Ludwig Zeitler‘s Studienhaus-Stiftung
Büschingstraße 1
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Die Zeichnungen zu diesem, früher am inneren
Stadtmauer-Wege liegenden Eckhause sind schon im
Jahre 1862 zugleich mit den Zeichnungen zu den
anliegenden, zu dem gegenüberliegenden Hause und
zu einem Ueberbau der Strassenfläche zwischen den
beiden Ecken der Baubehörde eingereicht worden.
Auf Wunsch der Behörde sind dann in den
Zeichnungen die Durchlässe für die Strasse so verbreitert
worden, dass sie die Breite der Durchfahrten im
Brandenburger-Tore erreichten.
Dann kamen der Polizeibehörde die Zeichnungen und
die Ackten(!) abhanden. Die Wiederherstellung dauerte
so lange, dass inzwischen der deutsch-dänische Krieg 1863-64, der deutsche Bruderkrieg 1866 siegreich
beendet, der norddeutsche Bund begründet, auch die
Stadtmauer 1868-70 gefallen und nach Beendigung
des deutsch-französischen Krieges 1870-71 das
deutsche Reich begründet worden.
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Ludwig Zeitler‘s Studienhaus-Stiftung.
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Nach Anlage der Friedenstrasse an Stelle der Wege
an der Stadtmauer waren die Verkehrsverhältnisse
1872-75 so verändert, dass die Genehmigung der endlich
wiederhergestellten Zeichnungen versagt wurde.
1896 wurde die Büschingstrasse freigelegt, 1904 wurden
neue Zeichnungen angefertigt und genehmigt.
Die fertigen Gebäude sind 1906 der Stadt Berlin zur
Erweiterung der L.Z. Studienhaus-Stiftung übergeben.
Aus den Mietserträgen sollen junge
unvermögende Mädchen über 15 Jahren und nicht
über 50 Jahre alte Frauen, die mindestens fünf
Jahre in Berlin wohnen, zur Erlernung von
Handfertigkeiten Hilfe erhalten drei, auch sechs
Monate lang Monate lang je dreizig(!) Mark, zu gelehrten Studien auf längstens 2 Jahre halbjährlich 180 Mark.
Geborene Berliner und solche die hiesige
Gemeindeschulen besucht haben, oder die mit mir
Verwandt sind, haben ein Vorrecht. L. Zeitler.
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Stadtgeschichte eingemeißelt zu dokumentieren, liegt offenbar im Wesen der Familie Zeitler. Denn am bemerkenswerten Familiengrabmal auf dem Friedhof I der Georgen-Parochialgemeinde, Greifswalder Straße 229-234 ("dem Vater Weber Johann Jakob Zeitler, Marktleuthen 1.9.1807 - Berlin 4.11.1871, von den dankbaren Söhnen errichtet 1875") finden sich mehrere Angaben zu verschiedenen Stiftungen, die von Familienangehörigen (1889 Weberstiftung, 1894 Frauenheim, 1896 Candidatenheim, 1901 Studienhaus, 1903 Fachschulenhaus) getätigt wurden, und folgende zeitgeschichtllich interessante Inschrift auf einer großen Steinplatte an der linken Seite:
Der glückliche deutsch-französische Siebenmonats Krieg 1870-71 n. Chr. Geb. gab Anlass
zu soviel neuen Anlagen in der Reichshauptstadt, dass die Arbeiter knapp wurden und
durch Arbeits-Einstellungen höhere Löhne und kürzere Arbeitszeit erlangten.
Der Bau dieses Grabes - unten 2 Ruthen, oben 14 Fuss lang, 12' breit, 24' hoch - lag bis im
Herbst 1872 still, die Steinmetze arbeiteten im Sommer nicht, ihr Wochenlohn stieg von
6 auf 14 Thaler. Bauhandwerker erhielten 5-6 statt 2 Groschen, Arbeiter nun 3½ - 4, bisher
1½ Gr. für die Stunde. Harte Ziegel kosteten beim Baubeginn 8, später 25 Thlr. d. 1000.
Während des Baues wurden Maasse, Gewichte und Geld verändert. Die Ruthe (=12'= 144
Zoll) wurde durch den (3' 2¼" langen) 100theiligen Meterstab, das Quart durch Liter (=8/9 Qu),
der Zentner (=100 Pfund 3000 Loth) durch Klgr. (=2 Pfd.) verdrängt. Die Zahlung mit Silberthl.
(=30 Gr.=360 Pfg.) wurde durch die Gold (Mark) Währung ersetzt (1 Thlr=3 Mark=300 Pfg.)ˍ
Neue Gesetze entstanden. Die Beurkundung von Geburt, Hochzeit, Tod ging von der Kirche auf
den Staat über. Ein Strafgesetzbuch für alle Deutsche. Ein bürgerliches Gesetzbuch erst 1900.
Ihr an der Frontseite unten rechts eingemeißeltes Versprechen
Die Stadt Berlin
erhält diese Gruft
aus den Mitteln
der Stiftung eines
Ungenannten.
konnte oder wollte die Stadt nicht dauerhaft einhalten. Das Bauwerk befand sich am 1. Dezember 1991 in einem traurigen Zustand. In den Jahren 2004/05 ist es im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft historische Friedhöfe und Kirchhöfe Berlin e.V. gereinigt und instandgesetzt worden.