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Gedenkort Rummelsburg Gruppe E Horst Jänichen

Berlin 5.3.1931 - Berlin 24.12.2020

Friedrich-Jacobs-Promenade

[linke Spalte]
Als 15-jähriger Ober-
schüler wurde ich im
April 1946 vom sowje-
tischen Geheimdienst wegen des
Verdachts verhaftet, ein „Werwolf“
gewesen zu sein, also ein Mitglied einer
Untergrundorganisation der Nazis.
Damals lebte ich mit meinen Eltern in
Lichtenberg. Ich kam in das Speziallager
Hohenschönhausen, einem Haftlager
des sowjetischen Geheimdienstes. Im
Oktober 1946 wurde ich in das Spezial-
lager Nr. 7 auf dem Gelände des ehe-
maligen NS-Konzentrationslagers
Sachsenhausen verlegt.
Nach meiner Entlassung im Juli 1948
ging ich mit Freunden zu der antikom-
munistischen Organisation „Kampf-
gruppe gegen Unmenschlichkeit“ nach
West-Berlin, um über die Lager zu be-
richten. Wir nahmen Flugblätter mit
und verteilten sie in unseren Wohn-
bezirken im Ostteil Berlin. Ich verteilte
auch die Zeitung „Der kleine Telegraph“
der SPD Prenzlauer Berg, der ich seit
1949 nahestand.
Am 29. Dezember 1950 wurde ich von
der Stasi verhaftet. Aufgrund meiner
Berichte und der Verteilaktionen ver-
urteilte mich ein Gericht wegen
„faschistischer Propaganda“ zu acht
Jahren Zuchthaus. Vier Monate saß ich
im Rummelsburg und den Rest der Haft
in den Zuchthäusern „Roter Ochse“ in
Halle und Waldheim bei Chemnitz ab.
Ich musste alle acht Jahre verbüßen.
Nach der Entlassung 1959 ging ich so-
fort nach West-Berlin. Dort engagierte
ich mich bei den Jungsozialisten der
SPD, als Mitglied des Abgeordneten-
hauses und in der Bezirksverordneten-
versammlung von Tiergarten. Auch
dem Wahlkampfteam von Willy Brandt
gehörte ich an. Als die Berliner SPD mit
der SED-Nachfolgepartei PDS eine Ko-
alition einging, trat ich nach 42 Jahren
aus der Partei aus. Beruflich war ich
im Bezirksamt Tiergarten tätig, in der
Berliner Pressestelle des Ministeriums
für innerdeutsche Beziehungen und
zuletzt als Referatsleiter im Bundes-
ministerium des Innern.

Nach dem Übertritt in den Ruhestand stellte sich
Horst Jänichen als Zeitzeuge für die Gedenkstätte
Hohenschönhausen zur Verfügung.

[rechte Spalte]
Horst Jänichen
geb. 1931

In April 1946, the Soviet Secret Service
arrested me, a 15-year-old high-school
pupil, on suspicion of being a member
of a Nazi underground organisation. At
the time, I was living with my parents in
Lichtenberg. After my arrest, I was put in
Special Camp No. 3, Hohenschönhausen,
a prison camp run by the Soviet Secret
Service. In October 1947, I was moved
to Special Camp No. 7, which was loca-
ted on the site of the former Sachsen-
hausen Concentration Camp.
After my release in July 1948, I went to[!]
with some friends to visit the anti-Com-
munist organisation ‘Combat Group
against Inhumanity’ in West-Berlin,
where I wanted to report on the
Sachsenhausen Camp. We took some
newspaper with us and distributed
them in our residential districts in East
Berlin.
I also distributed the newspaper ‘Der
kleine Telegraph’, put out by the SPD
Prenzlauer Berg, which I was closely
affiliated with from 1949 on.
On 29 December 1950, I was arrested
again, this time by the Stasi. Owing to
my reports and the newspaper I had
distributed, a court sentenced me to
eight years’[!] imprisonment for spreading
‘fascist propaganda’.
I spent four months in jail in Rummels-
burg and the rest of my sentence in
the prisons ‘Red Ox’ in Halle and, above
all, in Waldheim near Chemnitz. I had
to serve my entire sentence – all eight
years. After my release in 1959, I went
straight to West-Berlin. There, I became
deputy chairman of the Young Social-
ists, a member of the Berlin State
parliament and, finally, at the District
Council Assembly in the Tiergarten
district. I also worked for Willy Brandt’s
election team. When the Berlin SPD
entered a coalition with the PDS (suc-
cessor to the SED), I left the party after
being a member for 42 years. I worked
at Tiergarten District Office, in the Ber-
lin Press Office of the Federal Ministry
of Intra-German Relations, as head of
division in the task force ‘New Laender’
at the Federal Ministry of the Interior.

After he retired, Horst Jänichen served as a contem-
porary witness for the Hohenschönhausen Memorial.

Die Stele gehört zu einer Dreiergruppe zusammen mit den Stelen für “Akteure ohne Namen” und Günter F. Toepfer an der Friedrich-Jacobs-Promenade südlich des ehemaligen Wasserturms unweit Georg-Löwenstein-Straße 30. In ihrem oberen Teil befindet sich ein Foto Jänichens.

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