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Fußballroute - 2:7 Jahn-Sportpark

Fußballroute - 2:7 Jahn-Sportpark

Cantianstraße

Nirgendwo in Deutschland wird so lange
Vereinsfußball gespielt wie im Jahn-Sportpark.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist der Exerzierplatz
an der Schönhauer Allee nicht nur ein Ort des
Militärs, sondern auch der Volksversammlungen und
der Freizeitgestaltung. Bereits in den 1880er Jahren
nutzen Berliner Fußball-Pioniere das Gelände an der
»Einsamen Pappel« für ihren Sport, und es entwickelt
sich neben dem Tempelhofer Feld zum wichtigsten
Spielort der Stadt. Als der Dresdener FC am Oster-
montag 1892 zunächst auf eine Auswahl des Deut-
schen Fußball- und Cricket Bundes und danach auf
den English Football Club trifft, trennen in Deutsch-
land erstmals Taue das Spielfeld von den Zuschauern
ab. So ist trotz des enormen Publikumsandrangs ein
reguläres Spiel möglich, die Veranstalter können sogar
Eintritt kassieren. Um die Jahrhundertwende siedeln
sich zahlreiche Vereine des Nordens und Ostens der
wachsenden Metropole hier an, der 1892 gegründete
BFC Hertha ist einer von ihnen. Nirgendwo in Deutsch-
land wird so lange organisierter Vereinsfußball
betrieben wie im heutigen Friedrich-Ludwig-Jahn-
Sportpark. Der Spielbetrieb wird selbst während der
beiden Weltkriege nur für kurze Zeit unterbrochen.

(Bildunterschriften:)

Als der Platz fast vollständig im Häusermeer untergegangen ist
und der Drill des klassischen Exerzieren[s] nicht mehr dem Stand
moderner Kriegsführung entspricht, gibt das Militär den Ort auf.
1912 kauft die Stadt Berlin den größten Teil des Geländes und
lässt es 1913 zur Spiel- und Sportanlage umbauen.

Im Zweiten Weltkrieg kommt der Fußball zum
Erliegen, da die männlichen Sportler überwiegend
zum Kriegsdienst eingezogen sind und die Bomben-
angriffe auf Berlin das Spiel unmöglich machen. Der
Sportplatz dient unter anderem der Luftwaffe als
Befehlsstand für ein Scheinwerferregiment und als
Führungspunkt für die Flak-Geschütze auf dem
nahegelegenen Bunker im Humboldthain.

Nach dem Krieg werden die Trümmer der Umgebung
auf dem Sportplatz aufgeschüttet, wodurch ein
Stadionrund entsteht. Der 1951 fertiggestellte Bau
fasst 30.000 Zuschauer und wird anlässlich der
Weltjugendfestspiele im selben Jahr eingeweiht.
Ein Jahr später nennt der Magistrat von Ost-Berlin
den »Berliner Sportpark« in Friedrich-Ludwig-Jahn
Sportpark um.

Von 1953 bis 1971 ist der Friedrich-Ludwig-Jahn
Sportpark die Heimstätte des ASK Vorwärts Berlin,
der eine herausragende Jugendarbeit leistet. Die
Nachwuchsmannschaften des Vereins bestimmen
das Niveau des Berliner Fußballs. Einige der Talente
besuchen die nahegelegene Sportschule in der
Gleimstraße, die bereits 1952 eingerichtet wird.

(auf der nächsten Seite:)

Das Stadion ist Austragungsort
von zahlreichen internationalen Begegnungen.

Der 1966 gegründete Berliner Fußball-Club Dynamo
ist Teil der Sportorganisation Dynamo, die von der
Staatssicherheit und dem Innenministerium der DDR
getragen und gelenkt wird. Der Verein erringt von
1979 bis 1988 in Serie die Meisterschaft der DDR und
qualifiziert sich damit für den Wettbewerb um den
Europapokal der Landesmeister. 1982 und 1988
kommt es zu deutsch-deutschen Begegnungen gegen
den Hamburger SV und Werder Bremen, die für die
Funktionäre des Vereins den Charakter von Klassen-
kampf haben. Trotz starker Leistungen in den Heim-
spielen unterliegen die Sportler des BFC am Ende
jeweils deutlich. Vor allem Stasi-Chef Erich Mielke,
der von 1953 bis 1989 der Sportvereinigung vorsitzt,
protegiert den Fußballclub und ist begeisterter
Anhänger, wobei er nicht davor zurückschreckt,
mitunter in das sportliche Geschehen einzugreifen.

