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Ermordeter Deserteur

Hermann-Ehlers-Platz

Der erhängte Soldat
Tödlicher Verdacht
Der Zweite Weltkrieg begann am 1. September 1939 mit dem Überfall der
Deutschen Wehrmacht auf Polen. Er forderte mehr als 60 Millionen Menschenleben auf allen Kriegsschauplätzen.
In Steglitz begannen die Kämpfe zwischen der Deutschen Wehrmacht und
der Roten Armee am 24. April 1945. Sie dauerten bis zum 30. April. Berlin
kapitulierte am 2. Mai. Am 8. Mai 1945 war der Zweite Weltkrieg in Europa
mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands beendet.
Am Tage des Einmarsches der Roten Armee in Steglitz - von Süden, über Osdorf - wurde ein deutscher Soldat von Nationalsozialisten an einem
damals vor dem Haus Albrechtstraße 2 befindlichen Straßenbahnmast
erhängt. Seine Identität konnte nie geklärt werden.
Der tote Körper hing tagelang zur „Abschreckung” an diesem Mast.
Zur Last gelegt wurde den Betroffenen in solchen Fällen entweder Fahnen-
flucht, Plündern oder Feigheit vor dem Feind. Die Nationalsozialisten
ahndeten dieses Verhalten umgehend. In den letzten Kriegstagen war es
üblich, solche Fälle durch „fliegende Standgerichte” zu behandeln, das heißt
Akten wurden nicht mehr geführt. Zu einem Standgericht gehörten ein
Stabsoffizier, ein Unteroffizier und ein Offizier. Ein Soldat mit Mannschaftsdienstgrad - also kein Offizier - musste die Erhängung vornehmen. Es ist nicht bekannt, wer an dieser Exekution beteiligt war, obwohl unmittelbar nach Kriegsende die Täter als „Nazi-Bestien” bezeichnet wurden. Es könnte sich auch um eine Tat aus dem Umfeld der NS-Kreisleitung Steglitz oder eine „wilde Hinrichtung” gehandelt haben.
Unmittelbar nach dem Kriegsende wurde eine Blechtafel am Mast mit
folgendem Text befestigt:
Hier wurde am 24. April 1945 ein deutscher Soldat, weil er den zwecklosen
wahnsinnigen Krieg nicht weiter mitmachen wollte, von vertierten Nazi-
Bestien erhängt
Die Blechtafel wurde Ende Oktober 1947 durch eine Holztafel mit einem
neuen Text ersetzt. Albert Kraemer, der erste Kunstamtsleiter in Steglitz
nach dem Krieg, entwarf die Holztafel.
Von Deutschen wurde ein deutscher Soldat in den Tagen des
Zusammenbruchs der Hitlerherrschaft am 24. April 1945 an diesem Mast
erhängt
Aufgrund kritischer Anmerkungen aus der Bevölkerung über diesen Text,
der den Sachverhalt nur noch sehr ungenau wiedergab, nahm das Bezirksamt
Steglitz eine Überarbeitung vor. Im Sommer 1948 wurde die Holztafel
entfernt und mit verändertem Text wieder angebracht.

Am 24. April 1945
wurde hier
ein deutscher Soldat
von unmenschlichen
Nationalsozialisten
erhängt

