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NS-Zwangslager Marzahn - Polizei

NS-Zwangslager Marzahn - Polizei

Otto-Rosenberg-Platz

Die Polizei
The police

(Die deutschen Bildunterschriften der Vorderseite lauten):
Wachmannschaft im Lager Marzahn, zwischen 1936 und 1945.

Auflage der Kriminalpolizeileitstelle Berlin, Oktober 1939. Unter Androhung der Einweisung
in ein Konzentrationslager wurde Sinti und Roma verboten, ihren Wohnsitz zu verlassen.
Anlass für diese Anordnung war Himmlers »Festschreibungserlass« vom 17. Oktober 1939,
der als vorbereitende Maßnahme zur Deportation diente.

(englische Bildunterschriften):
Guard detail in Marzahn camp, between 1936 and 1945.

Order from the Berlin police criminal investigation branch, October 1939. Gypsies were
prohibited from leaving their place of residence under penalty of being sent to a concentration
camp. The order was based on Himmler’s “Confinement Decree” of 17 October 1939 that
paved the way for deportations.

Die Polizei
Die Erfassung und Verbringung der Sinti und Roma
in das Lager Marzahn sowie die Bewachung der Lager-
insassen unterstanden der Kriminalpolizei Berlin.
»Wir haben unter strenger Polizeibewachung gelebt. Die
Polizei hatte große bissige Schäferhunde, welche sie bei
jeder Gelegenheit auf uns losgelassen hat. Meine Mutter
wurde schwer zugerichtet von den Bluthunden.« (Camba
Franzen, Interview 1983)
Leiter der »Dienststelle für Zigeunerfragen« der Berliner
Kriminalpolizei am Alexanderplatz war Leo Karsten.
Geboren 1898 in Sampohl/Pommern wurde er im Früh-
jahr 1939 Kriminal-Sekretär dieser Abteilung. In dieser
Funktion war er für die Erfassung und Deportation der
Berliner Sinti und Roma in die Konzentrations- und
Vernichtungslager zuständig.
»Leo Karsten hat die Sinti alle aufgestöbert und ins
Konzentrationslager gebracht. Er kam zu uns ins Lager
und packte meinen Bruder Ernst, der wehrte sich und
gab ihm eine Ohrfeige. Meine Mutter hatte gerade eine
Wanne mit Wäsche stehen, da fiel Karsten hinein. Noch
am selben Tag haben sie meinen Bruder abgeholt und
brachten ihn ins Konzentrationslager Dachau. Nach drei
Monaten haben wir seine Urne bekommen. Die haben wir
auf dem Friedhof Marzahn begraben. Gleich nach dem
Krieg haben ich Karsten über meinen Anwalt angezeigt. Er
antwortete, die Sippe Böhmer sei ihm bekannt, aber er
könne sich nicht mehr genau erinnern.« (Peter Böhmer,
Interview 2009)
Weder Leo Karsten noch seine zahlreichen Mitarbeiter
wurden wegen ihrer Beteiligung an der Verfolgung und
an den Deportationen der Sinti und Roma strafrechtlich
verurteilt. Die gegen Karsten mehrmals eingeleiteten
Ermittlungsverfahren, u.a. wegen Beihilfe zum Mord,
wurden aus Mangel an Beweisen eingestellt. Bis zu
seiner Pensionierung bekleidete er in Ludwigshafen das
Amt eines Kriminalobermeisters und wurde zudem in
Entschädigungsverfahren als Zeuge zu Rate gezogen.

The Police
The Berlin police criminal investigation
branch was responsible for rounding up the Sinti and
Roma, taking them to Marzahn internment camp, and
guarding them there.
“We lived under strict police guard. The police had big,
ferocious German shepherd dogs they loose on us at
the slightest opportunity. My mother was badly savaged
by the bloodhounds.” (Camba Franzen, interview, 1983)
Unter the Nazis, Leo Karsten headed the Berlin Office for
Gypsy Affairs at the Berlin criminal investigation branch
at Alexanderplatz. Born in 1898 in Sampohl, Pomerania,
he became detective sergeant of this section in spring
1939. He was responsible for registering Berlin’s Gypsy
population and deporting them to the concentration
and extermination camps.
“Leo Karsten hunted out all the Sinti and sent them to
concentration camps. He came to us in the internment
camp and grabbed my brother Ernst, who resisted and
slapped his face. My mother was just doing the washing,
and Karsten fell into the washtub standing there. Later
that same day they came to fetch my brother und took
him to Dachau concentration camp. After three months
we received the urn with his ashes. We buried it in
Marzahn Cemetery. Directly after the war I asked my
lawyer to file a charge against Karsten, who replied that
he knew the Böhmer clan but couldn’t remember
exactly any more.” (Peter Böhmer, interview, 2009)
Leo Karsten and his many colleagues were never
convicted in court for their part in the persecution
and deportation of Gypsies. Proceedings were opened
against Karsten several times for crimes including
accessory to murder, but were dropped for lack of
evidence. He worked as a senior detective sergeant
in the Ludwigshafen police until he retired, and was
even consulted as a witness in compensation cases.

(Die deutschen Bildunterschriften der Rückseite lauten):

Klappkarte: »Zur Erinnerung an den Neuaufbau der Reichszentrale zur Bekämpfung des
Zigeunerwesens 26.5.1941-28.5.1941, Berlin am 28. Mai 1942« mit Gruppenfoto und
Unterschriften der Mitarbeiter.

Anordnung des Kommandos der Schutzpolizei zur Überführung der Berliner Sinti und Roma
nach Marzahn, 10. Juli 1936.

Kriminalpolizeileitstelle Berlin an das Reichssicherheitshauptamt zum Entzug der Staats-
bürgerschaft einer Sinteza aus Berlin, 24. Januar 1942. Ein Jahr später, am 25. April 1943,
mit der 12. Verordnung zum Reichsbürgergesetz, wurde Sinti und Roma die deutsche Staats-
bürgerschaft auch per Gesetz aberkannt.

(englische Bildunterschriften der Rückseite):

Card with staff group portrait and signatures: “To commemorate the reconstitution of the
Reich Central Office for the Fight against the Gypsy Menace 26.5.1941-28.5.1941, Berlin,
28 May 1942.”

Directive from the police command on forcibly relocating Berlin’s Gypsies to Marzahn,
10 July 1936.

Letter from Berlin police criminal investigation branch to the Reich Security Main Office
about depriving a Sinti woman from Berlin of her German citizenship, 24 January 1942.
The following year on 25 April 1943, the 12th Ordinance to the Reich Citizenship Act finally
revoked German Gypsies’ citizenship by law.

2011 entstand dieser Ort der Erinnerung und Information am authentischen Standort, bestehend aus insgesamt elf Metallstelen. Die Tafeln informieren über die Geschichte des Lagers und erinnern an das Schicksal der dort internierten Menschen, darunter vier biografische Tafeln. Detaillierte Informationen zu den elf Stelen finden sich im Erläuterungstext bei "NS-Zwangslager Marzahn - Sinti und Roma". Weitere Informationen und Kontakt: www.gedenkstaette-zwangslager-marzahn.de

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