Körnerpark
Schierker Straße
,,Sanssouci in Neukölln“
Der 1912 bis 1916 in einer ehemaligen Kiesgrube errich-
tete Körnerpark zählt zu den bekanntesten Sehenswür-
digkeiten des mit klassischen Architekturmonumenten
nicht eben reich gesegneten Bezirks Neukölln. Gelegen
zwischen zwei Hauptverkehrs- und Geschäftsstraßen,
der Ringbahn im Süden und den ehemals berüchtigten
Mietskasernen des Rollbergviertels im Norden, dient die
neobarocke Schmuckgartenanlage seit über 100 Jahren
als Ruheoase im Großstadtleben“. Seit der umfassen-
den Sanierung ab 1977 und der Ernennung zum Berliner
Gartendenkmal 1984 hat sich „Neuköllns Sanssouci“
als Mini-Versailles“ in Berlins schönster Kiesgrube“
auch über den Kiez hinaus einen Namen als vielbesuch-
ter Freizeitpark und Kulturstandort gemacht.
Als Schlafstadt für die Berliner Arbeiterschaft erlebt Rix-
dorf nach der Reichseinigung 1871 ein beispielloses Be-
völkerungswachstum und wird innerhalb weniger Jahr-
zehnte vom Dorf zur Großstadt. Es sind größtenteils
arme Leute, die v.a. wegen der billigen Mieten hierher-
ziehen. Die extreme Verdichtung des weitgehend unreg-
lementierten Wohnungsbaus bringt massive soziale und
hygienische Probleme mit sich. Von allen Großstädten
im Deutschen Reich hat Rixdorf das geringste Steuer-
einkommen, die wenigsten Grünflächen und Spielplätze
pro Einwohner. Um dem städtebaulichen Wildwuchs
früherer Jahre entgegen zu steuern, suchen die Stadtväter
deshalb nach der Jahrhundertwende nach innerstädti-
schen Freiflächen für repräsentative Gartenanlagen.
Körners Park
Schon früh gerät das Grundstück zwischen Jonas- und
Selkestraße in den Blick der Stadtplaner. Hier existiert
bereits eine private Gartenanlage, deren Besitzer, der
Berliner Grubenbesitzer Franz Körner, als ebenso reich
wie wohltätig gilt. Durch seine spektakulären Zuchter-
folge wie den pfundschweren Schwedenapfel und eine
über 4 Meter hohe Sonnenblumenart ist „Körners Park"
bereits über die Stadtgrenzen hinaus bekannt gewor-
den. Allerdings hat sich Körner gerade erst 1905 in der
Jonasstraße 66 einen repräsentativen Sommerwohnsitz
bauen lassen, mit opulentem Fassadenschmuck und ei-
ner Terrassentreppe an der Seitenfront, die ihm direkten
Zugang zu seinem privaten Gartenidyll ermöglicht. Im
Keller des Hauses befindet sich sein „Museum Körneria-
num“ mit archäologischen Altertümern, ausgestopften
Tieren und orientalischen Reisesouvenirs.
Verhandlungsbereit wird Körner erst, nachdem er 1908
schwer erkrankt und seinem baldigen Ende entgegensieht.
Nach zähen Verhandlungen einigt man sich im Juli 1910
auf einen Kaufpreis von 200.000 Mark, steuerliche Ver-
günstigungen für Körners Erben und einen Aufschub
der Bauarbeiten bis zum Tode des greisen Grubenkönigs.
Außerdem verpflichtet sich die Stadt zur Übernahme
der Körner'schen Sammlung in ein zu erbauendes Mu-
seumsgebäude und zur Benennung des künftigen Stadt-
parks nach seinem großzügigen Förderer.
Planung, Bau und Eröffnung
Die Errichtung der künftigen Parkanlage obliegt zwei
jungen, ambitionierten Neuköllner Beamten: Stadt-
baurat Reinhold Kichl (1874-1913) hat bereits in den
Verhandlungen mit Körner einen Plan vorgelegt, der
die begrenzte Fläche und Tieflage des Geländes durch
den Bau von Stützmauern, Treppenanlagen und einer
Orangerie nach dem Vorbild barocker Schlossgärten
optimal auszunutzen und künstlerisch zu gestalten ver-
stand. Ein Gipsmodell des Parks, das Kichl im Rathaus
und auf mehreren nationalen Kunstmessen präsentiert,
bringt ihm Lob und Anerkennung der Fachwelt. Garten-
baudirektor Otto Kurt Halbritter (1872-1914) ént-
wirft 1912/13 verschiedene Pläne zur Anordnung
von Wasserspielen und Grünanlagen im Park, die sich
ebenfalls an den strengen Formen barocker Hofgärten
orientieren.
