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Clara Immerwahr

Clara Immerwahr

Polkendorf bei Breslau (Wojczyce/Polen) 21.6.1870 - (Berlin-)Dahlem 2.5.1915

Hittorfstraße 8

Clara Immerwahr-Haber
Clara Helene Immerwahr wurde am 21. Juni 1870 in Polkendorf
(Wokjczyce, Polen) bei Breslau (Wrocław) als jüngstes von vier
Kindern des Chemikers Philipp Immerwahr (1839-1908) und seiner
Frau Anna (1846-1890) geboren. Sie und ihre Schwestern besuchten
höhere Mädchenschulen, in denen es kaum naturwissenschaftlichen
Unterricht gab. Clara interessierte sich früh für Chemie, absolvierte
1892/93 das Lehrerinnenseminar in Breslau und besuchte als
Gasthörerin Vorlesungen an der Universität. Da Frauen in Preußen
erst ab dem Wintersemester 1908/09 regulär studieren durften, war
sie auf die Unterstützung der Professoren angewiesen. Als Externe
legte sie 1897 an einem Jungengymnasium das Abitur ab und studierte
Naturwissenschaften. Zu ihren Förderern gehörten die Chemiker
Albert Ladenburg (1842-1911) und Richard Abegg (1869-1910), ihr
Doktorvater.
Im Dezember 1900 promovierte Clara Immerwahr in Chemie als erste
deutsche Studentin an einer preußischen Universität. Sie erhielt eine
unbezahlte Assistentenstelle und veröffentlichte von 1900 bis 1901
vier wissenschaftliche Arbeiten zur Messbarkeit schwerlöslicher Salze
von Metallen. An eine akademische Karriere als Chemikerin war nicht
zu denken, da Frauen nicht habilitieren durften. Als sie 1901 den
Chemiker und Professor an der TH Karlsruhe Fritz Haber (1868-1934)
heiratete, mag sie sich erhofft haben, in die Tradition berühmter
Forscherpaare wie den Lavoisiers oder Marie Sklodowska und Pierre
Curie treten zu können.
Von 1901 bis 1910 lebte das Paar in Karlsruhe, wo Clara bis zur
Geburt ihres Sohnes Hermann im Labor ihres Mannes arbeitete und
an seinem Lehrbuch “Thermodynamik technischer Gasreaktionen”
(1905) mitwirkte, das ihr “zum Dank für stille Mitarbeit” gewidmet
wurde. Die gewünschte gemeinsame Tätigkeit mit ihrem
Mann ergab sich jedoch nicht. Frau Professor Haber sollte, den
gesellschaftlichen Normen der Zeit entsprechend, repräsentieren,
nicht forschen. Sie hielt Vorträge beim Karlsruher Volksbildungsverein,
beispielsweise 1905/06 über “Chemie in Küche und Haushalt”, 1910
zu “Naturwissenschaften im Haushalt” beim Arbeiterbildungsverein.
1911 zog die Familie nach Berlin. Während Fritz Haber Direktor des
neuen Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physikalische Chemie und
Elektrochemie in Berlin-Dahlem und Professor an der Berliner
Universität wurde, blieb Clara eine intellektuell erfüllende Tätigkeit
versagt. Mit beginn des Ersten Weltkriegs engagierte sich Fritz Haber
in der Giftgasforschung. Am 2. Mai 1915 erschoss sich Clara Haber
im Garten der Direktorenvilla mit der Dienstwaffe ihres Mannes. Die
Frage nach den Motiven für die Selbsttötung ist bis heute nicht
endgültig zu beantworten. Den verfügbaren Quellen zufolge spielten
nicht nur ihre Ablehnung des Giftgaseinsatzes, sondern auch mehrere
persönliche Gründe eine Rolle.
Clara Immerwahr-Haber bleibt in Erinnerung als die erste deutsche
promovierte Chemikerin, als eine Frau, die gegen Diskriminierung
und ungleiche Bildungschancen kämpfte. Mehrere Preise und seit
2006 ein Gedenkstein erinnern an die Ausnahmepromovendin.
Annette Vogt

Neben der Inschrift befinden sich auf der rechten Seite fünf Fotos. Die Bildunterschriften lauten (v. o .n. u.):
Clara Immerwahr, undatiert
Promotionsurkunde von Clara Immerwahr
Fritz Haber, um 1905
Kaiser-Wilhelm-Institut für physika-
lische Chemie und Elektrochemie,
um 1914
Gedenkstein für Clara Immerwahr

Zur Enthüllung der 30. Stele “Historische Information” in Steglitz-Zehlendorf an der Ecke Hittorfstraße 8 / Faradayweg am 11.11.2024  sprachen in Anwesenheit von gut 50 Gästen die Bezirksstadträtin Cerstin Richter-Kotowski und Prof. Dr. Beatriz Roldán Cuenya, Geschäftsführende Direktorin des Fritz-Haber Instituts. Die Laudatio hielt Prof. Dr. Annette Vogt, Wissenschaftshistorikerin und Autorin des Stelentextes. Die Konzeption und Gestaltung der Stele lag bei Karin Rosenberg.
Der polnische Ortsname des Geburtsortes auf der Stele enthält ein k zu viel.

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