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NS-Zwangslager Marzahn - Rassenhygienische Forschungsstelle

NS-Zwangslager Marzahn - Rassenhygienische Forschungsstelle

Otto-Rosenberg-Platz

Rassen-
hygienische
Forschungs-
stelle

Nazi Racial Ideology and Practice

(Die deutschen Bildunterschriften der Vorderseite lauten):

Blutabnahme einer jungen Sinteza durch Robert Ritter, zwischen 1936 und 1942.

»Gutachtliche Äußerung« der Rassenhygienischen Forschungsstelle Berlin-Dahlem, um 1940.

(englische Bildunterschriften der Vorderseite):

Robert Ritter taking a blood sample from a young Sinti woman, between 1936 and 1942.

„Advisory statement“ from the Institute of Racial Hygiene in Berlin-Dahlem, around 1940.

Rassenhygienische und Bevölkerungsbiologische Forschungsstelle

Entsprechend der Rassenideologie der Nationalsozia-
listen zählten Sinti und Roma zu den »außereuropäischen
Fremdrassen«; demzufolge waren sie von den gesetz-
lichen Ausführungsvorschriften der Nürnberger Rassen-
gesetze wie beispielsweise dem »Verbot der Rassen-
mischehen« betroffen.
In seinem Runderlass vom 8. Dezember 1938 verfügte
Heinrich Himmler, Reichsführer SS und Cheff der Deut-
schen Polizei im Reichsministerium des Innern, »die
Regelung der Zigeunerfrage aus dem Wesen dieser
Rasse heraus in Angriff zu nehmen«. Mit der »rassischen
Erfassung und Klassifizierung der Zigeuner« beauftragte
Himmler die »Rassenhygienische und Bevölkerungs-
biologische Forschungsstelle« im Reichsgesundheitsamt
Berlin unter Leitung des Arztes und »Rassenforschers«
Dr. Robert Ritter. In enger Zusammenarbeit mit dem
Reichssicherheitshauptamt erstellte das Institut etwa
24.000 »Gutachtliche Äußerungen«, die von Ritter und
seiner Stellvertreterin Eva Justin unterzeichnet wurden
und Aufschluss über die angebliche »Rassenzugehörig-
keit« geben sollten.
»Es kamen die Rassenforscher; die haben uns vermessen.
Das Gesicht, die Augen, die Haarfarbe usw. Dann haben sie
uns Blut abgenommen.« (Peter Böhmer, Interview 2009)
Sinti und Roma mussten für »rassenbiologische
Untersuchungen und Befragungen zur Verfügung
stehen. Nicht selten kam es dabei zu Demütigungen
und Misshandlungen.
»Ich kann mich an eine mindestens achtzig Jahre alte
große, kräftige Frau erinnern. (…) Sie hatte wohl nicht die
Wahrheit gesagt oder nicht das, was die Justin und der
Dr. Ritter wissen wollten, und war weggelaufen (…). Sie
wurden von den beiden mit Hilfe der Polizei aufgestöbert
(…). Dann haben sie ihr die Haare abgeschnitten. (…) Es
war schon kalt, und da übergossen sie sie auch noch mit
eiskaltem Wasser, und sie mußte auf der Stelle stehen
bleiben und war, glaube ich, innerhalb von drei Tagen tot.«
(Otto Rosenberg, Das Brennglas, Berlin 1998)
Ritter und Justin waren nach 1945 im Gesundheitsdienst
der Stadt Frankfurt am Main tätig. Die gegen sie ein-
geleiteten Ermittlungsverfahren wurden »mangels
Beweises« eingestellt.

Nazi Racial Ideology and Practice

According to Nazi
racial ideology, Sinti and Roma belonged to the “non-
European alien races”. They were affected by the legal
prescriptions of the Nuremberg Laws on race, such as
the ban on interracial marriages.
On 8 December 1938 from Heinrich Himmler, head
of the SS and chief of the German police in the Reich
Interior Ministry issued a circular decree ordering that
“the Gypsy question should be dealt with according to
the nature of this race.” Himmler commissioned the
Institute for Racial Hygiene and Population Biology in
the Reich Health Office in Berlin, headed by Dr. Robert
Ritter, a medical doctor and race researcher, to
“register and classify the Gypsies on a racial basis.”
Working closely with the Reich Security Main Office,
the institute, which was headed by Dr. Robert Ritter, a
medical doctor and race researcher, compiled around
24,000 “advisory statements” signed by Ritter and his
deputy, Eva Justin. They were supposed to provide
information about imputed “racial affiliation”.
“The race researchers came and took measurements of
our faces, eyes, colour of hair, etc. Then they took blood
samples from us.” (Peter Böhmer, interview, 2009)
Gypsies had to be available for examinations and
questioning related to “racial biology”. This often led
to humiliation and brutal treatment.
“I remember a big, strong old woman of at least eighty.
(…) Maybe she had not told (…) what Justin and Dr.
Ritter wanted to hear, and had run away… The two of
them had run her to earth there with the helb of the
police, and brought her back. Then they cut off her hair.
(…) It was already cold, and then they even poured ice-
cold water over her and she had to stand still on the
spot, and was, I believe, dead within three days…”
(Otto Rosenberg, A Gypsy in Auschwitz, London 1999)
After 1945, Ritter and Justin worked in the City health
service in Frankfurt am Main. Proceedings against them
were dropped for lack of evidence.

(Die deutschen Bildunterschriften der Rückseite lauten):

Mitarbeiter der »Rassenhygienischen Forschungsstelle« bei der Schädelvermessung eines
Jungen, 1938.

Anweisung an die Gesundheitsämter zum Verbot der Eheschließung zwischen »Zigeunern«
und »deutschblütigen Personen«, Berlin, Juni 1941. In Ergänzung der Nürnberger Gesetze
vom September 1935 wurden am 26. November 1935 auch Eheschließungen von Sinti und
Roma mit »deutschblütigen Personen« verboten.

Robert Ritter (rechts) in Begleitung eines Polizeiinspektors beim Verhör einer Sinteza, um 1936.

Eva Justin, Mitarbeiterin der »Rassenhygienischen Forschungsstelle« bei der Befragung,
um 1939.

Eine Mitarbeiterin der »Rassenhygienischen Forschungsstelle« bei der Bestimmung der
Augenfarbe einer jungen Sinteza, um 1939.

(englische Bildunterschriften der Rückseite):

A staff member from the Institute of Racial Hygiene measuring a boy’s skull, 1938.

Instruction to health offices on the ban on marriages between “Gypsies” and “persons
of German blood”, Berlin, June 1941. An ancillary ordinance of 26 November 1935 to the
Nuremberg Laws of September 1935 prohibited marriages between Sinti and Roma and
“persons of German blood”.

Robert Ritter (right), with a police inspector, questioning a Sinti woman, around 1936.

Eva Justin from the Institute of Racial Hygiene questioning Gypsies, around 1939.

A staff member from the Institute of Racial Hygiene determining the colour of a young Sinti
woman’s eyes, around 1939.

2011 entstand dieser Ort der Erinnerung und Information am authentischen Standort, bestehend aus insgesamt elf Metallstelen. Die Tafeln informieren über die Geschichte des Lagers und erinnern an das Schicksal der dort internierten Menschen, darunter vier biografische Tafeln. Detaillierte Informationen zu den elf Stelen finden sich im Erläuterungstext bei "NS-Zwangslager Marzahn - Sinti und Roma". Weitere Informationen und Kontakt: www.gedenkstaette-zwangslager-marzahn.de

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