(Bildunterschriften:)

Auch der sechsmalige DDR-Meister Vorwärts Berlin bestreitet
hier zahlreiche internationale Begegnungen. Herausragender
Akteur des Vereins ist Jürgen Nöldner, der 1966 zum Fußballer
des Jahres und 1989 in die »DDR-Fußballauswahl aller Zeiten«
gewählt wird. Nach seiner Karriere als Fußballer schlägt er den
Weg des Sportjournalisten ein und ist unter anderem für die
»Neue Fußball-Woche« und den »Kicker« tätig.

Der Friedich-Ludwig-Jahn-Sportpark ist Austragungsort von zehn
Länderspielen der DDR-Nationalmannschaft. Das Team hat in den
1970er Jahren seine beste Zeit, nimmt an der Endrunde der WM
1974 in der Bundesrepublik teil, wo die Auswahl den Gastgeber
und späteren Weltmeister mit 1:0 bezwingt, und erringt 1976
den Olympiasieg.

Spitzensportlern gelingt immer wieder die Flucht in den Westen,
zu der sie Auslandsaufenthalte nutzen. Besonders spektakulär
und von der der Öffentlichkeit in beiden deutschen Staaten wahr-
genommen sind die Fluchten der BFC-Spieler Lutz Eigendorf
(1979) sowie Falko Götz und Dirk Schlegen (1983). Die Abtrünnigen
verfolgt die Stasi auf Befehl Mielkes auch außerhalb der DDR.

Im letzen Pokalwettbewerb der DDR findet die Finalbegegnung
erst Monate nach dem Untergang des Landes statt. Im Friedrich-
Ludwig-Jahn-Sportpark spielen der FC Hansa Rostock und der
Eisenhüttenstädter FC Stahl um den Nachfolger des FDGB-Pokals,
den Pokal des Nord-Ostdeutschen Fußball-Verbandes. Hansa
siegt vor gerade mal 4.800 Zuschauern.

(auf der nächsten Seite:)

Das BFV-Pokalfinale im Jahn-Sportpark
ist der Saisonhöhepunkt im Berliner Fußball.

Der mehrfach modernisierte Friedrich-Ludwig-Jahn-
Sportpark wird für kulturelle und sportliche Veran-
staltungen wie Rock-Konzerte, American-Football-
Spiele oder Leichtathletik-Wettbewerbe genutzt.
Seit 1995 ist das Stadion Austragungsort des
Berliner Pokalfinales, alljährlicher Saisonabschluss
und -höhepunkt der im Berliner Fußball-Verband
organisierten Vereine. Nach der Vereinigung
Deutschlands und der Wiedervereinigung des
Berliner Fußballs 1990 sind Mannschaften aus dem
Westen und dem Osten der Stadt teilnahmeberechtigt,
der Sieger qualifiziert sich für den DFB-Pokal.
2001 kommt es zu einem »türkischen Derby«,
denn SV Yeşilyurt Berlin und Türkiyemspor Berlin
stehen sich gegenüber. Das sonst weniger
beachtete Endspiel des Berliner Pokals erhält
mit einer TV-Liveübertragung durch den
türkischen Sender TRT-int über Satellit sogar
internationale Aufmerksamkeit.

(Bildunterschriften:)

In unmittelbarer Nähe des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks
verläuft der ehemalige Todesstreifen der Berliner Mauer. Bereits
1990 entstehen Pläne, die eine Nutzung des alten Grenzstreifens
als Grünanlage für Freizeit- und Sportvergnügen vorsehen. Die
Umgestaltung wird dann 1994 in einer ersten Baustufe abge-
schlossen. Ein Fußball-Turnier mit Kindermannschaften ist Teil
der Eröffnungsfeier.

In den 1990er Jahren wächst in beiden Teilen Deutschlands die
Gewalt in den Stadien und am Rande des Fußballs erheblich. Der
Zusammenbruch der DDR und die Verunsicherung vieler Jugend-
licher in den ersten Jahren nach der Vereinigung 1990 verstärken
vor allem im Osten diese Entwicklung spürbar. Erst gemeinsame
Aktionen von Vereinen, Verbänden sowie zahlreichen gesellschaft-
lichen Akteuren und Initiativen können ab Mitter der 1990er Jahre
die Gewaltspirale beenden.

