Scala-Theater
Martin-Luther-Straße 16
Hier an der ehemaligen Lutherstraße 22-24
(heute: Martin-Luther-Straße 14-18) eröffnete
1920 das berühmte Varieté-Theater SCALA.
Die neun Gesellschafter der Scala-Theater
GmbH bewiesen unter der Geschäftsführung
von Jules Marx großes Geschick beim Betrieb
des Varietés. Sie entwickelten die SCALA zur weltbekannten
Varieté-Bühne - neben dem älteren Wintergarten. Bestärkt
durch die Erfolge expandierte das Unternehmen, eröffnete
1929 das “Volksvarieté” PLAZA im Berliner
Osten, verschuldete sich mit weiteren Varieté-
Projekten und geriet mit der Weltwirtschafts-
krise in finanzielle Abhängigkeit von seinen
Gläubigerbanken.
Nach der Machtübernahme gingen die National-
sozialisten 1933 wegen der jüdischen
Herkunft der Gesellschafter, der meisten
leitenden Mitarbeiter und vieler Künstlerin-
nen und Künstler mit Boykottaufrufen und
Störaktionen gewaltsam gegen die SCALA
vor. Jules Marx (1882-1944) musste die Geschäftsführung
niederlegen. Er verließ Deutschland kurz darauf, wurde 1939
in Frankreich inhaftiert, 1943 ausgeliefert und kam im KZ
Sachsenhausen zu Tode. Der Scala-Konzern
wurde unter aktiver Beteiligung der Dresdner
Bank in den Jahren 1933-35 schrittweise
“arisiert”. Eine Varieté-Betriebs GmbH ohne
jüdische Beteiligung führte die SCALA weiter.
Den Betrieb der PLAZA übernahm die national-
sozialistische “Deutsche Arbeitsfront”.
1949 kehrte Karl Wolffsohn (1881-1957),
Mitbegründer, Miteigentümer und kurzzeitig
Geschäftsführer der SCALA, aus Israel nach
Berlin zurück. Als Opfer nationalsozialistischer
Verfolgung stritt er - auch im Namen weiterer Gesellschafter
- vor den Wiedergutmachungsämtern von Berlin letztlich ver-
geblich um die Rückerstattung der Scala durch die Varieté-
Betriebs GmbH. Von der Dresdner Bank
forderte er den Wert der PLAZA mit Zinsen.
Die Bank antwortete mit einer Gegenklage
und verlangte die Erfüllung angeblich noch
bestehender Kreditbürgschaften der Gesell-
schafter. Das Verfahren endete 1961 mit
einem Vergleich, der diese Bezeichnung
nicht verdiente, weil er die jüdischen Gesell-
schafter zwang, auf jede Entschädigung zu
verzichten. Der Berliner Bankenaufsicht
genügte das jedoch nicht: Um die Dresdner
Bank vom “Verdacht eines unkorrekten oder gar strafbaren
Verhaltens ... zu reinigen”, mussten die jüdischen Kläger
auch die gegnerischen Anwaltskosten übernehmen. Bis in
die 1960er-Jahre wurde auf diese Weise eine
sogenannte Wiedergutmachung auf Kosten
der Opfer betrieben.
The Scala
here, at what was Lutherstraße 22-24
(today: Martin-Luther-Straße 14-18), was
where the renowned variety theater SCALA
opened in 1920. Under the management of
Jules Marx, the nine shareholders of the
Scala Theater GmbH (Ltd.) demonstrated
great business acumen in running the cabaret, turning the
SCALA into a world famous stage - alongside the older
Wintergarten. Buoyed by success, the company expanded and
opened the Volksvarieté PLAZA, in eastern
Berlin in 1929. It accumulated debts with
further cabaret projects and, in the course of
the global economic crisis, became financially
dependent on its creditor banks.
When the National Socialists seized power
in 1933, they took violent action against the
SCALA organising boycotts and disrupting
events because of the Jewish origins of its
shareholders, most of its senior staff and
many artists. Jules Marx (1882-1944) had
to step down as managing director.
He left Germany, was arrested in France in 1939, extradited
in 1943 and met his death in Sachsenhausen concentration
camp. In the years that followed, the Scala
business was gradually “aryanised” with
the active participation of Dresdner Bank.
A cabaret company without Jewish share-
holders continued the SCALA’s operations.
PLAZA was taken over by the National
Socialist Deutsche Arbeitsfront (German
Labour Front).
In 1949, Karl Wolffsohn (1881-1957), co-
founder, co-owner and briefly managing
director of SCALA, returned from Israel to
Berlin. As a victim of National Socialist persecution, he
applied to the Berlin Offices of Restitution - on his own
and other shareholders’ behalf - for the return of the SCALA
by the company running it. He sued the
Dresdner Bank for the value of the PLAZA
with interest. The bank responded with a
countersuit, demanding payment by the
shareholders of loan guarantees allegedly
still valid. The proceedings ended in 1961
with a compromise settlement unworthy
of the name because it obliged the Jewish
shareholders to forego all compensation.
But this was not enough for Berlin’s banking
regulators: In order to “cleanse the Dresdner
Bank of suspicion of incorrect or even criminal behaviour”,
the Jewish plaintiffs also had to assume the defendants’
legal costs. These so-called restitution procedures were
applied until well into the 1960s at the
expense of the victims.
Neben der Inschrift (Südseite Deutsch, Nordseite Englisch) über das Varieté befinden sich übereinander sechs Fotos mit folgenden Unterschriften (v.o.n.u.):
Programmheft, April 1929
Programme booklet, April 1929
Karl Wolffsohn, 1956
Jules Marx (links), ohne Jahr
Jules Marx (left), no date
Die Scala Girls, 1929
The Scala Girls, 1929
Eingang, 1928
Entrance portal, 1928
Abriss, 1966
Demolition, 1966
Eröffnungstag der Scala war der 2. November 1920 (https://fes.imageware.de/fes/web/index.html?open=VW37517&page=2)
Die gut zwei Meter hohe Stele aus Kunstglas ist mit einem Stahlrahmen geschützt und steht auf öffentlichem Straßenland vor dem Haus Nr. 16. Enthüllt wurde sie am 24.7.2018. Zur Enthüllung sprachen der Senator für Kultur und Europa, Dr. Klaus Lederer und Prof. Dr. Michael Wolffsohn, der die Tafel initiierte und ihre Herstellung unterstützte.
Hergestellt wurde die Tafel im Auftrag der Senatsverwaltung für Kultur und Europa. Design und Realisation lagen in den Händen von Helga Lieser.
Jules Marx, Frankfurt/Main 2.6.1882 - KZ Sachsenhausen 8.5.1944
Karl Wolffsohn, Wollstein/Provinz Posen [Wolsztyn/Polen] 16.5.1881 - Berlin 6.12.1957