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Oskar-Helene-Heim

Oskar-Helene-Heim

Clayallee 182

Das Oskar-Helene-Heim
Das Oskar-Helene-Heim war eine Modellanstalt für die Betreuung körper-
behinderter Kinder. Die hier erprobte Verbindung von medizinischer
Behandlung, Erziehung und Ausbildung gilt als Ursprung der Rehabilitation.
Mit der Geschichte der Klinik verbindet sich die Etablierung der Sonder-
pädagogik und der medizinischen Fachdisziplin Orthopädie.

Das Konzept Rehabilitation
1907 diagnostizierten Schulärzte bei jedem vierten Berliner Erstklässler
Symptome der Mangelkrankheit Rachitis. Knochen- und Gelenktuberkulose
war die häufigste Todesursache bei Jugendlichen im Alter zwischen 9 und
14 Jahren. Die Kinderlähmung war eine allgegenwärtige Infektionskrankheit
noch unbekannter Ursache. Dennoch hatten Menschen mit körperlichen
Behinderungen keinen gesetzlich geregelten Anspruch auf medizinische
Versorgung. Im selben Jahr gründeteten Verwaltungsbeamte, Geistliche
und Ärzte den „Krüppelkinder Heil- und Fürsorgeverein für Berlin und
Brandenburg”. Mit dem Slogan „Almosenempfänger zu Steuerzahlern”
warben sie in Ausstellungen, Vorträgen, Zeitungsartikeln, Flugblättern und
Filmen um Geld für körperbehinderte Kinder. Der Fabrikant Oskar Pintsch
und seine Frau Helene stifteten eine Million Goldmark für die Errichtung
des nach ihnen benannten Oskar-Helene-Heims und der Chirurg Konrad
Biesalski überzeugte die kommunalen Armenbehörden, die laufenden
Kosten für die Behandlung und Ausbildung seiner Patienten zu tragen.
Neben gewöhnlichen Treppen bot das 1914 errichtete Hauptgebäude
„schiefe Ebenen” für Rollstuhlfahrer. Eien Rampe ermöglichte den barriere-
freien Zugang zum zehn Hektar großen Waldgrundstück. Dort - im Freien -
fand von Mai bis Oktober der Schulunterricht statt. Patientinnen wurden
in Zusammenarbeit mit dem Lette-Verein zu Fotografinnen und Röntgen-
assistentinnen ausgebildet, männliche Zöglinge lernten traditionelle
Handwerksberufe. 16 Ausbildungsgänge wurden angeboten, vom Gärtner
bis zum Orthopädiemechaniker.
Im Ersten Weltkrieg machte die Rehabilitation der „Kriegskrüppel” das
Oskar-Helene-Heim zu einer der bekanntesten Kliniken des Deutschen
Reiches. Nach Kriegsende verschlang die Inflation das Vermögen der Stiftung.

Licht und Schatten
Zu den Errungenschaften der frühen Weimarer Republik gehörte eine
verbesserte Sozialpolitik. Die Preußische Landesversammlung verab-
schiedete 1920 ein von Klinikdirektor Biesalski konzipiertes „Gesetz für
Krüppelfürsorge”, Es garantierte die Behandlung und Ausbildung
körperbehinderter Kinder nach dem hier entwickelten Modell. Allerdings
sah es neben einer Meldepflicht auch eine zwangsweise Heimunterbringung
vor, oft gegen den Willen der Patienten und ihrer Eltern, Der pädagogische
Leiter Hans Würtz vertrat die Ansicht, Körperbehinderte sollten isoliert
von der Außenwelt eine Gemeinschaft bilden. Sein umstrittenes Konzepte
gilt als Urprung der Sonderpädagogik.
Abrupt endete das Modellprojekt 1933 durch die „Machtergreifung” der
Nationalsozialisten. Direktor Würtz wurde aus dem Amt verhaftet. Der
Orthopäde und SS-Offizier Lothar Kreuz, 1942 bis 1945 Rektor der Berliner
Universität, bereitete die Klinik auf die Anforderungen des Kriegs vor.
1945 wurde das Hauptgebäude durch Brandbomben zu 50 % zerstört.

Nachkriegszeit
Der rasche Wiederaufbau wurde von der US-Armee unterstützt.
Bewähungsproben waren die Polio-Epidemie von 1947 und die
Contergankatasttrophe 1957-1961. Ab 1954, bis zur Schließung des
Standortes im Jahr 2000, war das Oskar-Helene-Heim die orthopädische
Universitätsklinik der Freien Universität Berlin.
Philipp Osten

Rechts neben dem Text sind übereinander sechs Abbildungen. Ihre Unterschriften lauten (v.o.n.u.):

Ein weitläufiges Waldgrundstück als
Gegenbild zum Wohnungselend der
Kaiserzeit
Lageplan aus einem Rechenschafts-
bericht von 1912

Signet des Oskar-Helene-Heims,
um 1925

Die Stifter Oskar und Helene Pintsch,
Ölgemälde

Konrad Biesalski hält die Hand eines
Patienten. Links Leo Mayer und
Schwester Lucie. Pressefoto 1914

Eine Rampe führte aus dem Haupt-
gebäude in den Wald, um 1914.

Patienten an der Planschwiese, dem
Badeteich der Klinik, um 1914

Konzeption und Gestaltung der Stele lagen bei Karin Rosenberg. Zu ihrer Einweihung am Sonnabend, dem 4.10.2014 sprachen Bezirksstadträtin Cerstin Richter-Kotowski, der Medizinhistoriker Dr. Philipp Osten und Werner Ukas (Geschäftsführer der Stiftung Oskar-Helene-Heim). Aufgestellt ist sie links neben dem Eingang zum U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim.

Im Jahr 2000 fusionierten das Behring-Krankenhaus, die Lungenklinik Heckeshorn und das Oskar-Helene-Heim. Sie haben einen gemeinsamen Standort in Zehlendorf-Süd.

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