Durch Zukäufe umliegender Grundstücke werden die
Baumaßnahmen erheblich verteuert und verzögert. An-
fang 1914 sind die Gesamtkosten auf über 1 Mio. Mark
gestiegen. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs bringt
die bereits weit fortgeschrittenen Bauarbeiten nochmals
zum Stocken. Nach dem frühen Tod Kiehls im März
1913 werden sowohl Halbritter als auch Kiehls Nach-
folger Heinrich Best (1876-1916) zum Kriegsdienst
eingezogen und verlieren im Fronteinsitz ihr Leben. Auch
Halbritters Nachfolger, Gartenmeister Hans Richard
Küllenberg (1885-?), ist bereits eingerückt, als im Som-
mer 1916 der Park erstmals der Öffentlichkeit zugäng-
lich gemacht wird. Da er als einziger Verantwortlicher
den Krieg überlebt, wird er heute zumeist als Architekt
des Körnerparks genannt
Der Körnerpark bleibt während des Krieges ein Proviso-
rium. Aufgrund des Holz- und Metallmangels können
weder Bänke aufgestellt noch die von Best entworfenen
Wasseranlagen in Betrieb genommen werden. Einige
Sammlungsstücke des Museums Körnerianum“ wer-
den 1916 in der Orangerie zwischengelagert. Erst ab
1921 werden sie dort als Dependance des Neuköllner
Schulmuseums der Öffentlichkeit gezeigt. Einige Über-
reste der Sammlung Franz Körners finden sich noch
heute im Museum Neukölln.
Park der Republik
Nach Kriegsende erlebt der Körnerpark in den 1920er
Jahren seine erste Blütezeit. Die Fontänenanlage wird in
Betrieb genommen, das Gartenamt stellt im Sommer
Kübelpalmen, Kugelrobinien und Schwertlilien auf der
Terrasse auf, wo Arbeiterchöre und Gesangsvereine fest-
liche Konzerte geben. Paul Schlesinger, Reporter der
Vossischen Zeitung, beschreibt im August 1921 seinen
ersten Eindruck der Parkidylle:
Der Körnerpark ist wohl die sonderbarste Oase, die
sich in der märkischen Stein- und Sandwüste findet,
und von der nicht zum wenigsten deshalb niemand was
weiß, weil sie sich sozusagen in der Versenkung – acht
Meter unter dem Straßenniveau befindet, [...] man
taucht unter wie in eine gewaltige, mit leuchtendem
Grün erfüllte Badewanne. [...] Die weite Rasenfläche,
die Freitreppe, die Terrasse, die Balustrade - man sieht
sich um - nach einem Sanssouci oder Versailles. Man
findet indessen nur einige fleißige Gärtner, ein paar
müde, auf den Bänken glücklich ruhende Menschen
und einen Wächter, dessen Anordnungen unbedingt
Folge zu leisten ist.“
(„Das Reitergrab von Neukölln“, Vossische Zeitung vom 22.8.1921)
Zum Ende der Republik halten erstmals Kunst und
Politik Einzug in die Räume der Orangerie. Arbeiter-
jugend- und Sportorganisationen veranstalten hier im
Sommer Werbewochen. 1930 erregt eine Propaganda-
ausstellung des kommunistischen „Bundes der Freunde
der Sowjetunion“ Aufsehen und Anstoß. Im selben Jahr
kommt es zum Eklat, als eine gemeinsame Ausstellung
sozialistischer Jugendverbände antimilitaristische Pla-
kate präsentiert, die die katholische Kirche und Reichs-
kanzler Hindenburg als Kriegsverbrecher brandmarken.
Auf Druck der empörten Rechtspresse und höchster Re-
gierungskreise lässt die SPD-geführte Bezirksverwaltung
die umstrittenen Plakate entfernen.
Krieg, Fluglärm und Verfall
Während des Zweiten Weltkrieges und in der Nach-
kriegszeit verfällt der Körnerpark. Die Wasseranlage wird
bereits 1939 abgestellt, dringende Instandsetzungsarbei-
ten nicht mehr ausgeführt. Mit dem Ausbau des Flug-
hafens Tempelhof während der Berlin-Blockade 1948/49
gerät das Gelände direkt in die Flugschneise. Ende der
1960er Jahre ist der Verfall bereits soweit fortgeschritten,
dass einige Treppen- und Weganlagen für den Durch-
gang gesperrt werden müssen. Während Anwohner und
Lokalpolitiker vergeblich Gelder für die Sanierung for-
dern, kursieren in der Verwaltung Überlegungen, die
bröckelnden Anlagen einfach abzureißen und den gan-
zen Park wieder zuzuschütten.
