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Zwangsarbeit auf dem RAW-Gelände
Zwangsarbeit auf dem RAW-Gelände

Zwangsarbeit auf dem RAW-Gelände

Revaler Straße 99

ZWANGSARBEIT IM NATIONALSOZIALISMUS

[Spalte links]
Auf dem ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerk (RAW)
an der Warschauer Straße waren ab Frühjahr 1942 bis
zur Einnahme des Werks durch die Rote Armee am
24. April 1945 insgesamt etwa 2.500 Zwangsarbeiter be-
schäftigt. Während in Verwaltungsunterlagen für Mai 1942
eine Zahl von 286 Zwangsarbeitern aus acht Ländern an-
gegeben wird, wurden am Anfang des Jahres 1943 vor allem
sogenannte „Ostarbeiter“ aus den besetzten sowjetischen
Gebieten Russlands und der Ukraine nach Berlin zum Zwangs-
arbeitseinsatz auf dem RAW-Gelände verschleppt. Im Juni 1944
bestand die Belegschaft des RAW (exklusive Beamten und
Lehrlingen) zu 64% aus Zwangsarbeitern. Sie wurden gezwun-
gen, Schichten von zwölf Stunden absolvieren [sic!], in denen
schwere körperliche Arbeit zu leisten war, etwa in der Rad-
satzdreherei des Werkes.
Als das RAW im Februar 1944 bei alliierten Luftangriffen
bombardiert wurde, war den Zwangsarbeitern der Zugang
zum heute noch stehenden Bunkerturm verwehrt.

[Spalte mittig]
Die Zwangsarbeiter aus Russland und der Ukraine wurden ge-
nötigt, am sogenannten „Ostarbeitersparen“ teilzunehmen.
Dabei sollten sie für einen Teil ihres spärlichen Lohns Spar-
Marken erwerben, in dem Glauben, dass deren Gegenwert
an ihre Angehörigen ausgezahlt werden würde. Dies war vom
NS-Regime jedoch nie intendiert gewesen. Heute sind noch
98 dieser Sparkarten erhalten.
Untergebracht waren die auf dem RAW tätigen Zwangsarbeiter
in Barackenlagern in Groß-Ziethen, Grunewald und Kauls-
dorf. Der Großteil der männlichen Insassen des Lagers in
der Kaulsdorfer Straße 90 arbeitete wohl für das RAW. Tag-
täglich wurden die Zwangsarbeiter auf direktem Wege in
Sonderzügen vom Lager zum Arbeitseinsatz auf das RAW
und wieder zurückgebracht.

[Spalte rechts]
Die Zwangsarbeiter waren für den Arbeitsalltag in keiner
Weise ausreichend versorgt und ausgestattet. Oftmals ver-
fügten sie nur über die Kleidung, die sie zum Zeitpunkt ihrer
Verschleppung am Leib trugen und bekamen eine Garnitur
Arbeitskleidung samt Holzpantinen gestellt, die sie zudem
jeden Abend wieder abgeben mussten. Das untenstehende
Foto zeigt vermutlich einen sowjetischen Kriegsgefangenen,
der für die gestellte Szene mit für den Winter angemessener
Kleidung ausgestattet wurde. Das Bild wurde für die national-
sozialistische Propaganda im Rahmen der Teilnahme am so-
genannten Leistungskampf 1944 in der damaligen Radsatz-
dreherei des RAW aufgenommen.
Trotz kaum vorstellbarer Wohn- und Arbeitsbedingungen
unter ständiger Strafandrohung gelang es den Zwangsarbei-
tern, durch Ungehorsam eine Form des Widerstands zu leis-
ten. Immer wieder verließen sie ihren Arbeitsplatz oder das
Lager und fuhren heimlich ins Stadtinnere. Daneben wurden
großangelegte Fluchtversuche unternommen. Im August 1942
gelang es 96, im Oktober 1942 weiteren 42 Zwangsarbeitern
vom Gelände des RAW zu fliehen. Wie viele von diesen Men-
schen den Zwangsarbeitseinsatz überlebten und nach Hause
zurückkehren konnten, ist nicht bekannt.

Unterhalb der dreispaltigen Inschrift befindet sich dieser Erläuterungstext:
Warum dieser Schaukasten?
Drop In e.V. ist als freier Bildungsträger seit 2016 auf diesem Gelände tätig und wurde bald auf die Ereignisse zur Zeit des Nationalsozialismus aufmerksam. Seit geraumer Zeit
befasst sich der Verein mit der Thematik der NS-Zwangsarbeit vor Ort. Die Ergebnisse dieser Recherche werden in diesem Schaukasten dargestellt. Drop In e.V. wünscht sich,
dass die Auseinandersetzung mit der Geschichte dieses Geländes, insbesondere zur Zeit des Nationalsozialismus, in einem offenen Prozess weitergeführt wird.
Die Konzeption und Produktion dieser Informationstafel wurde ermöglicht durch eine Förderung des Fonds Sozialkultur.

Auf der Gedenktafel befinden sich mehrere Abbildungen mit folgenden Bildunterschriften:

[Spalte links]
Lageplan RAW Berlin - Wrs, 1944. Quelle: Stiftung Deutsches Technikmuseum I.2.049.0089 22

[Spalte mittig, oben]
Exemplarische Stempelkarte. Quelle:  Stiftung Deutsches Technikmuseum I.2.049.0660

[Spalte mittig, unten]
Skizze eines ehemaligen Zwangsarbeiters des
Weges vom Barackenlager in der Kaulsdorfer
Straße zum RAW Warschauer Straße
Quelle: Landesarchiv Berlin, D Rep. 123-01, Nr. 15

[Spalte rechts]
Propagandafoto. Quelle: Stiftung Deutsches Technikmuseum I.2.049.0497

 

Die Gedenktafel wurde von der Organisation Drop In - Forum für interkulturelle und politische Bildung e.V. initiiert und am 15.12.2022 in einem massiven Edelstahlrahmen auf dem Außengelände der Skatehalle enthüllt, siehe auch: https://taz.de/!5899179/ (zuletzt abgerufen am 29.12.2022). Zugänglich ist sie zu den Öffnungszeiten der Skatehalle.

Eine Broschüre “NS-Zwangsarbeit auf dem Gelände des Reichsbahnausbesserungswerks (RAW) an der Warschauer Straße” kann kostenlos vom Drop In e.V. bezogen werden (Stand Mai 2023).

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