Anhalter Bahnhof
Askanischer Platz
1841–1959
Bei seiner Inbetriebnahme 1841 lag der Anhalter Bahnhof
am Stadtrand und galt als Berlins »Tor nach Süden«. Er war
Ausgangs- und Endpunkt der Berlin-Anhaltischen Eisenbahn,
der ersten von Berlin ausgehenden Fernstrecke über Dessau
nach Köthen. Dort bestand Anschluss nach Leipzig und
Halle.
Die rasche Verkehrszunahme machte einen Ausbau des
kleinen Kopfbahnhofs notwendig: Nach sechs Jahren Bauzeit
wurde 1880 eine neue Bahnhofshalle mit repräsentativem
Empfangsgebäude eröffnet. Der Berliner Architekt Franz
Schwechten entwarf den Monumentalbau im Stil der Neo-
Renaissance und verwendete gelben Greppiner Klinker, der
typisch für Berliner Eisenbahnbauten der nächsten Jahrzehnte
wurde. Die Hallenkonstruktion aus Fachwerk-Eisenbindern
hatte eine Höhe von 34 Metern und eine Spannweite von
62 Metern, damals die größte in Kontinental-Europa.
Der Anhalter Bahnhof wurde zu einem internationalen
Knotenpunkt: Ab 1882 fuhren Züge unter anderem nach
Prag, Wien, Rom, Basel, Athen und Konstantinopel. Von 1933
bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde er für viele
Menschen zum Ausgangspunkt für die Flucht und Fahrt ins
Exil. 1936 ermöglichten sogenannte Palästina-Sonderzüge
jüdischen Flüchtlingen eine Ausreise nach Palästina. 1938/39
gingen von hier aus Kindertransporte nach Großbritannien,
das sich bereit erklärt hatte, eine begrenzte Anzahl jüdischer
Kinder aufzunehmen; dort wurden sie in Pflegefamilien
betreut, bis ihre Eltern nachkommen konnten. Viele Kinder
sahen ihre Eltern jedoch nicht mehr wieder. Ab Juni 1942
wurde der Anhalter Bahnhof zu einem der drei Berliner
Deportationsbahnhöfe: Insbesondere »Alterstransporte«
fuhren nach Theresienstadt ab. Obwohl der Bahnhof 1944
und 1945 bei Bombenangriffen stark beschädigt wurde,
konnte der Betrieb bereits im August 1945 wieder aufge-
nommen werden.
Mit der politischen Teilung Berlins verlor der Bahnhof an
Bedeutung und wurde schließlich am 18. Mai 1952 geschlos-
sen. Obwohl das Gebäude seit den 1930er Jahren unter
Denkmalschutz stand, wurde es 1959 gesprengt. Proteste
von Bürger*innen bewirkten zumindest einen Erhalt des
Portikus, der zwischen 2003 und 2005 saniert wurde.
Weitere Überreste des Bahnhofsgebäudes sind im Deutschen
Technikmuseum in den erhaltenen Lokschuppen des früheren
Bahnbetriebswerks Anhalter Bahnhof zu sehen.
ANHALTER BAHNHOF
(railway station) 1841–1959
When it went into operation in 1841, Anhalter Bahnhof was
on the city outskirts and regarded as Berlin's "gateway to
the south". It was the starting and the end point for the
Berlin-Anhalt Railway Company, which ran the first long-haul
railway route via Dessau to Köthen, where passengers could
connect to Leipzig and Halle.
The rapid increase in railway travel made it necessary to
expand the small terminus. After a construction period of
six years, a new station hall with a prestigious reception
building was opened. Berlin architect Franz Schwechten
designed the monumental building in the Neo-Renaissance
style using Greppiner bricks, which became typical for
Berlin railway buildings in the ensuing decades. The hall
structure with its iron trusses was 34 metres high and
spanned 62 metres across, making it the biggest in Conti-
nental Europe at that time.
Anhalter Bahnhof became an international hub. From 1882,
trains travelled from there to Prague, Vienna, Rome, Basel,
Athens and Constantinople. From 1933 until the outbreak of
World War II it became the starting point for many people
fleeing Germany and going into exile.
In 1936, special trains were run making it possible for Jewish
refugees to get to Palestine. In 1938/39, the so-called Chil-
dren's Transport left Anhalter Bahnhof heading for Britain,
which had declared its willingness to take in a limited number
of Jewish children. Once there, the children were cared for
in foster families until their parents could follow them.
Many children never saw their parents again. From June 1942,
Anhalter Bahnhof became one of Berlin's three deportation
stations, with transports of older people in particular leaving
from there for Theresienstadt. Although the station was badly
damaged during bomb attacks in 1944 and 1945, it was al-
ready back in operation in August 1945.
When Berlin became a divided city, the station became
less important and was ultimately closed on 18 May 1959.
Although the building has had protected status since the
1930s, it was demolished in 1959. Protests from Berlin
citizens at least led to the preservation of the portico,
which was refurbished between 2003 and 2005. Other
remains of the station building can be seen in the Deut-
sches Technikmuseum (German Museum of Technology)
in the preserved engine sheds of the former Anhalter
Bahnhof depot.
Auf der deutschen Inschriftseite steht unter dem Foto:
Franz Schwechten
Anhalter Bahnhof, Berlin, Hauptfassade des Empfangs-
gebäudes zum Askanischen Platz
Anhalter Bahnhof, Berlin, main facade of the reception
building facing Askanischer Platz
Auf der englischen Inschriftseite steht unter dem Foto:
Franz Schwechten
Anhalter Bahnhof, Berlin, Gleishalle von Süden
Anhalter Bahnhof, Berlin, rail hall from the south
Die Stele wurde gemeinsam vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg und dem Deutschen Technikmuseum Berlin ermöglicht. Design und Realisation lagen in den Händen von Helga Lieser. Eingeweiht wurde sie am 15.10.2020. Sie ergänzt die bereits am 27.1.2008 eingeweihte Stele zum Gedenken an die von hier aus erfolgten Deportationen in das KZ Theresienstadt.