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NS-Zwangslager Marzahn - Zwangsarbeit

NS-Zwangslager Marzahn - Zwangsarbeit

Otto-Rosenberg-Platz

Zwangsarbeit
Forced Labour

(Die deutschen Bildunterschriften der Vorderseite lauten):
Ausweis des Zwangsarbeiters Jan K. bei der Berliner Motorenfabrik Ziehl-Abegg, Berlin-
Weißensee, 1943.

Vermerk der Kriminalpolizeileitstelle Berlin, Dienststelle für Zigeunerfragen, vom 9. August
1944: Jan K. entging aufgrund der »Sperrung des KL Auschwitz« der Deporation nach
Auschwitz-Birkenau. Die sogenannte »Sperrung des KL Auschwitz« folgte der Auflösung des
»Zigeunerlagers« in Auschwitz-Birkenau, bei der die dort internierten Sinti und Roma in der
Nacht vom 2./3. August 1944 ermordet wurden.

Vermerk der Kriminalpolizeileitstelle Berlin, Dienststelle für Zigeunerfragen, vom August 1944.
Die Kriminalpolizeileitstelle in Berlin erfasste Jan K. als »Zigeuner« und verpflichtete ihn zum
Arbeitsdienst bei Ziehl-Abegg sowie zum Zwangsaufenthalt in Berlin-Marzahn.

(englische Bildunterschriften):
Identity card for Jan K., a forced labourer at the Ziehl-Abegg Engine Factory, Berlin-
Weißensee, 1943.

File note from the Berlin police criminal investigation branch, Office for Gypsy Affairs, dated
9 August 1944. J.K. avoided deportation to Auschwitz-Birkenau because Auschwitz
concentration camp was “blocked”. This “blocking” followed the dissolution of the Gypsy
camp in Auschwitz-Birkenau when the Sinti and Roma interned there were murdered in the
gas chambers on the night of 2/3 August 1944.

File note from the Berlin police criminal investigation branch, Office for Gypsy Affairs, dated
August 1944. The detective police in Berlin registered Jan K. as a Gypsy, drafted him to work
at the Ziehl-Abegg factory and forced him to stay in Marzahn internment camp.


Zwangsarbeit

Die im Lager Marzahn internierten Männer und Frauen,
darunter auch Jugendliche und Alte, wurden in der
Landwirtschaft, den Betrieben der umliegenden Bezirke
und ab Herbst 1941 auch in der Rüstungsindustrie zur
Zwangsarbeit herangezogen. Für die Arbeitsbedingungen
und den Umgang mit den Zwangsarbeitern wurden
strikte Vorschriften erlassen. Die Umsetzung dieser
Vorgaben lag jedoch durchaus im Ermessen des
jeweiligen Betriebes. Die Folgen dieser Richtlinien
waren dennoch in der Regel: niedrigste Bezahlung
bei gleichzeitiger Zusatzbesteuerung, Zuweisung zu
Schwerstarbeiten und Streichung der Schwerarbeiter-
zulage bzw. der Lebensmittelzuteilungen sowie Aus-
schluss von der Gemeinschaftsverpflegung. Kontakt zu
den sogenannten deutschblütigen Arbeitskollegen war
nur begrenzt erlaubt.
»Dann wurde ich von der Gemeinschaftsverpflegung
beim Mittagessen ausgeschlossen. Das war das Furcht-
barste. Können Sie sich das vorstellen? Ich hatte keinem
Menschen was getan und war in meinem Denken und in
meiner Handhabung doch noch ein Kind. Ich durfte auch
nicht mehr an den Frühstückstisch, wo alle meine Kollegen
frühstückten. (…) Ich musste mein Brot auf einem Holz-
stapel draußen auf dem Hof essen.« (Otto Rosenberg,
Das Brennglas, Berlin 1998)
Wer sich dem Arbeitseinsatz widersetzte, dem drohte
die Einweisung in ein Konzentrationslager. Auch ein
durch Krankheit bedingtes Fernbleiben von der Arbeit
hatte Konsequenzen – wie etwa eine Meldung des
Betriebes an die Kriminalpolizei.
»1938 wurde ich in einem Rüstungsbetrieb in der Stralauer
Siemens-Glasfabrik dienstverpflichtet. Ich bekam den
niedrigsten Stundenlohn in Höhe von 38 Pfennig und
musste schwere Arbeit verrichten, ohne Schwerarbeiter-
zulage. Auch mit hohem Fieber musste ich zur Arbeit
gehen. Ein jüdischer Arzt, er trug einen Judenstern, war
für das gesamte Lager zuständig. Es war ihm verboten,
uns arbeitsunfähig zu schreiben.« (Camba Franzen,
Interview 1995).