Im November 1967 wurde die Tafel im Zusammenhang mit Bauarbeiten
durch das Tiefbauamt Steglitz im Einvernehmen mit der BVG entfernt. Sie
wird seit 2007 in einer Vitrine im Rathaus Steglitz aufbewahrt.
Die „Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht” - Wehrmachtsauskunftstelle WAST - beantwortete eine Anfrage des Bezirksamtes Steglitz im Dezember 1994: „Am 17. Juli 1945 wurde auf dem Landeseigenen Friedhof Berlin-Steglitz in der Bergstraße ein unbekannter Unteroffizier im Grab Nr. 42/764 (alt: 42-2-8) beigesetzt, bei dem es sich unseres Erachtens um den im Betreff Genannten handelt. Der Tote trug keine Erkennungsmarke noch hatte er Papiere bei sich. - lediglich eine Geldtasche mit der Inschrift ‘Obergefreiter Werner, Batterie 3, Artillerie Regiment’. Die von uns seinerzeit durchgeführten Identifizierungsversuch verliefen leider ergebnislos, so dass er unbekannt bleiben musste.” Eine erneute Nachfrage aus dem Jahr 2008 brachte keine neuen Erkenntnisse. Auch der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes konnte die Identität des Soldaten nicht klären.
So wie dieser Soldat wurden zahlreiche andere deutsche Deserteure in den
letzten Kriegstagen von Nationalsozialisten sinnlos getötet. Erst im Jahr
2002 wurden die Urteile der Militärgerichte gegen Deserteure der Deutschen
Wehrmacht pauschal vom Deutschen Bundestag aufgehoben.
Doris Fürstenberg

Auf der rechten Seite der roten Stele befinden sich sechs Abbildungen. Diese zeigen von oben nach unten: Die Siemens- und Hannemannbrücke über den Teltowkanal bei Kriegsende; Zwei Fotos des Hermann-Ehlers-Platzes vor der Umgestaltung mit dem Gebäude Albrechtstraße 2, sodann die drei im Text beschriebenen Gedenktafeln in der zeitlichen Abfolge ihrer Anbringung. Dadurch wird die ursprüngliche Textaufteilung auf den Tafeln erkennbar, die im Fließtext der Informationsstele nicht wiedergegeben ist.

Tafel 1:
Hier wurde 
am 24. April 1945 ein deut-
scher Soldat, weil er den 
zwecklosen, wahnsinnigen 
Krieg nicht weiter mitma-
chen wollte, von vertierten 
Nazi-Bestien erhängt 

Tafel 2:
Von Deutschen 
wurde 
ein deutscher Soldat 
in den Tagen 
des Zusammenbruchs 
der Hitlerherrschaft 
am 24. April 1945 
an diesem Mast 
erhängt

Tafel 3:
Am 24. April 1945 
wurde hier 
ein deutscher Soldat 
von unmenschlichen 
Nationalsozialisten 
erhängt

Diese letzte, 1967 abgenommene Tafel, wurde in einer Glasvitrine im 1. Stock des alten Steglitzer Rathauses, Schloßstraße 37, aufbewahrt. Ein Mitte der achtziger Jahre gestellter Antrag der Alternativen Liste in der Steglitzer Bezirksverordnetenversammlung, die Tafel wieder vor dem Haus Albrechtstraße 2 anzubringen, wurde mit den Stimmen der CDU abgelehnt. "Die Albrechtstraße war der CDU für eine Gedenktafel zu belebt, sie plädierte für einen besinnlicheren Ort." (Der Tagesspiegel, 17.10.1985)
Die "Geschichte einer Tafel" wurde festgehalten von Doris Fürstenberg in dem 1995 vom Bezirksamt Steglitz (Kunstamt) herausgegebenen Band "ALLESNEU. 50 Jahre Kriegsende in Steglitz" (S. 88-98) und fand mit der jetzigen Stele einen würdigen Abschluss. Ganz unten auf der Stele sind die Signets des Kulturamts Steglitz-Zehlendorf sowie der Aktion "Erinnern für die Zukunft" des Bezirks zu sehen. Die Konzeption und Gestaltung der Stele lag bei Karin Rosenberg. Die Einweihung fand am 8.5.2009 statt.
Der Bezirk hat bis November 2011 an insgesamt weiteren zehn Stellen gleichartig gestaltete Stelen als „Historische Information" aufgestellt.

Das Deutsche Historische Museum veröffentlicht in seiner Objektdatenbank ein Foto der ersten Gedenktafel während einer Kranzanbringung unter http://www.dhm.de/datenbank/dhm.php?seite=5&fld_0=BA007085 (letzter Aufruf 19.6.2014).

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