Der Historische Winkel
Clayallee 357
Der „historische Winkel" umfasst die Alte Dorfkirche, den Kirchhof, das alte Schulhaus und die „Friedenseiche". Der Begräbnisplatz ist so alt wie das Dorf, die Kirche stammt aus dem 18. und das Schulhaus sowie die Eiche aus dem 19. Jahrhundert. 1992 feierte der Bezirk seinen 750. Geburtstag und berief sich dabei auf eine Urkunde, die den Verkauf des Dorfes durch die damals gemeinsam regierenden askanischen Landesherren Johann I. und Otto III. an die Zisterzienser Mönche von Lehnin belegt. Die Mönche sicherten sich so ab 1242 einen Stützpunkt am Weg zu ihren Besitzungen auf dem Barnim und nach Berlin. Noch heute markiert der kleine achteckige Kirchenbau aus der Zeit Friedrichs II. den ältesten Teil der Dorfanlage, die damals 19 Hofstellen zählte. Der mittelalterliche Verkehrsweg verlief von Süden kommend im Zuge der Machnower Straße, des Teltower Damms und der Clayallee nach Norden. Erst seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gibt es die Berlin-Potsdamer Chaussee in Ost-West-Richtung. Seither liegen Kirchhof und Kirche direkt an einer Hauptverkehrsstraße, die 1791/94 zur ersten preußischen Chaussee in der Kurmark ausgebaut wurde und heute Teil der Bundesstraße 1 ist.
Der Kirchhof
Schon die ersten Siedler Zehlendorfs legten um 1200 vermutlich an dieser Stelle ihren Begräbnisplatz an. Die heutige Mauer und das klassizistische Tor stammen aus dem Jahr 1826. Das Tor erinnert in seiner Schlichtheit an einen Schinkel-Entwurf. 1894 wurde der Kirchhof für Begräbnisse geschlossen, nur auf Erbstellen waren noch bis 1930 Bestattungen möglich. Auf dem Kirchhof befinden sich die Grabstätten der alteingesessenen Zehlendorfer Familien, u.a Haupt, Zinnow, Pasewaldt, Scharfe und Schäde. Die Gestaltung der noch vorhandenen Grabdenkmäler - Steinkreuze, Eisenkreuze, Stelen, teilweise auch erhaltene Gittereinfassungen - ist typisch für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Gräber und Grabdenkmäler wurden in den Jahren 1984 bis 1987 mit Finanzmitteln der Gartendenkmalpflege grundlegend saniert. Gemäß dem Edikt Friedrichs II. von 1752 wurden Maulbeerbäume für die Seidenraupenzucht gepflanzt. 1797 standen insgesamt 28 Bäume auf dem Kirchhof, von denen heute noch drei an der Mauer zur Potsdamer Straße erhalten sind. Dabei handelt es sich um weißfrüchtige Weiße-Maulbeerbäume (Morus alba L.), deren Blätter die Seidenraupen am besten verwerten können; die Stämme haben inzwischen Umfänge von über 3,50 m.
Die Kirche
Die erste urkundliche Erwähnung einer Zehlendorfer Kirche stammt aus dem Jahr 1264. Der Küster und Dorfschullehrer Schäde berichtet in seiner Chronik 1832: Bis zum Jahr 1767 befand sich hier eine Kirche nach der Art wie man sie an vielen Orten findet, von Feldsteinen erbaut mit einem sogenannten Klutthurm ohne Spitze. König Friedrich der 2te, der hier sehr oft durchreisete, wollte zur besonderen Zierde des Dorfes eine schöne Kirche und Thurm erbauen lassen und bestimmte dazu außer dem freien Holze 6000 Thaler, die Fuhren musste die Gemeinde unentgeldlich leisten. Dem Bau leitenden Conducteur (=Architekt) wurden als Vorschuß 3000 Thaler ausgezahlt, und dieser lässt sich gelüsten mit diesem Gelde davon zu gehen. Von dem übrigen Gelde wird, soweit es reichen will die jetzige Kirche mit einem kleinen Thurm darauf erbaut, der aber, weil er zu leicht gebaut war, nach 20 Jahren wieder abgetragen werden musste. Seit 1768 bis 1905 wurden in der achteckigen Kirche Gottesdienste gefeiert. Mit der Einweihung der Paulus-Kirche wurde sie zur „Alten Dorfkirche" und nach inneren Umbauten ab 1912 erstes Gemeindehaus Zehlendorfs. Im und nach dem II. Weltkrieg diente der Bau als Lagerraum und stand dann ab 1947 leer.
