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Filmatelier in Steglitz

Berlinickestraße 11

Ein Filmatelier in Steglitz
Das Hinterhaus in der Berlinickestraße 11 erinnert an die frühe, überregional
bedeutsame und vielseitige Filmkultur in Steglitz. In der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts befanden sich in diesem Quergebäude nacheinander
die Ateliers dreier Filmgesellschaften: der B.-B.-Film von Heinrich Bolten,
der Universum-Film-AG (Ufa), das 1917 gegründete größte deutsche
Filmunternehmen, und der Sirius-Farbenfilm.

Spielfilme
Heinrich Bolten (1871-1938), bekannt unter dem Pseudonym Bolten-
Baeckers, war seit 1891 als Dramaturg und Regisseur an Theatern in
Berlin und Köln engagiert. Zudem schrieb er Texte für Operetten des
Komponisten Paul Lincke, insbesondere die Operette „Frau Luna”
begeisterte damals das Publikum.
Seinen wahrscheinlich ersten Spielfilm „Der Hauptmann von Köpenick”
inszeniert Bolten-Baeckers kurz nach der wirklichen „Köpenickiade” am
16. Oktober 1906. 1912 mietete er für seine neue Produktionsfirma
B.-B.-Film im Hinterhaus der Berlinickestraße 11 ein circa 100 Quadratmeter
großes, 5,5 Meter hohes Atelier im obersten Stock mit Dunkelkammer,
Ankleideraum und Glasdach. Obwohl die B.-B.-Film bereits strombetriebene
Lampen für die Innenaufnahmen verwendete, hing die Bildqualität nach
wie vor entscheidend vom Sonnenlicht ab. Für Außenaufnahmen diente
bis 194 ein Grundstück in Südende, Steglitzer Straße 8. Als Direktor des
Lustspielhauses in der Friedrichstraße setzte Bolten-Baeckers häufig
Mitglieder seines Ensembles, darunter Leo Peukert und Aenne Köhler,
in den über einhundert Filmen ein, die bis 1971 im Steglitzer „B.-B.-
Filmatelier” entstanden. Es handelte sich zumeist um Lustspiele wie „Leo,
der Bazillenträger” (1912) und „Der rasende Roland” (1915). Der Erste
Weltkrieg förderte die Geschäfte deutscher Filmunternehmen wie der
B.-B.-Film, denn ihre Produktionen ersetzten die ehemals markt-
beherrschenden, nunmehr verbotenen Filme aus “Feindstaaten” wie
Frankreich und Italien.

Kultur- und Werbefilme
Seit 1918 ruhte der Filmbetrieb im Obergeschoss. Bolten-Baeckers mietete
jedoch das darunterliegende Stockwerk hinzu, baute einen Vorführungs-
und Kleberaum sowie einen Raum für „Versuchstiere” ein und übergab
1920 beide Etagen der Ufa-Kulturabteilung. Geleitet von Ernst Krieger,
stellte sie dort populärwissenschaftliche Filme über Kleintiere und Pflanzen
für den Schulunterricht oder das Kino her. So drehte der Regisseur Ulrich
K.T. Schulz 1922 an diesem Ort mit einer Laiendarstellerin Spielszenen
für den kurzen Ufa-Lehrfilm “Der Gärtner in Not” mit der Obstmade als
“Star”. Wegen Platzmangels ließ die Kulturabteilung noch im selben Jahr
das Hinterhaus aufstocken. Während das Aufnahmestudio nun im neuen
Dachgeschoss lag, wurde aus dem ehemaligen B.-B.-Atelier ein Büro und
Gerätelager.
Nachdem die Kulturabteilung der Ufa 1926 ausgezogen war, fand sich
erst zwei Jahre später ein Nachmieter aus der Filmbranche: die Sirius-
Farbenfilm GmbH. Ihr Chef Kurt von Specht und seine Mitarbeiter
produzierten im Auftrag der Ufa kurze Werbefilme nach dem neuartigen
„Sirius”-Farbverfahren. In einem weiteren, schon von der Ufa genutzten
einstöckigen Hintergebäude hatte die Firma Sirius ein technisches Büro
und eine Kopieranstalt untergebracht. Da es nicht gelang, das von Ludwig
Horst entwickelte Farbsystem an die Ufa oder einen anderen Kunden zu
verkaufen, musste das Kleinunternehmen 1931 aus Kostengründen die
gemieteten Raume verlassen.
Ulrich Döge

Auf der rechten Seite der roten Stele befinden sich übereinander vier Fotos und ein Brief. Von oben nach unten:
Portrait Heinrich Bolten-Baeckers mit Widmung vom 22. April 1900; Szenenfoto aus einem B.-B.-Film mit Leo Peuckert (Mitte), um 1913; Brief von Heinrich Bolten-Baeckers mit Firmenlogo, 20. März 1913; innenaufnahme des 1922 aufgestockten Dachateliers; Das ehemalige aufgestockte Dachatelier, 1986.
Konzeption und Gestaltung der Stele lagen bei Karin Rosenberg. Sie ist vor dem unbebauten Eckgrundstück an der Mittelstraße direkt neben dem Haus Berlinickestraße 11 aufgestellt. Die Enthüllung fand in Anwesenheit von Bezirksstadträtin Cerstin Richter-Kotowski und der Leiterin des bezirklichen Fachbereichs Kultur Doris Fürstenberg am Dienstag, dem 4.12.2012 statt. Einführende Worte sprach Jeanpaul Goergen.

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