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Koloniale Verstrickungen des Museums für Völkerkunde

Koloniale Verstrickungen des Museums für Völkerkunde

Stresemannstraße 120

Koloniale
Verstrickungen
des Museums
für Völkerkunde
Colonial Entanglements
of the Museum of Ethnology
in der Königgrätzer Straße 120,
heute: Stresemann-/
Ecke Niederkirchnerstraße
Das Königliche Museum für Völkerkunde wurde 1886 eingeweiht,
nur wenige Jahre nach der sogenannten Berliner Afrika-Konferenz
(1884–1885), die eine Beteiligung des Deutschen Kaiserreichs an
der Kolonialisierung Afrikas sicherstellte. Mit seinem Prachtbau
verkörperte das Museum einen Anspruch auf Weltgeltung und die
Überlegenheit der deutschen Wissenschaft.
Laut seinem Gründungsdirektor Adolf Bastian, Professor der
Ethnologie, sollte das Museum eine “Geschichte der Menschheit”
abbilden. In dieser schrieb Bastian außereuropäischen Kulturen
und “Naturvölkern” die Rolle “lebender Fossilien” als Vorstufen
einer Entwicklung zu, deren Gipfelpunkt die europäische
Zivilisation sei.
Auf Bundesratsbeschluss vom 21. Februar 1889 erhielt das Berliner
Völkerkundemuseum ein Monopol auf “Sammlungen,
welche von den auf Reichskosten nach den deutschen Schutzgebieten
ausgerüsteten Expeditionen eingehen”, und den Status als Ersatz
für ein staatliches Kolonialmuseum. Zudem erwarb das Museum
Objekte durch eigene Expeditionen und Grabungen, Ankauf und
Schenkungen. Deren Herkunft war häufig problematisch.
So bemerkte der deutsche Reichsresident Richard Kandt in
Ruanda 1897 in einem Schreiben an den Direktorialassistenten
des Museums, Felix von Luschan: “Überhaupt ist es sehr schwer,
einen Gegenstand zu erhalten, ohne zum mindesten etwas Gewalt
anzuwenden. Ich glaube, daß die Hälfte Ihres Museums gestohlen
ist.” Von Luschan ließ sich für rassistische Forschungen Gebeine
aus allen Weltteilen und aus deutschen Kolonien in Afrika und
Ozeanien schicken, darunter auch von Opfern des deutschen
Völkermords an schätzungsweise 80 % der OvaHerero und 50 % der
Namas in der damaligen Kolonie “Deutsch-Südwestafrika”.
Die Berliner Ethnologischen Sammlungen wuchsen ständig an. Aus
Platznot entstand 1906 ein Außendepot in Dahlem, das ab 1926 die
Sammlungen beherbergte, während das Museum in Kreuzberg vor
allem der Präsentation diente.
1935 gründete Museumskurator Hermann Baumann die Abteilung
“Eurasien”, die an die nationalsozialistische “Lebensraum im
Osten”-Politik anschloss. Kurz nach dem Museumsabriss 1961
entstand in Dahlem ein neuer Museumskomplex mit neuen
Präsentationen der Ethnologischen Sammlungen.
Im September 2021 bezogen einige Abteilungen in das
von vielen Seiten wegen seiner problematischen Sammlungen
kritisierte Humboldt Forum. Dieses befindet sich im Nachbau
des Berliner Schlosses in der Nähe des ursprünglichen
Museumsstandorts.

at Königgrätzer Straße 120
(today: corner Stresemannstraße/
Niederkirchnerstraße)
The Royal Museum of Ethnology was inaugurated in 1886, just a few
years after the so-called “Berlin Africa Conference” (1884–1885), which
secured the German Empire’s share in the colonization of Africa. With its
ostentatiously magnificent building, the museum embodied a claim to
international standing as well as the alleged supremacy of German science.
According to its founding director Adolf Bastian, professor of ethnology,
the museum was to present a “history of mankind”, in which he
considered non-European cultures and so-called “primitive peoples” to
be “living fossils”, i.e. preliminary stages of a development that European
civilization was allegedly the pinnacle of.
By resolution of the Federal Council of 21 February 1889, the Berlin
Ethnological Museum was granted a monopoly on “collections obtained
in the course of expeditions to the German protectorates, funded and
equipped at the expense of the Reich” and the status of substitute for a
state colonial museum. Moreover, the museum acquired objects through
expeditions and excavations it organized on its own behalf as well as
through purchases and donations.
Often, these objects were of a problematic origin. In a letter that the
German President Richard Kandt wrote to the museum’s assistant
director Felix von Luschan in 1897 he notes that “in general, it is very
difficult to obtain an object without at least using some violence.
I believe that half of your museum has been stolen.” For his racist
“research” von Luschan had human remains sent to him from all parts
of the world and from German colonies in Africa and Oceania. These
included remains of victims of the German genocide in the colony of
“German Southwest Africa”, where estimated 80% of the OvaHerero and
50% of the Nama were murdered.
The Berlin Ethnological Collections grew steadily and in 1906 an
external depot was built in Dahlem, a borough in southwestern Berlin,
as the original location was running out of space. The depot housed
the collections from 1926 onwards, while the museum in Kreuzberg
primarily served the purpose of presenting exhibits to the public.
In 1935, museum curator Hermann Baumann founded the department
“Eurasia” – a reflection of the National Socialist policy of “Lebensraum
im Osten” (Lebensraum in the East). Shortly after the museum was
demolished in 1961, a new building with new presentations of
the Ethnological Collections was built in Dahlem.
In September 2021, some of its departments moved into the Humboldt
Forum which has drawn sharp criticism from many sides for the
problematic nature of its collections. It’s situated in a new replica of the
original Berlin Palace close to the original museum site.

Außer in der Überschrift stehen die beiden Sprachfassungen nebeneinander. Auf der Stele gibt es oben ein die gesamte Breite einnehmendes Foto und unter der englischen Spalte ein Foto von Felix von Luschan. Links daneben stehen folgende Bildunterschriften:
[oben] Ausstellungsansicht des Bereichs Grasland/Kamerun
in der Abteilung Afrika des Völkerkundemuseums, nach 1926,
Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum.
[above] Exhibition view of the section “Grasslands/Cameroon”
in the “Africa” department of the Ethnological Museum, after 1926,
Staatliche Museen zu Berlin (Berlin State Museums), Ethnological Museum
[unten] Felix von Luschan mit einem Objekt seiner Schädelsammlung,
mutmaßlich zwischen 1909 und 1914, Archiv Hubert Szemethy, Wien.
[below] Felix von Luschan with an object from his skull collection,
presumably between 1909 and 1914, Hubert Szemethy Archive, Vienna.
In die deutsche Spalte ist in großer Schrift das Zitat von Felix von Luschan eingeblockt. In der englischen Spalte eingeblockt ist ein Grundriss des einstigen Museums mit entsprechender deutscher und englischer Beschriftung.  Ganz unten rechts auf der Edelstahlstele steht, dass sie vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg in Kooperation mit dem Verein Berlin Postkolonial geschaffen wurde. Das Design stammt von BAR PACIFICO/Inga Attrot & Fabian Hickethier. Sie wurde am 16.11.2022 links neben der für das Völkerkundemuseum stehend in Anwesenheit von etwa 60 Personen eingeweiht.

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