende Militärs
und andere Personen von Rang und Einfluss.
1574 gründete der hier ansässige kurfürstliche Kanzler Lamprecht
Diestelmeier das „Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster“ –
unter diesem Namen existiert noch heute eine Schule.
Die Poststraße 5 war der Geburtsort des bedeutenden Publizisten
und Aufklärers Friedrich Nicolai (1733—1811), ein Freund von G. E.
Lessing ( Tafel 6). Nicolai schrieb unter anderem die erste wissen-
schaftliche Stadtgeschichte. Casanova und Heinrich Heine bezogen
hier in der Straße Hotelzimmer.
Auch ein frühes Berliner Original, Madame du Titre, hatte die Post-
straße zum Wohnsitz. An der Garderobe ihres Hauses prangte ein
Schild, auf dem es hieß: „Hier werden den Damen die Röcke auf-
gehoben“.
Die Gattin eines reichen, bei Hof und in der Gesellschaft einfluss-
reichen Seidenmanufakteurs sorgte mit ihrer einzigartigen Mischung
aus schnoddriger Direktheit und zelebrierter Naivität wiederholt für
groteske Anekdoten:
Um Goethe zu treffen, war sie beispielsweise eigens nach Weimar
gereist und nur durch Bestechung seines Gärtners auf seinen Grund
und Boden gelangt. Als sich der berühmte Dichter näherte, trat sie
überraschend aus dem Gebüsch und sagte: „Anjebeteter Mann!“
Auf seine Frage, ob sie ihn denn kenne, antwortete du Titre: „Jroßer
Mann, wer sollte Ihnen nich kennen?“ und deklamierte aus Schillers
Glocke: „Fest jemauat inne Erden steht die Form aus Jips jebrannt …“
Goethe soll sich nach einem knappen Bückling wortlos abgewandt
haben. Seiner Version zufolge habe er zuvor geistesgegenwärtig
geäußert: „Es freut mich, dass Sie meinen Freund Schiller ehren!“
Später an die Begebenheit erinnert, entgegnete Madame:
„Ach wat, det macht nischt, Goethe und Schiller
sind ja janz ejal.“
Many historic personalities resided on Poststrasse:
Situated in the vicinity of the City Palace, it was an ideal resi-
dence for high-ranking government officials, military officers
and other individuals of rank and influence.
In 1574, Lamprecht Diestelmeier, the chancellor of the
Prince-Elector, founded the ‘Berlin High School of the Grey
Abbey’, which still exists under this name.
Poststrasse was the birthplace of the famous German author
of the Enlightenment, Friedrich Nicolai (1733—1811), a
friend of Lessing (panel 6) and author of Berlin’s first scien-
tific historiography. Casanova and Heinrich Heine also
stayed at inns on this street.
Dialect and poetry:
Long before Zille and Claire Waldoff, other original figures
shaped the face of the city, including Madame du Titre
(1748—1827), the wife of a wealthy silk manufacturer who
produced grotesque anecdotes with a mixture of naivety
and snotty directness, a trait which has long been associated
with native Berliners. There are two slightly different versions
of her encounter with Goethe. In both versions, she travels to
Goethe’s home in Weimar and bribes his gardener to gain
access to the property. When Goethe approaches, she
springs from the bushes to announce: ‘Celebrated man!’
Goethe asks if she does in fact know him, to which she
replies: ‘Great man, how should I not?’ When she begins to
(erroneously) quote a passage from Schiller in Goethe’s
honour, the two versions of the story diverge. In one version,
Goethe is said to turn away without a word. According to
Goethe’s own version of the story, however, he countered:
‘I’m very pleased you’re honouring my friend Schiller!’ Later
reminded of the incident, Madame du Titre is said to have
scoffed, in her thick Berlin accent:
‘Ach, what’s the difference? Goethe and Schiller are the
same thing.’
Jede der 19 Gedenktafeln ist Teil des historischen Pfades, der quer durch die Berliner Altstadt des gesamten Nikolaiviertels konzipiert wurde. Mithilfe der Nummerierungen und einer Karte des Stadtviertels, die auf jeder der Tafeln unten links abgebildet ist, kann eine Stadtführung in eigenem Tempo vorgenommen werden. Die mit Bildern ausgeschmückten Informationen in deutscher und in englischer Sprache erzählen die bis ins 12. Jahrhundert zurückgehenden sowohl amüsanten als auch bestürzenden Geschichten zu den Gebäuden und berühmten Persönlichkeiten.
Die vierzehnte Gedenktafel ist paarweise mit der Gedenktafel Nr. 15 links vom Eingang „Zur Gerichtslaube“ und vor dem Zaun, der den Hof und Außenbereich der Gaststätte eingrenzt, aufgestellt. Auf der Tafel wird an besondere Persönlichkeiten und Berliner Originale erinnert, die hier lebten oder residierte. Begleitend erzählt sie eine witzige Anekdote zwischen dem Original Madame du Titre und dem Schriftsteller Goethe.
Die Bildunterschriften von links nach rechts lauten:
Madame du Titre
Casanova
Friedrich Nicolai
Heinrich Heine