Baruch Auerbach'sches Waisenhaus
Schönhauser Allee 162
BARUCH AUERBACH’SCHE
WAISENHAUS
1942 wurden die letzten Lehrer und Zöglinge
- darunter zwanzig Kinder im Alter bis zu fünf Jahren -
in das Rigaer Ghetto deportiert und dort ermordet
Die Berliner Gedenktafel wurde am Montag, dem 5.9.2011 in Anwesenheit von Kulturstaatssekretär André Schmitz und dem Zeitzeugen Walter Frankenstein enthüllt. Sie ist zwischen dem zweiten und dritten Fenster links vom Eingang befestigt.
Bereits am 27.6.2000 wurde auf der Backsteinmauer des Vorgartens eine Gedenkinstallation eingeweiht. „Die kleine Gedenkstätte besteht aus einer Tafel sowie Schuhen, Bällen und Koffern aus Ton, die auf der Vorgartenmauer des dort in den 1950er-Jahren gebauten Wohnhauses angebracht sind. Die 18 Kunstwerke wurden von Teilnehmern des Kunstleistungskurses der Kurt-Schwitters-Oberschule unter Anleitung der Künstlerin Karla Sachse angefertigt. Die Kosten von 20.000 Mark übernahm größtenteils das Bezirksamt." (Berliner Morgenpost, 28.6.2000)
An der Seite zum Gehweg war eine Tafel aus Acrylglas mit folgender Inschrift befestigt:
Hier stand das Baruch Auerbachsche Waisenhaus.
Zur Erinnerung an die jüdischen Kinder und Erzieher.
Die Knaben und Mädchen wuFriedhof der französischen Alliertenrden am 19. Oktober 1942
mit dem 21. Osttransport aus Berlin deportiert
und kehrten nie zurück.
Um die Ecke herum, parallel zur Straße erläuterte eine kleinere Tafel, die Ende 2011 noch in allerdings schlechtem Zustand vorhanden war:
Schülerinnen und Schüler
der Kurt Schwitters Oberschule
im Auftrag des Bezirksamtes Berlin Prenzlauer Berg
Keine vier Wochen nach der Installation war die Hälfte der wie verstreut auf der Mauer befestigten „symbolischen Spielsachen" aus der Verankerung gerissen und verschwunden. Dafür gab es anschließend an der linken Wand der Durchfahrt zur Schönhauser Allee 162a eine großformatige Acrylglastafel, auf der oben rechts neben einem Foto des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Hauses stand:
Denkzeichen für die
Baruch-Auerbachschen
Waisenerziehungsanstalten
Darunter folgten eine Reihe von Fotos und Abbildungen der „Spielsachen" und unter diesen eine Inschrift in drei Spalten:
(linke Spalte)
An diesem Ort befand sich
seit 1896[!] das Gebäude der
Baruch-Auerbachschen
Waisenerziehungsanstalten.
Viele jüdische Jungen und
Mädchen fanden hier ein
Zuhause. Nach 1920 führte
der Liberale Synagogenverein
Norden in diesem Haus auch
seine religiösen Feiern durch.
Von dieser Stelle wurden am
19. Oktober 1942 die letzten
Zöglinge zusammen mit ihren
Erziehern abgeholt, in Richtung
Riga deportiert und ermordet.
Der im Krieg durch Bomben
stark beschädigte Bau wurde in
den fünfziger Jahren abgerissen.
(mittlere Spalte)
Seit dem 27. Juni 2000
erinnerte an diesem Ort ein
Denkzeichen an die Bewohner
des Waisenhauses.
Achtzehn aus Ton gefertigte
Spielsachen lagen fest montiert
auf der niedrigen Vorgarten-
mauer, so als wären sie dort
zurückgelassen worden.
Nur wenige Tage nach der
Einweihung wurde dieses
Denkzeichen von Unbekannten
gewaltsam zerstört.
Die Schülerinnen und Schüler der
Kurt-Schwitters-Oberschule
nehmen diese Gewalt und die
Beschädigung des Erinnerns und
Gedenkens nicht hin.
(rechte Spalte)
Sie fertigten neue Tonfiguren
und übergaben sie ein Jahr nach
der Zerstörung wieder der
Öffentlichkeit.
Die erhaltenen und die neuen
Teile des Denkzeichens sind
jetzt in den Räumen des
Prenzlauer Berg Museums
in der Prenzlauer Allee 227/228
geschützt und zu besichtigen.
Im Auftrag des Bezirksamtes
PANKOW von Berlin
Diese Tafel erhielt eine Neufassung und wurde zusammen mit den Namen von Zöglingen in der Mauer im Hof und der davor stehenden Gedenkstele am 26..6.2014 durch Kulturstaatssekretär Time Renner und Walter Frankenstein eingeweiht.
Die Tafel in der Durchfahrt trägt jetzt folgende Inschrift:
Das Erinnern an das Baruch Auerbach’sche Waisenhaus
(darunter drei Fotos und ein Grundriss)
(linke Spalte)
Hier befand sich das Baruch Auerbach’sche
Waisenhaus. 1897 bezogen die ersten
jüdischen Zöglinge diesen Bau.
Im Herbst 1942 deportierten die National-
sozialisten die meisten Kinder und viele
ihrer Betreuerinnen und Betreuer nach
Riga und Auschwitz - in den Tod.
Im Winter 1943 wurde das Gebäude durch
Bomben stark beschädigt. Die Reste Mitte
der 1950er Jahre abgerissen. Nur ein Teil
der Vorgartenmauer blieb erhalten.
Lange Zeit gab es keinen Hinweis auf das
Waisenhaus, das Schicksal der Kinder und
ihrer Betreuerinnen und Betreuer.
