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Ephraims Mobilie (Nikolaiviertel 10)

Ephraims Mobilie (Nikolaiviertel 10)

Poststraße 16

Für ein Gebäude erstaunlich weit gereist: Das Ephraim-Palais.
Das 1762 bis 1769 von F. W. Diterichs errichtete Rokokopalais
wich 1936 Baumaßnahmen am Mühlendamm (Tafeln 5, 19). Im
späteren Westberlin wurde die Fassade für den geplanten Wiederauf-
bau der „schönsten Ecke Berlins“ gelagert. Der Zweite Weltkrieg
und die Teilung Berlins verhinderten jedoch für lange Zeit die
Heimkehr der Immobilie.
Nach Überlegungen, die Bauteile für den geplanten jüdischen Teil
des Berlin-Museums zu verwenden, entschied sich der Westberliner
Senat schließlich, die Fassade dem Berliner Magistrat (DDR) zur Ver-
fügung zu stellen – für das zur 750-Jahr-Feier Berlins auferstehende
Nikolaiviertel. 1987 originalgetreu und um 12m versetzt wieder-
errichtet, dient der Architekturschatz heute dem Stadtmuseum
Berlin als prachtvoller Rahmen für wechselnde Ausstellungen.
Als Remineszenz an das Wartenbergpalais (Tafel 17) und
dessen Architekten erhielt ein Saal des Ephraim-Palais die
so genannte Schlüterdecke, eine Kopie des Originals.
Veitel Ephraim V († 1775) ist Finanzier und Münzpächter Friedrich II.,
des Großen, König von Preußen. Auch während dessen mehr oder
minder aufgeklärter Herrschaft (Tafel 6) genießen Juden keinesfalls
volle Rechte, sondern sind in Klassen eingeteilt. Rechtlose Betteljuden
werden immer wieder des Landes verwiesen.
Als „privilegierter Schutzjude“, Münzer und Finanzier des Königs,
wird Ephraim als der Verantwortliche für fragwürdiges Finanzgebaren
des Regenten wahrgenommen. Die auf königliche Anordnung hin im
Silbergehalt geminderten Münzen heißen im Volk Ephraimiten, nicht
etwa „Friedrichstaler“.
Ephraim hat, wie auch seine Vorgänger (Tafel 9), eine gewisse
Blitzableiterfunktion, schafft es aber seine Position unbeschadet zum
beiderseitigen Vorteil zu nutzen. Seine Profite investiert er in den Auf-
bau verschiedener Manufakturen – ein Beitrag zum stattfindenden
Aufschwung Berlins.


Crossing borders: Ephraim Palais has travelled quite far for a
building. In 1936 the Rococo palace was relocated to the
western half of the city to allow for the broadening of Mühlen-
damm (panels 5 & 19). There, the façade was put in storage
with the intention that ‘Berlin’s most beautiful corner’ would
later be reconstructed. The Second World War and the
division of Berlin prevented the return of the building to its
original site. After plans were considered to use elements of
the building in the construction of a new Jewish department in
the former Berlin-Museum, the West Berlin senate decided to
offer the façade to the East German magistrate of Berlin – for
Nikolaiviertel, which was being redeveloped in celebration of
Berlin’s 750th anniversary. Rebuilt true to the original, but with
12 m offset, the architectural treasure is used by the Stadtmu-
seum Berlin as a gorgeous setting for changing exhibitions.
As an homage to Wartenbergpalais (panel 17) and its
architect, one of the saloons of Ephraim Palais was out-
fitted with a replica of the so-called ‘Schlüter ceiling’.
Money and enlightentment:
Veitel Ephraim († 1775) was the financer and master of the
mint under Friedrich II, King of Prussia. During Friedrich’s more
or less enlightened reign (panel 6), Jews did not enjoy full
civil rights. Instead, they were divided into classes, and Jewish
beggars were regularly expelled from the kingdom. As a Jew
and master of the mint, privileged and protected by the King,
Ephraim, like his predecessors (panel 9), was viewed as
the actor behind the King’s questionable financial decisions.
Coins minted with reduced silver content by order of the king
were thus known labelled by the public as ‘Ephraimites‘.
Ephraim was a lightning rod of sorts, but managed to
leverage his position for the benefit of all. He invested
his earnings in various factories, thus contributing
to Berlin’s industrial development.

Jede der 19 Gedenktafeln ist Teil des historischen Pfades, der quer durch die Berliner Altstadt des gesamten Nikolaiviertels konzipiert wurde. Mithilfe der Nummerierungen und einer Karte des Stadtviertels, die auf jeder der Tafeln unten links abgebildet ist, kann eine Stadtführung in eigenem Tempo vorgenommen werden. Die mit Bildern ausgeschmückten Informationen in deutscher und in englischer Sprache erzählen die bis ins 12. Jahrhundert zurückgehenden sowohl amüsanten als auch bestürzenden Geschichten zu den Gebäuden und berühmten Persönlichkeiten.

Die zehnte Gedenktafel befindet sich mittig auf dem großen Platz, der sich zwischen dem Hanfmuseum, dem Ephraim-Palais und dem Knoblauchhaus befindet. Sie ist paarweise mit der Gedenktafel Nr. 9 und hinter der Zaunabsperrung eines Grünstreifens aufgestellt. Sie macht anhand der Geschichte von Veitel Ephraim auf die Funktion eines jüdischen Finanziers der Obrigkeit und seiner Rolle als Blitzableiter aufmerksam. In inhaltlicher Einheit erzählt die neunte Gedenktafel vom Schicksal jüdischen Lebens im 16. Jhdt.

Die Bildunterschriften von links nach rechts lauten:

„Schlüterdecke” (Ausschnitt)

Molkenmarkt, Mühlendamm und Ephraim-Palais (1930)

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