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Nikolai Wladimirovich Timoféeff-Ressovsky

Moskau 20.9.1900 - Obninsk 28.3.1981

Robert-Rössle-Straße 10

Nikolai Wladimirovich
Timoféeff-Ressovsky
1900 - 1981
Russischer Genetiker, Biophysiker und
Wegbereiter der molekularen Genetik
lebte und arbeitete 1931 bis 1945
am Kaiser-Wilhelm-Institut für
Hirnforschung in Berlin-Buch

In seiner 1987 erschienenen dokumentarischen Novelle „Zubr" (deutsch: "Der Genetiker") erzählte der Schrift­steller Daniil Gra­nin die Geschichte des russischen Wissenschaftlers, der nach seinem Studium in Moskau (nach einer Quelle bereits seit 1925) in Berlin wirkte. Er wurde von dem deutschen Hirnforscher und Zoo­logen Oskar Vogt  eingeladen, als wissen­schaftlicher Mitarbeiter an seinen Forschungen zur geneti­schen Variabilität der Hum­meln mitzuwirken. Timofejew-Ressowskij kam mit seiner Frau Jelena und seinem zwei­jährigen Sohn Dmitrij (genannt Foma) und wurde innerhalb weniger Jahre durch eigenständige Arbeiten zur Evolutionstheorie und zur Größenbestimmung der Gene international bekannt. In den 30er Jahren lehnte er ab, in die Sowjetunion zurückzukehren, seine Lehrer wurden Opfer der stalinistischen Verfolgung. In der Nazizeit halfen die Timofejews verfolgten jüdischen und russischen Wissenschaftlern (Foma war führendes Mitglied einer Wider­standsgruppe, die Kriegsgefangenen falsche Dokumente verschaffte und geflohene Ostarbeiter versteckte. Er wurde verhaftet und starb 1945 im Konzentrationslager Mauthausen), aber auch anderen Verfolgten (so zB dem als "Halbjuden" verfolgten Lutz Rosenkötter). Im Som­mer 1945 wurde Timofejew-Ressowskij verhaftet und in Moskau zu Lagerhaft verurteilt. Die Sowjet­union aber wollte nicht auf die Kreativität des großen Wissen­schaftlers verzichten. Schon 1947 wurde er in ein im Ural gelegenes Institut für Biologie abkommandiert; arbeitete später am Institut für medizinische Radiologie an Versuchen zur Einwirkung von radioaktiver Strahlung auf Pflanzen und Tierkörper, in Wasser- und Bodenbiotopen. Er erforschte die Wirkung der Strah­len auf die mensch­lichen Erbanlagen. Die von dem ihm mitentwickelte Treffertheorie besagt, daß die Mutation des Erbmaterials Produkt einer chemischen Kettenreaktion ist, die von (radioaktiven) „Treffern" ausgelöst wird. Das Ausmaß der Mutation ist der Strahlendosis proportional (Eintreffermechanismus); die tödliche Wirkung tritt durch Inaktivierung des geneti­schen Materials (Mehrtreffermechanismus) ein. Nach Stalins Tod wurde er rehabilitiert, arbeitete von 1955-1969 an verschiedenen biologischen und radiologischen Instituten. Ab 1969 war er Berater am Gesundheitsministerium der UdSSR. Die Metalltafel ist links an der Fassade des Torhauses angebracht.

Die Kurzbiographie in der Kartei des Projekts "Stille Helden" der Gedenkstätte Deutscher Widerstand liest sich wie folgt: 

"Nikolai Wladimirowitsch Timofeeff-Ressovsky (auch: Timofejew-Ressowski) wurde am 7.9.1900 geboren. Gemeinsam mit Max Delbrück gilt er als Begründer der modernen Genetik. Er war mit der ebenfalls bekannten Genetikerin Elena Timofeeff-Ressovsky verheiratet. Auf Einladung des Berliner Hirnforschers Oskar Vogt kam das Ehepaar 1925 gemeinsam mit ihrem Sohn nach Berlin, um hier für das Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) zu forschen. 1937 wurde er von der sowjetischen Botschaft energisch dazu aufgefordert, in die UdSSR zurück zu kehren. Obwohl er keine antisowjetische Position vertrat, hatte er doch berechtigterweise Angst, nach der Rückkehr in die SU der stalinistischen "Säuberung" zum Opfer zu fallen. So blieb er in Deutschland. 1944 wurde sein 18jähriger Sohn Dmitrij verhaftet und nach Mauthausen verschleppt. Dort wurde er vermutlich Anfang 1945 ermordet. Nach Kriegsende wurde Timofeeff in Berlin vom NKWD verhaftet und in ein Lager in Kasachstan verschleppt. Ein Jahr später wurde er aus dem Lager entlassen und arbeitete von da an für ein Atomprogramm des sowjetischen Geheimdienstes. Er starb am 28.3.1981." 

Als Quelle wird dort angegeben: "Anette Vogt: Ein russisches Forscher-Ehepaar in Berlin-Buch, in: Berlinische Monatsschrift 08/98, S. 17-23  (KGeorg)"

Die Gedenktafel befindet sich auf dem Charité Campus Buch am Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin.

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