Erst 1953 waren Finanzmittel vorhanden, um das Gebäude in den bestehenden Zustand zu bringen. Heute dient die Alte Dorfkirche der Gemeinde vor allem als Winterkirche und für Taufen, Trauungen, Konzerte und Autorenlesungen. Das Kircheninnere ist 1953 bewusst in sachlich kühlem Stil gehalten worden. Geschmückt wird die Kirche mit historischem Inventar aus nicht mehr vorhandenen Berliner Innenstadtkirchen: Durch Bilder, durch einen Orgelprospekt - hinter dem sich eine moderne Orgel aus der Werkstatt Schuke in Schönow verbirgt - und durch einen Kronleuchter.
Die Schule
Mit der Einrichtung des Lehrerseminars in Berlin durch Johann Julius Hecker (1707-1768) und der Verfügung von 1750, alle Dorflehrerstellen im Umkreis von 8-10 Meilen (1 preuß. Meile waren etwa 7,5 km) um Berlin mit den Seminaristen zu besetzen, bekam auch Zehlendorf ab 1774 seine ersten pädagogisch ausgebildeten Lehrer. Im Dezember 1793 trat Ernst Ferdinand Schäde (1772-1861) hier seinen Schuldienst an. Als es 1819 in einem Entwurf zu einem allgemeinen Gesetz über die Verfassung des Schulwesens im Preußischen Staate hieß: »..in der Regel soll jede Schule ihr eigenes Gebäude haben ...", setzte er in einem zähen Kampf mit der Regierung in Potsdam 1828 den Bau des ersten eigenen Schulhauses in der Landbautradition David Gillys (1748-1808) durch. Der Klassenraum war für etwa 45 Schüler mit festen Bänken und Tischen eingerichtet. Nachdem die einklassige Dorfschule 1876 zugunsten einer moderneren mehrklassigen Volksschule (dem „Roten Schulhaus" am Standort der heutigen Nord-Grundschule) aufgegeben wurde, zog die politische Gemeindevertretung in das Haus ein. Seit der Bildung Groß-Berlins 1920 residierte hier der Bezirksbürgermeister, bis er 1929 in das neue repräsentative Zehlendorfer Rathaus umziehen konnte. Schuhmachermeister Fritz Stöcker betrieb im Haus seinen Laden bis 1934. Danach war hier das Tiefbauamt untergebracht. Seit 1973 hat der Heimatverein Zehlendorf an dieser Stelle seinen Sitz. 1986 wurde das Haus grundsaniert und im Inneren so rekonstruiert, dass in Teilen die alte Raumaufteilung wieder erkennbar ist.
Die „Friedenseiche"
Zur Erinnerung an den Friedensschluss nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 wurde von den Zehlendorfer Schülern vor dem Schulhaus am Jahrestag der Schlacht von Sedan am 2. September 1871 eine junge Eiche gepflanzt. Bei dem Baum, seit 1940 Naturdenkmal, handelt es sich um eine Stiel-Eiche (Quercus robur). Die Weiherede hielt damals der Zehlendorfer Pfarrer Ernst Stammer. Ursprünglich war der Baum durch ein Metallgitter geschützt. Seit 1906 befindet sich die auf Beschluss der Gemeindevertretung angebrachte Tafel mit einem Eisernen Kreuz im vergoldeten Eichenkranz am Baum. Sie trägt die Inschrift 2.9. / Friedenseiche / 1871.
