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Insel Schwanenwerder - Zerstörte Kultur
Insel Schwanenwerder - Zerstörte Kultur

Insel Schwanenwerder - Zerstörte Kultur

Inselstraße

INSEL
SCHWANENWERDER
Eine zerstörte Kultur
Mit der Machtübertragung an die National-
sozialisten begannen 1933 auch auf Schwa-
nenwerder tief greifende Umwälzungen. Es
kam zu zahlreichen verfolgungsbedingten
Verkäufen von Grundstücken jüdischer
Eigentümer. Diese Verkäufe waren auch
vor dem 3. Dezember 1938, an dem die
„Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens“ in Kraft
trat, in den seltensten Fällen freiwillig: Wenn es sich nicht um
ausdrückliche Zwangsverkäufe handelte, so war der Anlass in
fast allen Fällen die mit der Emigration zu
zahlende „Reichsfluchtsteuer“ und weitere
Zwangsabgaben. Nutznießer war die NS-
Elite, die 1939 ein Drittel der Grundstücke
besaß, unter ihnen Joseph Goebbels, der
Architekt Albert Speer und Hitlers Leibarzt
Theodor Morell.
Angesichts der zunehmenden Diskriminie-
rung der jüdischen Bevölkerung verließ
Walter Sobernheim mit seiner Ehefrau
Deutschland bereits 1933. Der noch markt-
gerechte Verkaufspreis seines Anwesens wurde jedoch auf ein
„Auswanderersperrkonto“ überwiesen. Auch Werner Feilchenfeld
emigrierte 1934 frühzeitig. Seine beiden Grundstücke verkaufte er
an Alfred Gugenheim und die Ehefrau des
Landgerichtsrats Herbert Gidion. Beide sa-
hen sich 1938 zur Veräußerung gezwungen
und konnten rechtzeitig das Land verlassen.
Als Leo Goldstaub und seine Ehefrau 1934
auswanderten, ließen sie ihr Eigentum zu-
rück, das in ihrer Abwesenheit zwei Jahre
später unrechtmäßig versteigert wurde.
Georg Solmssen überschrieb 1936 die
Immobilie seiner protestantischen Ehefrau
und beide emigrierten. Dies ermöglichte
ihnen wenigstens, 1939 aus der Ferne Kaufverhandlungen ohne
die üblichen Schikanen zu führen und anschließend über das
Geld zu verfügen.
Samuel Goldschmidt und seine Frau wurden
nach ihrer Emigration 1938 zu einem un-
angemessen niedrigen Verkaufspreis ihres
Grundstücks gezwungen. Im selben Jahr
musste auch die Baronin Marie-Anne von
Goldschmidt-Rothschild ihr Eigentum zu
einem sehr geringen Preis veräußern.
Die Ehefrau des 1930 verstorbenen Arthur
Salomonsohn verließ 1939 gemeinsam mit
ihren beiden Söhnen das Land. Auch sie
erhielt keinen marktüblichen Gegenwert
für ihre Immobilie.
Die Erben des 1935 verstorbenen Kaufhausbesitzers Berthold
Israel, dessen Firma „arisiert“ wurde, konnten ihr Grundstück
zunächst durch die Vermietung an ein befreundetes Unternehmen
schützen. Nach ihrer Emigration im Jahr 1939 wurde ihnen aber
die Eintragung als rechtmäßige Erben in das Grundbuch verweigert
und ein Verwalter eingesetzt.
Die nationalsozialistische Vereinnahmung der Insel gipfelte im
Umbau des Landhauses Inselstraße 38 als „Reichsbräuteschule“,
in der ab 1938 die Verlobten von SS- und NSDAP-Funktionären
ideologisch auf ihre ehelichen Pflichten vorbereitet wurden.
Schwanenwerder blieb aufgrund der Ferne zum Zentrum Berlins
von Bombenangriffen weitgehend verschont. Bei Kriegsende war
die NS-Prominenz verschwunden.

