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Arbeitsmigration in Ost-Berlin
Arbeitsmigration in Ost-Berlin

Arbeitsmigration in Ost-Berlin

Frankfurter Allee 71

Arbeitsmigration
in Ost-Berlin

Frankfurter Allee 71
Berliner Vergaser- und Filterwerke

Hier befand sich von 1967 bis 1991 das Werk I des Volkseigenen
Betriebes Berliner Vergaser- und Filterwerke (VEB BVF) zur
Produktion von Filtern, Vergasern und Kraftstoff-Pumpen für
Kraftfahrzeuge und Bootsmotoren. Ab ca. 1980 waren einige
Dutzend der Beschäftigten sogenannte «Vertragsarbeiter*innen».

Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) pflegte wirt-
schaftliche und solidarische Verbindungen zu Ländern wie Polen
und Ungarn, aber auch zu «Bruderstaaten» des globalen Südens,
wie Angola, Kuba, Vietnam und Mosambik.

Zunächst kamen «ausländische Werktätige» aus Kuba und
Mosambik in die BVF, ab Ende der 1980er Jahre auch aus Viet-
nam. Vor allem junge Menschen kamen für eine Vertragslaufzeit
von vier und später von fünf Jahren in die VEBs, in denen sie
Tätigkeiten mit niedrigen Löhnen ausübten. Zudem erhielten sie
monatlich eine Zahlung für die Trennung von der Familie. Diese
konnte aber als Sanktion gekürzt oder gestrichen werden.

Die «Vertragsarbeiter*innen» lebten in oft abgelegenen Wohn-
heimen. Zudem waren sie häufig mit sozialer Isolation, Miss-
gunst und Diskriminierung seitens der Mehrheitsbevölkerung
konfrontiert. Im Alltag wurden sie stark durch betriebliche
Gruppenleiter*innen reguliert.

Die bilateralen Verträge verboten «Vertragsarbeiterinnen» eine
Schwangerschaft. In dem Fall drohte die sofortige Abschiebung.
Formal waren die «Vertragsarbeiter*innen» u.a. bei beruflichen
Qualifikations- und Ausbildungsmöglichkeiten den deutschen
Kolleg*innen zwar gleichgestellt, aber besonders in der Spät-
phase der DDR blieben ihnen diese Bereiche zunehmend verwehrt.
Aus Protest legten sie daher oftmals die Arbeit nieder.

Mit dem Verkauf der BVF 1990 durch die Treuhand [1] waren diese
migrantischen Arbeiter*innen unter den ersten, die eine Kündi-
gung erhielten. Die Fabrik wurde im April 1992 abgerissen.

Von den rund 91.000 «Vertragsarbeiter*innen», die 1989
noch in der DDR waren, verließen viele nach der deutschen Wie-
dervereinigung das Land oder wurden wegen fehlender Aufent-
haltstitel abgeschoben. Einige von ihnen blieben und bauten sich
ein Leben auf; in Berlin waren es überwiegend Vietnames*innen.

Migrant*innen bilden in sämtlichen wirtschaftlichen, sozialen
und kulturellen Bereichen einen Bestandteil der Bundesrepublik
Deutschland. Maßgeblich prägen sie die Demokratisierungs-
geschichte und die Entwicklungen des Bezirkes Friedrichshain-
Kreuzberg mit.

Labour Migration
in East-Berlin

Frankfurter Allee 71
Berliner Vergaser- und Filterwerke

From 1967 to 1991, plant No. I of the Volkseigener Betrieb Berliner Vergaser-
und Filterwerke (VEB BVF) [Publicly Owned Enterprise Berlin Carburetor
and Filter Works], was located here. It produced filters, carburettors, and fuel
pumps for motor vehicles and boat engines. From around 1980, several dozen
of the employees were so-called contract workers.

The German Democratic Republic
(GDR) maintained economic relations
and ties of solidarity not only with
countries like Poland and Hungary but
also with «sister states» in the Global
South, like Angola, Cuba, Vietnam, and
Mozambique.

While at first the BVF’s foreign workers
came from Cuba and Mozambique,
from the late 1980s they were also from
Vietnam. It was mainly young people
who came to the VEBs [publicly owned enterprises] to work low-wage jobs for
a contract period of four years, later five years. They were paid an additional
monthly sum to compensate for being separated from their families, which
could, however, be cut or withheld as penalty.

The so-called contract workers were housed in workers’ hostels, often in
remote locations. Often they were socially isolated, were met with resentment,
and were discriminated against by the majority of population. Their day-to-day
lives were closely monitored by strict company group leaders.

Under the bilateral treaties, women among the «contract workers» were not
allowed to become pregnant. If they did, they faced the threat of immediate
deportation. On paper, the migrant workers had the same access to skills
training and professional development as their German colleagues, but
increasingly, especially in the late phase of the GDR, they were denied these
opportunities. Therefore, they often went on strike to protest these conditions.

When the Treuhandanstalt* sold the BVF in 1990, these migrant workers were
among the first to be let go. The factory was demolished in April 1992.

Of the approximately 91,000 migrant workers still in the GDR in 1989, many
left the country after German reunification or were deported for not having
valid residence permits. Some stayed and built a life for themselves. In Berlin,
they were mainly Vietnamese.

In all areas of the economy, society, and culture, migrants form an integral
part of the Federal Republic of Germany. They have been playing a decisive role
in shaping the history of democratization and the development of the district of
Friedrichshain-Kreuzberg.


*Die Treuhandanstalt war von 1990 bis 1994 beauftragt, die ehemaligen VEBs
der DDR zu sanieren, zu privatisieren oder auch stillzulegen.

The Treuhandanstalt («trust agency») was in charge of restructuring,
privatizing, or shutting down the GDR’s VEBs (short for «Volkseigener
Betrieb»: publicly owned enterprise) from 1990 to 1994.

Diese Gedenktafel wurde am 26.3.24 am Standort des Volkseigenen Betriebs Berliner Vergaser-und Filterwerke gemeinsam mit einer weiteren Gedenktafel in Erinnerung an Arbeitsmigration in West-Berlin in Anwesenheit von Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann eingeweiht, die auch die Grußworte an die Anwesenden richtete.

Auf der Tafel befinden sich drei Fotos, die Bildunterschriften lauten (in der Reihenfolge oben, links, rechts):

Arbeiter*innen bei der Glühbirnen-Produktion bei Narva.
Quelle: ullstein bild. Foto: Klaus Mehner
Workers producing light bulbs at Narva.
Source: ullstein bild. Photo: Klaus Mehner

Berlin Schönefeld, Abflug vietnamesischer Arbeiter*innen, 1990.
Quelle: Bundesarchiv, 183-1990-0531-022. Foto: Ralf Hirschberger
Berlin Schönefeld airport, Vientnamese workers leaving Germany, 1990
Source: Bundesarchiv, 183-1990-0531-022. Photo: Ralf Hirschberger

Außenansicht des BVF-Werks aus den 1980er Jahren.
Quelle: FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum
Front view oft he BVF building, 1980s
Source: FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum

Es handelt sich um eine Gedenktafel des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, das Design lag bei Inga Attrot und Fabian Hickethier.

Die Gedenktafel wurde im Rahmen des bezirklich Diversity-Gedenkens (siehe beigefügtes PDF) umgesetzt.

 

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