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Winfried Freudenberg

Osterwieck 29.8.1956 - Berlin 8.3.1989

Erdmann-Graeser-Weg

Ballonflucht mit tödlichem Ausgang
Am Morgen des 8. März 1989 verfing sich gegen 7.50 Uhr ein
selbstgebauter Gasballon in den Bäumen auf dem Mittelstreifen der
Potsdamer Chaussee, unweit der Spanischen Allee. An seinem
Tragegestell waren Taschen mit persönlichen Gegenständen befestigt.
Kurze Zeit später fand eine Anwohnerin im Vorgarten ihres Hauses
einen DDR-Personalausweis. Am Nachmittag entdeckte ein Hausbesitzer
in seinem Garten in der Limastraße die Leiche des Ballonfahrers. Es
war der 32-jährige Ost-Berliner Winfried Freudenberg. Das tragische
Ende seiner Sehnsucht nach Freiheit erschütterte die Anwohner und
löste Bestürzung im In- und Ausland aus. Das SED-Regime rückte
auf die Anklagebank: Wie verzweifelt mussten Menschen über ihre
Lebensumstände in der DDR sein, dass sie ein solch waghalsiges
Unternehmen starteten?
Der Elektroingenieur Winfried Freudenberg und seine Frau, von
Beruf Diplom-Chemikerin, sahen für sich keine beruflichen Perspektiven
in der DDR. Sie wollten nicht länger hinnehmen, dass ihnen Reisen,
Tagungen, Forschungsmöglichkeiten und Kontakte in westliche Länder
von Staats wegen vorenthalten wurden. Deshalb plante das junge
Paar die Flucht mit einem Ballon. In unauffälligen Kleinmengen kauften
die beiden Polyäthylenfolien, wie sie für Frühbeetfenster Verwendung
finden. Im Januar 1989 begannen sie, mit einem Klebeband in ihrer
Wohnung eine dreizehn Meter hohe Ballonhülle von elf Metern
Durchmesser anzufertigen, die sie mit einem Netz aus Verpackungs-
schnur umspannten.
Am Abend des 7. März 1989 wehte ein günstiger Nordostwind. Mit
ihrem Trabant brachten die Freudenbergs den Ballon zu einer
Reglerstation der Berliner Gasversorgung im Norden Ost-Berlins.
Winfried Freudenberg hatte aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit einen
Schlüssel zu der Anlage. Gegen Mitternacht zapfte er die Station an
und begann, die Hülle mit Erdgas zu füllen. Langsam richtete sich der
Ballon auf, trotz der Dunkelheit wurde er weithin sichtbar. Die Flucht
hätte dennoch gelingen können. Doch ein 24-jähriger Arbeiter, der
vorübergehend kellnerte, sah das Gefährt - und alarmierte die Volkspolizei.
Der Ballon war noch nicht ausreichend gefüllt, um zwei Personen zu
tragen, als kurz nach 2 Uhr ein Funkstreifenwagen vor dem Gelände
bremste. Das Paar entschied, dass Winfried Freudenberg allein starten
sollte. Er kappte das Ankerseil und stieg in den Nachthimmel auf. Der
überstürzte Start hatte unvorhersehbare Folgen. Der Ballon stieg
schneller und höher auf, als Winfried Freudenberg berechnet hatte.
Unbemerkt überflog er die Grenze zu West-Berlin. Mit einer halben
Stunde Flug in niedriger Höhe hatte er gerechnet. Stattdessen war er
Stunden über dem nächtlichen Berlin unterwegs. In großer Höhe und
eisiger Kälte auf einem 40 Zentimeter breiten und zwei Zentimeter
starken Holzstock kauernd, kämpfte er verzweifelt um sein Leben.
Und dann nach mehr als fünf Stunden der Absturz - das Ziel dicht vor
Augen.
Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde Winfried Freudenberg
am 24. April 1989 in seiner Heimatgemeinde Lüttgenrode in der DDR
beigesetzt.
Acht Monate und einen Tag vor dem Fall der Mauer ist Winfried
Freudenberg ihr letztes Todesopfer in Berlin.
Hans-Hermann Hertle

Auf der rechten Seite der roten Stele befinden sich übereinander fünf Fotos und eine Karte. Von oben nach unten: Winfried Freudenberg; Mögliche Flugbewegungen des Ballons; Sicherung der Ballonreste aus dem Baum; DDR-Personalausweis Winfried Freudenbergs; persönliche Gegenstände, die Freudenberg bei sich trug; Aufnahme des Mahnmals vom April 1991.
Konzeption und Gestaltung der Stele lagen bei Karin Rosenberg. Die Einweihung durch Bezirksstadträtin Cerstin Richter-Kotowski fand am Montag, dem 26.11.2012, um 12 Uhr statt.
Die Stele ersetzt ein 1991 aufgestelltes Holzkreuz, das etwa im Jahr 2000 „abgebaut (wurde), weil es an der Bodenverankerung durchgefault war“. (Berliner Morgenpost, 1.6.2003) Es trug die Inschrift:
Winfried Freudenberg (32),
am 8. März 1989
bei dem Versuch,
mit einem selbst-
gebauten Gasballon
nach West-Berlin
zu flüchten,

nach Überqueren
der Grenze abgestürzt
und tödlich verunglückt.

Unter der Inschrift befand sich ein Bild des Verunglückten und ein Foto von der Bergung von Resten des Ballons.
Die Gedenktafel befindet sich an der Ecke Erdmann-Graeser-Weg und Goethestraße, am selben Ort, an dem auch das Gedenkkreuz stand.

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