1975 wird endlich ein erster Sanierungsplan aufgestellt.
Zwei Jahre später beginnen die Rekonstruktionsarbeiten,
die erst 1983 abgeschlossen sind. Sechs Millionen DM
kostet die Wiederherstellung des ursprünglichen Bauzu-
standes, die 1984 mit der Ernennung zum Gartendenk-
mal belohnt wird. Die Wasserspiele sprudeln nach über
40 Jahren Stillstand wieder, müssen aber 1995 wegen
schadhafter Leitungen erneut abgestellt werden. Brun-
nenbecken und Kaskaden werden ab 2001 vollständig
abgetragen und nach den Originalplänen neu errichtet.
2002 können die Wasseranlagen wieder in Betrieb ge-
nommen werden.
Kulturstandort und Volkspark
Mit der Wiedereröffnung der restaurierten Parkanlagen
übernimmt 1983 das Neuköllner Kulturamt die Nut-
zung der Orangerie an der westlichen Parkseite. Die
„Galerie im Körnerpark“ entwickelt sich schnell zu ei-
ner renommierten Bühne für gegenwartsbezogene und
experimentelle Kunst. Das dazugehörige, von wechseln-
den privaten Pächtern betriebene Café wird zum belieb-
ten Treffpunkt für Anwohner und Galeriebesucher. 2008
wird mit dem „Kreativraum“ ein Atelier für Schüler und
Kiezbewohner eingerichtet.
Als Gartendenkmal und Kulturstandort, Ruheoase und
Spielwiese gewinnt der Körnerpark seit den 1980er Jah-
ren immer mehr an Attraktivität. Mit der endgültigen
Stilllegung des Tempelhofer Flughafens 2008 erfährt
auch das umgebende Wohngebiet, das lange Zeit als
„Problemkiez“ verschrien war, eine enorme Aufwertung.
Das hundertjährige Jubiläum der Parkeröffnung wird
vom Bezirk mit einem aufwendigen, bunten, 100 Tage
dauernden Festprogramm gefeiert und in den Rankings
von „Lieblingsparks“ und „Lieblingsplätzen“ der Berli-
ner Stadtmagazine tip und zitty landet der Körnerpark
2016 ganz oben. 100 Jahre nach seiner Eröffnung erfüllt
der Park heute die Erwartungen, die seine Erbauer ein-
mal in ihn gesetzt haben.
Diese blaue Informationstafel geht zurück auf eine Idee des Landesdenkmalamts. Weitere Tafeln desselben Designs existieren im gesamten Stadtraum Berlins. Die Tafeln sind gerahmt von einem Stahlgestell, die Texte und Bilder befinden sich auf einer beschichteten Kunststoffplatte. Der Standort der 2 Tafeln befindet sich an den Eingängen an der Thomasstraße.
Die Bildunterschriften entsprechend der Einbettung im Fließtext lauten:
[1] Parkansicht nach der Fertigstellung 1916
Die neobarock-monumentale Architektur des Körnerparks steht von Anfang an in starkem Kontrast zur umgebenden Bebauung. In den folgenden Jahrzehnten rücken die angrenzenden Wohnblöcke bis an den Rand der nur 2,4 Hektar großen Parkfläche heran. Seine versteckte Lage macht es für Ortsfremde oft schwierig, das Schmuckkästchen Neuköllns zu finden.
[2] Franz Körner um 1900
Benannt ist der Park nach Franz Körner, einem Berliner Unterneh
mer, der durch die Ausbeutung von Kiesgruben und Grundstücksge-
schäfte in Rixdorf und Britz zum Millionär wurde. 1910 tritt er der
Rixdorfer Stadtverwaltung das Gelände seiner ersten, längst stillge-
legten Kiesgrube zu einem günstigen Kaufpreis ab, um darauf nach
seinem Tod einen öffentlichen Park zu errichten.
[3] Zierteich in Körners Garten
Nach der Stilllegung 1889 lässt Körner in seiner Rixdorfer Kiesgrube
einen idyllischen Privatgarten mit Obstbäumen und Blumenbeeten,
Pavillons und einem Karpfenteich anlegen. Gepflegt wird „Körners
Park“, der dem Publikum nur in seltenen Ausnahmefällen offen-
steht, durch seinen Verwalter P. Brandenburg. Dieser erste Parkgärt-
ner wohnt auch seit 1890 auf dem Gelände.
