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Sammellager Tattersall
Sammellager Tattersall

Sammellager Tattersall

Kruppstraße / Feldzeugmeisterstraße

Sammellager Tattersall
Zwischen dem 27. Februar und 2. März 1943 befand sich auf diesem
Gelände ein Sammellager der Geheimen Staatspolizei (Gestapo).
In einer Reithalle der Wehrmacht sperrte sie über 1.000 Jüdinnen
und Juden ein und deportierte sie von dort in das Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau.

EIN SAMMELLAGER DER „FABRIKAKTION“
Historischer Standort: Feldzeugmeisterstraße 18

1941 begann die Gestapo, Jüdinnen und Juden vor
aller Augen in Ghettos und später in Vernichtungs-
lager zu deportieren. Die Infrastruktur der Depor-
tationen aus Berlin befand sich größtenteils im
heutigen Bezirk Mitte. Am 27. Februar 1943 und
den darauffolgenden Tagen verhaftete die Gestapo
in der ganzen Stadt rund 7.000 Jüdinnen und
Juden vor allem an ihren Arbeitsstellen, in ihren
Wohnungen oder bei Straßenrazzien. Diese
Verhaftungswelle wird heute als „Fabrikaktion“
bezeichnet. Die Gestapo zwang die Verhafteten
in verschiedene Großräume, darunter hier in die
Reithalle. „Als wir ankamen“, so erinnert sich
eine Krankenschwester an das Sammellager,
„waren vielleicht schon 800 Menschen da, völlig
verstört, frierend in ihren dünnen Arbeitskitteln,
hungrig von der Arbeit […]. […] Mütter schrien nach
ihren Kindern, die zu Hause auf sie warteten, die
Männer bangten um ihre Frauen, die [in] anderen
Fabriken arbeiteten, die jungen Mädchen weinten
und klagten um die alten Eltern, die hilfsbedürftig
und ohne Hilfe zu Hause saßen. […] [M]an schrie
nach […] einem Schluck heißen Kaffee, nach einem
bisschen Stroh, um sich hinzusetzen, denn es
war ja der schmutzige, rohe, feuchte Lehmboden
eines Pferdestalls unter ihren Füßen […].“*
Anfang März 1943 deportierte die Gestapo die
Verhafteten vom Güterbahnhof Moabit mit dem
31. und 32. „Osttransport“ in das Vernichtungs-
lager Auschwitz-Birkenau.

TATTERSALL Die Bezeichnung geht auf den Namen
eines englischen Stallmeisters zurück, der im 18.
Jahrhundert eine Reitanlage zur Unterstellung und
zum Verkauf von Pferden mitsamt Wettbüro in
London betrieb. Das Geschäftsmodell und somit
auch der Name verbreiteten sich später in Deutsch-
land. Der Tattersall in Moabit entstand als Teil des
Kasernenkomplexes. Nach 1945 erfolgte der Ge-
bäudeabriss. Heute nutzt die Polizei das Gelände.

* Das Ende einer Gemeinde. Eine Krankenschwester berichtet,
in: Gerhard Schoenberner, Zeugen sagen aus, Berlin 1993, S. 323–327, 326.

Assembly Camp Tattersall
From February 27 to March 2, 1943, an assembly camp of the Secret
Police (Gestapo) was located on these premises. They locked up more
than 1,000 Jewish women and men in a riding arena, the so-called
Tattersall, and deported them from there to the Auschwitz-Birkenau
extermination camp.

AN ASSEMBLY CAMP OF THE “FABRIKAKTION”
Historical location: Feldzeugmeisterstrasse 18

In 1941, the Gestapo began to seize Jews in plain
view of the public and to deport them to ghettos
and later extermination camps. The infrastructure
for the deportations was located mainly in the
present Berlin district of Mitte. On February 27,
1943, and in the following days, the Gestapo
arrested around 7,000 Jews from throughout
Berlin, particularly at their places of work, in their
apartments, or in street razzias. This wave of arrests
is now known as the “Fabrikaktion” (Factory Action).
The Gestapo crammed them together in various
large buildings, including the riding arena here in
Moabit. “When we arrived,” recalls a nurse about
the assembly camp, “there were already around
800 people there, completely distraught, freezing
in their thin work clothes, hungry as they came
from work […]. Mothers shouted for their children,
who were at home waiting for them, men feared for
their wives who worked in other factories, young
girls cried and lamented about their old parents
who needed help but were alone at home. […]
People called out […] for a sip of hot coffee and
a bit of straw to sit on, because they had a dirty,
rough, moist clay floor of the horse stable under
their feet […].”*
At the beginning of March 1943, the Gestapo
deported the detained in the 31st and 32nd
“East transports” from the Moabit freight yard
to the Auschwitz-Birkenau extermination camp.

THE TERM TATTERSALL goes back to the name of an
English horsebreeder and auctioneer who had a
riding facility in London in the 18th century where
horses were kept and sold, as well as a betting
office. This business model, and thus the name,
later spread to Germany. The Tattersall in Moabit
was built as part of a barracks complex. The buil d-
ing was torn down after 1945. The grounds are
now used by the police.

* Das Ende einer Gemeinde. Eine Krankenschwester berichtet,
in: Gerhard Schoenberner, Zeugen sagen aus, Berlin 1993, S. 323–327, 326.

Auf Initiative des Bezirksamts Mitte und in Kooperation mit dem Verein Aktives Museum wurde im Jahr 2022 durch die Senatsverwaltung für Kultur und Europa eine Historische Informationstafel des Landes Berlin zur Erinnerung an das Sammellager Tattersall errichtet. Den Text verfasste der Historiker Thomas Irmer, Design und Realisierung lagen bei Helga Lieser.

Die Historische Informationstafel befindet sich an der Ecke Kruppstraße / Feldzeugmeisterstraße vor dem heutigen Areal der Polizeidirektion 3, Abschnitt 33. Der historische Tattersall auf dem Gelände wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen.

Die Bildunterschriften in jeweils deutscher und englischer Sprache lauten v.o.n.u:

Ausschnitt Gelände Kaserne Rathenower Straße, Berlin 2012
mit Standortmarkierung des ehem. Tattersallgebäudes (rot)
Landesarchiv Berlin, HistoMap Berlin
Map section of Berlin-Moabit showing the former barracks at
Rathenower Strasse and the Tattersall (red)
Landesarchiv Berlin, HistoMap Berlin, 2012

Lageplan Kasernen- und Exerzierplatz-Gelände, 1896
aus: Berlin und seine Bauten, II. und III. Der Hochbau, Berlin 1896.
Site map of the barracks and parade grounds, 1896
from: Berlin und seine Bauten, II. und III. Der Hochbau, Berlin 1896

Ausschnitt Gelände Kaserne Rathenower Straße, Berlin 1940
Landesarchiv Berlin, HistoMap Berlin
Detail of the grounds of the barracks at Rathenower Strasse,
Berlin 1940
Landesarchiv Berlin, HistoMap Berlin

Reithaus 2 auf dem Kasernengelände, Ostseite
Riding house 2 on the barracks area, east side
Aufnahme vom 9.6.1952, Foto: Architekturbüro Möbius &
Willmanowski, Landesarchiv Berlin (Depositum Mitte Museum)
Riding house 2 on the barracks area, west side
Reithaus 2 auf dem Kasernengelände, Westseite
Photo from July 9, 1952, photo: Architekturbüro Möbius &
Willmanowski, Landesarchiv Berlin (deposited: Mitte Museum)

 

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