Forced Labour

The men and women interned in Marzahn
camp, including young and old people, were drafted to
forced labour in agriculture, in factories in the surround-
ding districts and also, from autumn 1941, in the arma-
ments industry. Strict regulations governed working
conditions and treatment of forced labourers. Of course,
individual firms could use their discretion an applying the
regulations. Yet the rules generally meant that forced
labourers received very low pay with extra taxation,
were assigned the hardest jobs, and were deprived of
their heavy work bonus or food allowances or excluded
from communal provisions. Only limited contact was
permitted between forced labourers and their fellow
workers with supposedly “German blood”.
“Next I was excluded from the community meal at lunch-
time. That was the most terrible thing. Can you imagine
something like that? I hd not harmed anybody and was
still a child in my thoughts and my actions. I was also
no longer allowed to sit at the breakfast table where all
my colleagues were having breakfast. (…) I had to eat
my bread outside on a timber pile in the yard.”
(Otto Rosenberg, A Gypsy in Auschwitz, London 1999)
People who resisted doing forced labour risked being
sent to a concentration camp. Absence from work, even
due to illness, could have serious consequences – such
as the firm reporting the worker to the criminal investi-
gation police.
“In 1938 I was drafted to work at an armaments plant,
the Stralauer-Siemens Glass Factory. I earned the lowest
hourly wage of 38 Pfennig and had to do heavy jobs
without getting the usual extra pay for heavy work. I
had to go to work even with a high fever. A Jewish doctor
(who wore the yellow star for Jews) was responsible for
the whole camp. He was not allowed to write medical
certificates to excuse us from work.” (Camba Franzen,
interview, 1995)


(Die deutschen Bildunterschriften der Rückseite lauten):
Der Oberbürgermeister der Reichshauptstadt Berlin, Haupternährungsamt, an die Bezirks-
bürgermeister, 13. Mai 1942, verfügte mit diesem Rundschreiben die Streichung der Zulage-
verpflegung für Sinti und Roma.

Schnellbrief des Oberbürgermeisters der Reichshautstadt Berlin, Haupternährungsamt, an
die Bezirksbürgermeister, betrifft »Zulagekarten für Zigeuner«, 26. Oktober 1942.

Als Insasse des Lagers Marzahn musste Otto Rosenberg für die Maschinenfabrik Danneberg
& Quandt in Berlin-Lichtenberg Zwangsarbeit leisten. Die Schwerarbeiterkarte und die damit
verbundene Zusatzverpflegung wurden dem 15-jährigen verweigert. Berlin, 23. Mai 1949.

Anzeige der Firma Dipl. Ing. A. Cl. Hofmann & Co. bei der Berliner Kriminalpolizei, »Dienst-
stelle für Zigeunerfragen«, 20. August 1942. Die Firma zeigte der Kriminalpolizei drei Sinti
wegen sogenannter Arbeitsbummelei an. In schweren Fällen bestrafte die Polizei die Ge-
meldeten mit mehrwöchiger Haft in einem Arbeitserziehungslager oder mit der Einweisung
in ein Konzentrationslager.

(englische Bildunterschriften der Rückseite):
Letter from the central office for nutrition at the office of the mayor of Berlin, the Reich
capital, to local district mayors, 13 May 1942. This circular ordered cancellation of extra
rations for Sinti and Roma.

Express letter from the central office for nutrition at the office of the mayor of Berlin, the Reich
capital, to local district mayors regarding extra ration cards for Gypsies, 26 October 1942.

As an internee in Marzahn camp, Otto Rosenberg had to do forced labour for Danneberg &
Quandt, a mechanical equipment firm in Berlin-Lichtenberg. The letter confirms that as a 15-
year-old he was refused the identity card for heavy workers that would have entitled him to
extra rations, Berlin, 23 May 1949.

Complaint by the firm Hofmann & Co. to the Office for Gypsy Affairs at the Berlin police
criminal investigation department about alleged absenteeism of three Sinti forced
labourers, 20 August 1942. In serious cases the police punished the accused with weeks
of detention in a correctional labour camp, or sent them to concentration camps.

2011 entstand dieser Ort der Erinnerung und Information am authentischen Standort, bestehend aus insgesamt elf Metallstelen. Die Tafeln informieren über die Geschichte des Lagers und erinnern an das Schicksal der dort internierten Menschen, darunter vier biografische Tafeln. Detaillierte Informationen zu den elf Stelen finden sich im Erläuterungstext bei "NS-Zwangslager Marzahn - Sinti und Roma". Weitere Informationen und Kontakt: www.gedenkstaette-zwangslager-marzahn.de

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