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Gedenkort Rummelsburg Gruppe E Günter F. Toepfer

*Magdeburg 18.12.1941

Friedrich-Jacobs-Promenade

[linke Spalte]
Geboren wurde ich in Magdeburg,
aufgewachsen bin ich in Karlshorst.
Wie mein Vater wollte auch ich Bauin-
genieur werden. Dann kam die Mauer,
und ich wollte weg. Aber ein Freund
verriet mich. Wir hatten geplant, ver-
steckt in einem Bus amerikanischer
Soldaten über den Checkpoint Charlie
zu fliehen. Wegen „Gefährdung des
Weltfriedens durch militärische Grenz-
durchbrechung“ klagte man mich an.
Weil ich mich weigerte, an einem
Schauprozess teilzunehmen, kam
ich in Einzelhaft: Zunächst ins Stasi-
Gefängnis Magdalenenstrasse[!], dann
mehrere Monate nach Hohenschön-
hausen. Nach 192 Tagen Isolation über-
stellte man mich für drei Monate nach
Rummelsburg. Das war im Frühjahr
1962. Als ich hier ankam, dachte ich,
das Schlimmste läge bereits hinter mir.
Ich kam ins Haus 2, 1. Stock, Seeseite.
In der Zelle war ich der einzige politi-
sche Häftling. Unter den anderen acht
Gefangenen waren ein Mörder, ein
Totschläger und ein schwer an Tuber-
kulose erkrankter Häftling, der mich
aber schützte. Später arbeitete ich in
vier Außenkommandos: Bei der EAW
in Treptow stellte ich Schienen für die
Pico-Spielzeug-Eisenbahn her. Dann
kam ich auf ein Feld der LPG Warten-
berg, das sich auf einem ehemaligen
Berliner Stadtgut befand. Am gefähr-
lichsten war es im Glaswerk Stralau,
wo ich ohne Schutzkleidung giftigen
Ölschlamm wegräumen musste. Das
vierte Kommando war auf dem Flug-
hafen Schönefeld: Dort schaufelte ich
Betonbruch für den Unterbau einer
Start- und Landepiste.
Nach der Freilassung war ich Hilfsar-
beiter im Zementwerk Rummelsburg.
später konnte ich wieder studieren.
Zuletzt war ich als Oberbauleiter im
Wohnungs- und Gesundheitswesen in
Lichtenberg tätig. Nach der Wiederver-
einigung wurde ich CDU-Politiker.
Als Mitglied des Berliner Abgeordneten-
hauses wandte ich mich gegen eine
Verjährung von Stasi-Verbrechen.

Für sein politisches und soziales Engagement erhielt
Günter Toepfer den Verdienstorden der Bundesrepu-
blik Deutschland. Er setzte sich unter anderem für
deutsche „Wolfskinder“ ein, die von Litauern aufgezo-
gen wurden.

[rechte Spalte]
Günter F. Toepfer
geb. 1941

I was born in Magdeburg and grew up
in Karlshorst. Like my father, I wanted
to be a civil engineer, too. Then the
Wall was built, and I wanted to escape.
But a friend betrayed me. We had
planned to flee via Checkpoint Charlie,
hidden in a bus full of US soldiers. We
were charged with ‘Endangering world
peace by breaking through the border
in a military manner’. I was put in soli-
tary confinement for refusing to parti-
cipate in a show trial: first in the Stasi
prison in Magdalenenstraße and then
for several months in Hohenschön-
hausen. After 192 days in isolation,
I was transferred to Rummelsburg for
three months. That was in spring 1962.
When I arrived there, I thought I had
the worst behind me.
I was put in House 2, 1st storey, on the
lake side. I was the only political pris-
oner in the cell. The eight other prison-
ers included a murderer, a man in for
manslaughter, and a prisoner seriously
ill with tuberculosis, who protected
me nevertheless. Later on, I worked in
four external commandos: At the EAW
in Treptow, I made rails for Piko train
toy sets. My next job saw me working
in a field belonging to LPG Wartenberg,
on a property once owned by Berlin.
The most dangerous job was at Stralau
Glass Works, where I had to clear away
toxic oil sludge – with no protective
clothing. The fourth commando was at
Schönefeld Airport, where it was my job
to shovel the crushed concrete used
for the runway foundations.
After I was released, I was employed as
an unskilled labourer at Rummelsburg
Cement Works. Later, I was able to study
again. My last job was a senior site
manager for housing and healthcare
in Lichtenberg. After reunification, I
became a CDU politician. As a member
of the Berlin Chamber of Deputies, I
opposed all statutes of limitations for
Stasi crimes.

Günter Toepfer was awarded the Order of Merit of
the Federal Republic of Germany. He also did his ut-
most to help the so-called Wolfskinder (feral chil-
dren), who had been raised by Lithuanians.

Die Stele gehört zu einer Dreiergruppe zusammen mit den Stelen für „Akteure ohne Namen“ und Horst Jänichen an der Friedrich-Jacobs-Promenade südlich des ehemaligen Wasserturms unweit Georg-Löwenstein-Straße 30. In ihrem oberen Teil befindet sich ein Foto Toepfers.

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