The Historic Corner
The "historic corner" consists of the old village church and churchyard, the old school house, and the Oak of Peace natural monument. Zehlendorf celebrated its 750th anniversary in 1992: it was first mentioned in a 1245 contract between the Margraves John I and Otto IlI of Brandenburg and the Cistercian monks of Lehnin Abbey. The small octagonal church is in the oldest part of the village. In the cemetery, the wall and classic style gate of which date from 1826, are the graves of members of old Zehlendorf families. Burials in the cemetery ceased in 1894. The earliest mention of a church in Zehlendorf is in 1264. The present octagonal church dates from 1768 and was endowed by Frederick II. (1712-1786) who gave the community 6000 thalers (silver coin at those days). The plain and functional design of the interior dates from 1953. The village school-teacher, Ernst Ferdinand Schäde (1772-1861) arrived in Zehlendorf in 1793 to take up his teaching duties. Schäde fought for a building for the school which was completed in 1828. In 1876 the local council moved into the school house. Since 1973 it houses the Zehlendorf Heritage Association. To commemorate the end of the Franco-German War of 1870-1871, a young oak tree was planted on the 2nd September 1871 by students from the Zehlendorf area. The plaque showing an Iron Cross and oak wreath was attached to the tree in 1906.
Die Informationstafel ist vor der Friedhofsmauer in der Clayallee 357 auf dem Platz vor dem Heimatmuseum Zehlendorf aufgestellt.
Diese blaue Informationstafel geht zurück auf eine Idee des Landesdenkmalamts und wurde gemeinsam mit HORTEC Berlin konzipiert. Weitere Tafeln desselben Designs existieren im gesamten Stadtraum Berlins. Die Tafeln sind gerahmt von einem Stahlgestell, die Texte und Bilder befinden sich auf einer beschichteten Kunststoffplatte.
Die Bildunterschriften entsprechend der Einbettung im Fließtext, zuerst in deutscher und darunter in englischer Sprache:
[1] Der historische Winkel nach 1871 (Archiv Heimatverein Zehlendorf)
The Historic Corner, after 1871
[2] Dorflage Zehlendorf, Ausschnitt Separationskarte 1819 (Quelle: Landesarchiv Berlin)
The village of Zehlendorf, detail of a map with property boundaries of 1819
[3] Grabkreuz für Ernst Ferdinand Schäde (1772-1861) und seine Frau Maria Luise Schäde, geb. Matthis (1773-1848) (Foto: Dirk Siedke, Postkarte)
Cross on the grave of Ernst Ferdinand Schäde (1772-1861) and his wife Maria Luise Schäde née Matthis (1773-1848)
[4] Porträt Ernst Ferdinand Schäde, 1853 (Lithographie von W. Lerch. Archiv Heimatverein Zehlendorf)
Portrait of Ernst Ferdinand Schäde, 1853
[5] Der Historische Winkel um 1902 (Postkarte Archiv Heimatverein Zehlendorf)
The Historic Corner, ca. 1902
[6] Preußischer Taler von 1750 mit dem jugendlichen Portrait Friedrichs II. (Privatsammlung)
Prussian Taler of 1750 with a portrait of the young Frederick II.
[7] Dorfkirche: Blick auf den Orgelprospekt, 2011 (Foto: Marianne Laschinsky/ Archiv Heimatverein Zehlendorf)
Village church: View of the organ, 2011
[8] Dorfkirche: Blick von der Orgelempore auf den Altar, 2011 (Foto: Marianne Laschinsky/ Archiv Heimatverein Zehlendorf)
Village church: View of the altar from the organ loft, 2011
[9] Sitzplan in der Kirche zu Zehlendorf, um 1826 (Archiv Paulusgemeinde Zehlendorf)
Seating plan, Zehlendorf church, ca. 1826
[10] Grundriss Erdgeschoss des Schulhauses (Archiv Heimatverein Zehlendorf)
Ground-floor plan of the school house
[11] Kreuzung Tehlendorf, 1956, im Hintergrund Dorfkirche und Schulhaus (Foto: Herbert Kraft / Archiv Heimatverein Zehlendorf)
Crossroads, Zehlendorf, 1956, in the background village church and school house
Impressum / Imprint 2011:
Evangelische Paulus-Kirchgemeinde
Heimatverein Zehlendorf
Landesdenkmalamt Berlin, Gartendenkmalpflege
Konzept, Redaktion / Concept, Editing:
HORTEC Berlin
Layout
Ringkamp kommunikationsdesign