An idyll destroyed
When the Nazis came to power in 1933,
radical changes also took place on
Schwanenwerder. Several Jewish house-
owners were forced to sell their properties.
Even before 3rd December 1938, when the
“decree on the use of Jewish assets” came into effect, these
sales were concluded under extreme pressure. If the owners
were not expressly forced to sell, most did so in order to pay
the “Reich flight tax” payable before emi-
gration or other newly introduced special
taxes. The beneficiaries were members of
the Nazi elite. By 1939, a third of the plots
were owned by prominent Nazis, including
Joseph Goebbels, the architect Albert Speer
and Hitler’s personal physician Theodor
Morell.
Walter Sobernheim and his wife left
Germany in 1933 to escape the increasing
anti-Semitic discrimination. They sold their
property at a fair price but the proceeds of the sale were trans-
ferred to a blocked “emigrants’ account”. Werner Feilchenfeld
emigrated soon after, in 1934. He sold his two properties to
Alfred Gugenheim and the wife of the
regional court judge Herbert Gidion. Both
were forced to sell again in 1938 and were
able to leave the country.
Leo Goldstaub and his wife left their proper-
ty behind when they emigrated in 1934.
Two years later, it was wrongfully auctioned
in their absence. Georg Solmssen conveyed
the ownership of his property to his
Protestant wife before they emigrated. In
this way, they were able to sell it in 1939
from abroad without the usual harassment and subsequently
have access to the proceeds
Samuel Goldschmidt and his wife were forced to sell their proper-
ty well below value after their emigration
in 1938. In the same year, Baroness Marie-
Anne von Goldschmidt-Rothschild was also
forced to sell her property at a very low
price. The widow of Arthur Salomonsohn,
who had died in 1930, left the country with
her two sons in 1939, never to receive an
equivalent sum for her property.
The heirs of the department store owner
Berthold Israel, who had died in 1935 and
whose business had been “Aryanized”, were
initially able to protect their property by renting it to a friendly
company. After their emigration in 1939, however, the authorities
refused to enter them in the land register as the rightful heirs
and the property was taken over by an administrator.
The Nazi takeover of the island climaxed with the conversion of
the country house at Insel Strasse 38 into a “Reich school for
brides” where the fiancées of SS and Nazi Party functionaries
were ideologically prepared for marriage.
In its secluded location away from the centre of Berlin, Schwanen-
werder escaped any substantial bomb damage. By the end of
the war, the high-ranking Nazis had disappeared.

Die hintereinander an der Gabelung der Inselstraße aufgestellten fünf Stelen sind ein Projekt des Aktiven Museums Faschismus und Widerstand in Berlin e.V. Im Auftrag des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten In Kooperation mit dem Kulturamt Steglitz-Zehlendorf. Das Design der Tafeln lag in den Händen von Helga Lieser. Die Enthüllung erfolgte am Nachmittag des 30.4.2013. Es sprachen Kulturstaatssekretär André Schmitz, die Vorsitzende des Vereins, Christine Fischer-Detroy, und der Inselbewohner und ehemalige Berliner Polizeipräsident Georg Schertz.
Die Broschüre zu den Tafeln als pdf-Datei unter "Schwanenwerder - Villenkolonie".
Alle fünf Tafeln haben Inschriften in deutscher und englischer Sprache. Entsprechend sind auch die Abbildungen beschriftet. Sie lauten hier von oben nach unten:
Wilfrid B. Israel
um 1930
Wilfrid B. Israel
around 1930

Dr. Werner Feilchenfeld
um 1930
Dr. Werner Feilchenfeld
around 1930

Zufahrt zur
„Reichsbräuteschule”
1938
On the drive leading
to the „Reich school
for brides”, 1938

Hausputz in der
„Reichsbräuteschule”
1938
House cleaning in
the „Reich school
for brides”, 1938

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