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Zwangsarbeit bei den Argus Motorenwerken

Flottenstraße 28-42

Zwangsarbeit bei den Argus Motorenwerken
Flottenstraße 28-42
Inschrift:
Zwangsarbeit bei den
Argus Motorenwerken
in Reinickendorf 1942-1945
In der Flottenstraße lag in der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts das industrielle Zentrum von
Reinickendorf-Ost. Hier hatten eine Reihe bedeuten-
der Betriebe ihre Standorte, darunter die Heinkel
Flugzeugwerke und die Argus Motorenwerke. Die Fa-
brikanlagen der seit 1908 ansässigen Argus Motoren-
werke, die Flugzeugmotoren fertigten, wurdem vom
Architekten Werner Issel (1884-1974) entworfen. Seit
Ende der dreißiger Jahre erfolgte systematisch der
Umbau zum Rüstungsbetrieb. Der jüdische Firmen-
inhaber Moritz Straus (1882-1959) wurde 1938 zum
Verkauf gezwungen, an seine Stelle trat Heinrich
Koppenberg (1880-1960), Leiter der Junkers Flugzeug-
und Motorenwerke Dessau. Argus gehörte im Zweiten
Weltkrieg als Zulieferbetrieb für die deutsche Luftwaffe
zu den größten und bedeutendsten Industrieunter-
nehmen im Deutschen Reich. Hier wurde während
des Zweiten Weltkriegs die Fieseler Fi 103, auch als
V1 (Vergeltungswaffe 1) bekannt, als erster militärisch
eingesetzter Marschflugkörper und als eine der
“Wunderwaffen” in der NS-Propaganda des Zweiten
Weltkriegs entwickelt.
Seit 1942 wurden bei Argus mehrere Tausend russische,
polnische, niederländische, französische, belgische
und tschechoslowakische Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter eingesetzt. Die Lager befanden sich
in der Flottenstraße 28-42 auf dem Werksgelände,
in der Roedernallee 32 und in der Roedernallee 38-44
(damals Graf-Roedern-Allee).
Im August 1944 kamen rund 800 jüdische Zwangs-
arbeiterinnen aus Ungarn und Polen aus dem KZ
Auschwitz, mit Zwischenstation in Ravensbrück,
hinzu. Für diese Frauen errichtete Argus ein dem
KZ Sachsenhausen unterstelltes Außenlager im
äußersten Winkel der Flottenstraße nahe der Gabe-
lung der S-Bahnlinien Richtung Oranienburg und
Hennigsdorf, das von er S-Bahn aus gut einsehbar
war. Das Lager bestand aus acht Baracken und war
von einem elektrischen Doppel-Zaun umgeben. Die
hier untergebrachten Frauen wurden meistens kahl-
geschoren und mit dünner, blau-weiß-gestreifter
KZ-Häftlingskleidung und Holzpantinen, die keinen
Schutz vor Kälte boten, ausgestattet. Ihre Nahrung
bestand ausschließlich aus verdorbenem Gemüse,
insbesondere Kohl, so dass sie chronisch unterernährt
und ausgemergelt waren. Darüber hinaus waren die
Frauen schwersten körperlichen Misshandlungen und
Schikanen durch das weibliche SS-Aufsichtspersonal
ausgesetzt, die die Frauen teilweise nicht überlebten.
Das Lager wurde erst kurz vor Kriegsende 1945 auf-
gelöst und die überlebenden Frauen wurden zurück
nach Sachsenhausen und von da weiter nach Norden
deportiert, bevor sie von sowjetischen Truppen befreit
wurden.
Nach Kriegsende verlor Argus bei der Demontage
durch die sowjetische Besatzungsmacht die gesamte
Ausrüstung. Die erhaltenen Gebäudeteile des Werks
stehen heute unter Denkmalschutz.
Eine bezirkliche Gedenkstätte für Zwangsarbeiterinnen
und Zwangsarbeiter, der historische Ort Krumpuhler
Weg, befindet sich im Billerbecker Weg 123A in Tegel-
Süd. Hier betrieb die Firma Alkett/Maget von 1942 bis
1945 das Gemeinschaftslager Krumpuhler Weg.
Museum Reinickendorf
www.museum-reinickendorf.de

Im oberen Teil der Stele befindet sich ein Kartenausschnitt um das Argus-Werk. Außerdem gibt es zwei Fotos mit den Bildunterschriften (oben rechts):
31. Juli 1942: Russische Zwangsarbeiter verlassen
das Werk in der Flottenstraße. Foto: Willy Pragher

(unten links):
31. Juli 1942: Russische Zwangsarbeiter vor dem
Argus-Lager in der Roedernallee 32. Foto: Willy Pragher

Die über zwei Meter hohe Stele wurde am 2.7.2020 vor dem Gebäudekomplex durch Bezirksstadträtin Katrin Schultze-Berndt eingeweiht.

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