Nach der Vereinigung 1990 organisieren sich die Sportvereine der
untergegangenen DDR unter den veränderten gesellschaftlichen
Bedingungen neu. Aus traditionsreichen Betriebssportgemein-
schaften werden Sportvereine nach deutschem Vereinsrecht. Der
SV Empor geht 1990 aus einer BSG der sozialistischen Handels-
organisation (HO) hervor und entwickelt sich als Kiezverein
über die Jahre zu einer anerkannten Größe des Berliner Sports.
Insbesondere die Fußball-Abteilung feiert in den verschiedenen
Altersklassen zahlreiche Erfolge.

Die Respect Gaymes finden seit 2006 statt und haben im
Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark ihre feste Adresse. Das Sport-
und Kulturevent des Lesben- und Schwulenverbandes mit seinem
traditionellen Fußball-Turnier vereint Besucher und Aktive zu
einem klaren Bekenntnis für Toleranz und gegen Homophobie.

(auf der anderen Seite unter dem Orientierungsplan:)

Club football has been played
here in the Jahn-Sportpark longer
than anywhere else in Germany.

Since the middle of the 19th century, the parade grounds in the Schönhauser
Allee have been used not only by the military, but has also been the site for
public meetings and recreational activities. Already as early as the 1880s Berlin
football pioneers used the site by the »Einsame Pappel” (»lonely poplar”) for
their games, and it developed into the most important venue for matches in
the city, second only to the Tempelhofer Feld. On this field, on Easter Monday
1892, the Dresdner FC played first against the all-star team of the Deutsche
Fußball- und Cricket-Bund (German football and cricket association) and then
against the English Football Club, and that was the first time in Germany
that ropes were used to separate the spectators from the playing field. That
is why despite the huge crowds a regular match could be held; indeed, the
organizers could even collect the admission fee from the spectators. Around
the turn of the century, many clubs from the northern and eastern districts
of the growing metropolis relocated there, among them BFC Hertha, which
had been established in 1892. Organized club football matches have been
held here in today’s Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark for longer than anywhere
else in Germany. Even during the two world wars operations were interrupted
only for a short time.

The stadium is the venue for
many international matches.

The Berlin football club Dynamo, founded in 1966, is part of the Dynamo sports
organization, which was supported and led by the GDR’s State Security Service
and Ministry of the Interior. In the years between 1979 and 1988 the club
won the GDR championship every year and thus qualified to compete for the European Champion Clubs‘ Cup. In 1982 and 1988 the team played in German-
German matches against the Hamburger SV and Werder Bremen, and for the
club functionaries these games smacked of class struggle. Despite a strong
showing in the home games, BFC’s players were definitively defeated in the
end. Above all the Stasi head Erich Mielke, who was also head of the sports
association from 1953 until 1989, promoted and supported the football club.
An enthusiastic fan, he did not shy away from intervening occasionally in the
sporting events himself.

The BFV’s cup final in the
Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark
is the high point of Berlin’s
football season.

Modernized more than once, the Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark has been
used for cultural and sporting events, such as rock concerts, American football
games and competitions in track and field athletics. Since 1995, the stadium
has also been the venue of the Berlin Cup final. For the clubs organized in the
Berliner Fußball-Verband (BFV, Berlin football association) the Berlin Cup final
is the annual high point of the football season and also marks its end. After
the unification of Germany and the reunification of Berlin football in 1990,
teams from the West and the East are both entitled to compete for the Berlin
Cup. The winner qualifies for the DFB Cup. In 2001, a »Turkish derby” is played
because the SV Yeşilyurt Berlin and Türkiyemspor Berlin are playing against
each other. The Berlin Cup final, which usually has not been getting much
attention, garners an international audience thanks to being broadcast live
on TV by the Turkish station TRT-int via satellite.

Die FUSSBALL ROUTE BERLIN existiert seit Mai 2015; sie führt in drei Routen zu 40 Orten in der Stadt und macht die Geschichte des Fußballs erfahrbar. Sie ist ein Projekt von Sport:Kultur e.V. auf Initiative des Berliner Fußball-Verbandes.

Aus Gründen des Denkmalschutzes können nicht alle Tafeln im Stadtraum aufgestellt werden; an einigen Standorten sind alternativ demnächst Bodenplatten zu finden. Konkrete Hinweise dazu sowie zusätzliche Tondokumente, Literaturhinweise und weitere Informationen unter: www.fussballrouteberlin.de sowie auf den Tafeln „0:0 Brandenburger Tor“ und "Fußballroute - 1:3 Askanisches Gymnasium".

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