Altes Stadthaus - Verfolgte städtische Bedienstete
Klosterstraße 47
Das Alte Stadthaus, 1911 von Ludwig Hoffmann
(1896-1924) als Erweiterungsbau für das Berliner
Rathaus errichtet, war unter anderem Sitz der Hoch-
und Tiefbaudeputation. Ihr Leiter war zunächst
Ludwig Hoffmann, ab 1926 Martin Wagner (1885-
1957), ein Verfechter des genossenschaftlichen
Wohnungsbaus und unter anderem an der Planung der Lindenhof-
sowie der Hufeisen-Siedlung und des Wannseebades beteiligt.
Nachdem 1933 die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland
übernommen hatten, wurde Wagner am 13. März des Jahres
beurlaubt, später aus politischen Gründen gekündigt, mit Berufs-
verbot belegt, zur Emigration gezwungen und
1940 ausgebürgert. Auch der im Stadthaus tätige
reformorientierte Stadtschulrat Jens Nydahl
(1883-1967) erhielt am 13. März 1933 die Entlassung
und musste seinen Lebensunterhalt bis 1945 als
Handels- und Anzeigenvertreter verdienen.
Wagner und Nydahl sind hier stellvertretend er-
wähnt für die vielen Berliner Stadtverordneten und
Magistratsmitglieder, die die nationalsozialistische
Reichsregierung verfolgen, vertreiben oder ermor-
den ließ.
Die nachgeschobene Legitimierung dieses Angriffs auf die Kommu-
nale Selbstverwaltung und das Leben ihrer Protagonisten stellte
oftmals das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamten-
tums« dar. Seine Verabschiedung am 7. April 1933 leitete eine
umfassende »Säuberung« zur Gleichschaltung des Öffentlichen
Dienstes ein. Betroffen waren Beamte,
Angestellte und Arbeiter, die als Gegner des NS-
Regimes galten, engagierte Vertreter der Weimarer
Republik, Sozialdemokraten, Kommunisten, Ge-
werkschafter, aber gemäß §3 auch die Beschäftig-
ten jüdischer Herkunft.
Wie viele Stadtverordnete, Magistratsmitglieder,
Beamte, Angestellte und Arbeiter auf diese Weise
aus dem öffentlichen Dienst entfernt wurden, ist
nicht bekannt.
The Alte Stadthaus, built in 1911 by Ludwig
Hoffmann as an addition to Berlin’s town hall, housed several
authorities, including the city planning department. The planning
department was headed by Ludwig Hoffmann until 1926. He was
succeeded by Martin Wagner (1885-1967), an advocate of co-opera-
tive housing construction, who was also involved in projects such
as the „Lindenhof” and „Hufeisen” residential
developments and the public bathing area on the
shores of lake Wannsee.
When the National Socialists came to power in
Germany in 1933, Wagner was suspended on
13 March of the same year and later dismissed for
political reasons. He was banned from exercising
his profession, forced into exile and stripped of his
citizenship in 1940. Another official who worked in
the Altes Stadthaus, the reform-minded head of the
city’s school board, Jens Nydahl (1883-1967),
was also dismissed on 13 March 1933. Until 1945, he had
to earn his living as a sales and advertising
representative.
Wagner and Nydahl are mentioned here as
examples of the many Berlin councillors and
officials persecuted, expelled or murdered by
the National Socialist government of the Reich.
The regime tried to retrospectively justify this attack on the municipal
administration with the „Law on the Reinstatement of a Professional
Civil Service”. With ist passage on 7 April 1933, a comprehensive
„cleansing” began, aimed at bringing the civil service into line with
the regime’s policies (Gleichschaltung). It affected civil servants, clerks and employees whor were considered opponents of the Na-
tional Socialist regime, active supporters of the Weimar Republic,
Social Democrats, Communists, trade unionists and, in accordance
with §3, employees of Jewish extraction.
To this day we do not know how many municipal parliamentarians
and councillors, civil servants, clerks and workers were removed
from the civil service in this manner.
Seit dem 3. November 2008 erinnert in deutscher und englischer Sprache diese schlanke, gerahmte Glastafel vor dem Alten Stadthaus an die städtischen Bediensteten, die unter dem Nationalsozialismus verfolgt wurden. Enthüllt wurden die Tafeln vom Senator für Inneres und Sport, Dr. Ehrhart Körting, und dem Geschäftsführer der Berliner Immobilienmanagement GmbH, Sven Lemiss. Beide Verwaltungen haben sie initiiert, finanziert wurden sie ebenfalls von ihnen mit Unterstützung der Senatskanzlei und des Landesdenkmalamts. Gestaltet wurde sie von Helga Lieser. Auf der rechten Seite zeigen sie vier Abbildungen, auf die im Text verwiesen wird. Die Tafel befindet sich links vom Eingang des Stadthauses in der Klosterstraße.