(2. Spalte)
Doch im Herbst 2000 befestigten Schülerinnen
und Schüler der Kurt-Schwitters-Schule im
Prenzlauer Berg Spielzeuge aus Ton auf der
niedrigen Mauer an der Schönhauser Allee,
die sie gemeinsam mit der Künstlerin Karla
Sachse zur Erinnerung an die ermordeten
Kinder geschaffen hatten. Nur wenige
Tage später wurden die Objekte von
Unbekannten zerstört.
Bald wurden neue Tonfiguren gefertigt,
die heute mit Bruchstücken der Originale
im Museum Pankow aufbewahrt werden
- und bei Gedenkveranstaltungen tragen
Jugendliche diese Figuren hierher zurück.
(3. Spalte)
Auf Anregung von Walter Frankenstein
(*1924), einem der überlebenden
Zöglinge des Waisenhauses, ließ der
Berliner Senat am 5. September 2011
eine Gedenktafel an der Fassade
anbringen.
Am 26. Juni 2014 wurde im Hof
der Erinnerungsort »Ich war hier«
der Künstlerin Susanne Ahner der
Öffentlichkeit übergeben. Nun sind
die bislang bekannten Namen und das
Alter der ermordeten Kinder sowie
ihrer Betreuerinnen und Betreuer an
der alten Klinkermauer zu lesen.
(4. Spalte)
Weitere Informationen
Further information:
Jüdisches Museum Berlin
Lindenstraße 9-14,
10969 Berlin
Museum Pankow
Prenzlauer Allee 227,
10405 Berlin
Es folgen Abbildungen der aus Ton gefertigten Spielsachen und darunter der englische Text. Die weiter oben befindlichen Fotos tragen ebenfalls zusätzlich in englischer Sprache) die Unterschriften (v.l.n.r.):
Das Eingangsgebäude des Auerbach’schen Waisenhauses, wie es von dieser Stelle
aus zu sehen war.
Fußballmannschaft des Auerbach’schen Waisenhauses
v.l.n.r. hintern Gerhard Eckstein, Walter Frankenstein, Günter Jakob
Mitte Gerd Purscher, Rolf Rothschild, Hans Meier, Wolfgang Blumenreich, Egon Strassner
vorn Max Michelsohn, Herbert Lischinski, Günter Kilsheimer
Schlafsaal des Waisenhauses
Die Inschrift der durchscheinenden Stele im Hof, die auch ein Foto des Gebäudes zeigt, lautet (rechts auf der Stele in zwei Spalten nebeneinander, davon die rechte in englischer Sprache):
Hier war das
Auerbach’sche
Waisenhaus
1897-1942
Im Jahr 1833 gründete
Baruch Auerbach (1793-
1864) in der Rosenstraße
ein Heim für jüdische
Kinder. Sein Ziel war, ein
»Elternhaus für Waisen« zu
schaffen. Er legte viel Wert
auf ihre musische Erziehung.
1897 bezogen rund 80
Zöglinge das neue Gebäude
in der Schönhauser Allee.
Nach der Machtübernahme
der Nationalsozialisten
lebten die Mädchen und
Jungen hier wie auf einer
»Insel im braunen Meer« ,
so Walter Frankenstein, einer
der letzten noch lebenden
Auerbacher.
Am 19. Oktober 1942, ein
Jahr nach der ersten Depor-
tation von Juden aus Berlin,
verließ der 21. »Osttrans-
port« mit 959 Menschen die
deutsche Hauptstadt.
Darunter befanden sich fast
60 Kinder zwischen 2 und
16 Jahren aus dem Waisen-
haus und 3 ihrer Betreuer.
Das Ziel war Riga. Dort
erschossen SS-Angehörige
die meisten Verschleppten
in Wäldern.
Im 23. »Osttransport« vom
29. November 1942 befanden
sich 998 Personen, darunter
75 Kinder, überwiegend
Auerbacher im Alter von
10 Monaten bis 16 Jahren.
Sie und weitere Zöglinge
des Auerbach’schen
Waisenhauses wurden
in den Gaskammern von
Auschwitz ermordet.
Seit 2000 wird ihrer an
diesem Ort gedacht.
In den Text eingeblendet sind sieben Fotos. Ihre Unterschriften lauten auf deutsch (v.o.n.u.):
Werner Hirsch und ein
anderer Junge am ersten
Schultag
1936/1942
Die Jungen des Auerbach’schen Waisenhauses mit
Direktor Jonas Plaut und dem Erzieher Heinz Frank
Mädchen mit
Puppenwagen
1934/35.
Lesestunde mit der Erzieherin Ilse Löwenstern
1934/35.
Zwei kleine Jungen
mit einem Fußball vor
dem Auerbach’schen
Waisenhaus
1936/1942
Der Erzieher Heinz Frank beim Tichtennis
1936/1938
Ein Fußball aus Keramik
als Erinnerung an die
ermordeten Kinder
2000
Anfang Juni 1897 zog die „Baruch-Auerbachsche Waisen-Erziehungs-Anstalten" heißende Institution in den „erst vor kurzem vollendeten" Neubau (Architekten Johann Hoeniger und Jakob Sedelmeier). Zu diesem Zeitpunkt befanden sich dort „51 Knaben" und „26 Mädchen" (Allgemeine Zeitschrift des Judentums, Heft 26, 25.6.1897, S. 13).
Baruch Auerbach (Inowraclaw/Westpreußen, heute Polen 14.8.1793 - Berlin 22.1.1864) ist beigesetzt auf dem gegenüber der einstigen Anstalt gelegenen Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee in der Ehrenreihe.