[4] Körners Park vor Beginn der Bauarbeiten
Nach Körners Tod am 2.6.1911 wird sein Grubengarten zur Bau-
stelle. Langjährige Genehmigungsverfahren, maßlose Forderungen
anliegender Grundstücksbesitzer und der Ausbruch des Ersten Welt-
krieges verzögern die Fertigstellung der Parkanlage bis in den Som-
mer 1916. (Illustration: Gartenlaube 1912)
[5] Gartenanlage nach dem Entwurf von Küllenberg
Grundanlage des Körnerparks ist heute dieselbe wie vor 100 Jahren. Besondere Merkmale sind die bis zu 7 Meter hohen Stützmauern an Nord- und Südseite, die an der Westseite durch eine Orangerie mit vorgelagerter Terrasse verbunden sind. Blickfang auf der Ostseite sind die Wasserkaskaden und der Fontänenbrunnen. Streng axial entlang der zentralen Rasenfläche verlaufen Wassergräben und Pappelalleen. An der Nordseite lädt ein durch Buchenhecken abgetrennter Blumen- und Staudengarten zum Verweilen ein. (Plan: Gartenkunst 1919)
[6] Parkeröffnung im Juli 1916
Das genaue Datum der Parkeröffnung ist nicht bekannt. Aufgrund
der drückenden Lasten des Krieges, der die minderbemittelte Neu-
köllner Einwohnerschaft besonders hart trifft, wird offenbar auf ei-
nen opulenten Festakt verzichtet. Im Juli 1916 gibt der Magistrat
zunächst nur an Sonntagnachmittagen den Zutritt zum Park frei.
[7] Springbrunnenanlage 1929
Die Wasserspiele mit den fünfstufigen Kaskaden, dem großen Brun-
nenbecken und seinen bis zu 8 Meter hohen Fontänen werden in den
1920er und 1930er Jahren zur Hauptattraktion des Körnerparks.
[8] Blumengarten in den 1920ern
Abseits der Hauptachsen des Parks, abgetrennt durch Buchenhecken,
liegt der von den Parkgärtnern besonders liebevoll gepflegte Blumen-
und Staudengarten.
[9] Arbeitslose beim Kartenspiel 1931
Beliebte Aufenthaltsorte sind die entlang der Parkwege aufgestell-
ten weißen Parkbänke. Während der Weltwirtschaftskrise wird für
arbeitslose Männer extra eine Kartenspielerbank oberhalb der Oran-
gerie ausgewiesen.
[10] Rotfrontkämpferbund um 1926
Im „roten Neukölln“ wird der Park zwar gelegentlich als Kulisse für
Kampfverbände der Arbeiterparteien genutzt. Massenkundgebun-
gen hingegen finden seit 1928 meist im weitläufigeren Neuköllner
Sportpark am Tempelhofer Feld statt. (Foto: Bundesarchiv)
[11] Kinderferienspiele im Park 1948
Nach dem Ende von Krieg und NS-Herrschaft wird in der Orange-
rie eine Kindertagesstätte eingerichtet. Im Sommer 1945 finden im
Körnerpark die ersten Berliner Ferienspiele statt. Die vom Neuköll-
ner Jugendausschuss geforderte Umbenennung in „Park der Jugend“
wird jedoch von der Bezirksverwaltung abgelehnt. (Foto: Verwal-
tungsgericht Neukölln)
[12] Gartenschmuck zum 600-jährigen Stadtjubiläum 1960
Der Körnerpark zählt nicht nur zu Festanlässen zu den besonders sorgsam gepflegten Aushängeschildern des Neuköllner Grünflächenamtes.
Für vorbildliche Leistungen werden die Parkgärtner 2003 mit dem renommierten Gustav-Meyer-Preis des Berliner Senats ausgezeichnet.
[13] Konzert vor der Galerie 1988
Die Parkterrasse vor der Orangerie entwickelt sich seit den 1980er
Jahren zu einem über Neukölln hinaus bekannten Veranstaltungsort.
Zum Publikumsmagneten entwickelt sich insbesondere die Konzert-
reihe „Sommer im Park“, die in der schönen Jahreszeit hunderte von
Zuschauern in den Park lockt.
Bildquellen wenn nicht anders genannt: Museum Neukölln