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Widerstandsgruppe Schulze-Boysen/Harnack

Leipziger Straße 5-7

Gedenkstätte für die Widerstandsgruppe Schulze-Boysen/Harnack. Zur Erinnerung an ihren heldenhaften Kampf gegen Faschismus und Krieg und zur Mahnung an die Lebenden.

Die Gedenkstätte mit der Tafel befindet sich in der Pfeilerhalle des Bundesministeriums der Finanzen neben dem Haupteingang.
Im Reichsluftfahrtministerium (DDR: Haus der Ministerien, später Sitz der Treuhandanstalt, „Detlev-Rohwedder-Haus“) arbeitete der Luftwaffenoffizier Harro Schulze-Boysen, gemeinsam mit Arvid Harnack und dessen Frau Mildred führender Kopf der – von der Gestapo so benannten – Widerstandsgruppe "Rote Kapelle". Der Gruppe gehörten „Anhänger der (illegalen) KPD und anderer kleiner sozialistischer Gruppen an, daneben aber auch Künstler und Wissenschaftler, die aus stark humanitären Motiven das NS-Regime bekämpften“. Ab August 1942 erfolgten die Verhaftungen, insgesamt etwa 500. Das Reichskriegsgericht fällte über 50 Todesurteile, die überwiegend in Plötzensee vollstreckt wurden. Die im Westen Deutschlands lange als „Fünfte Kolonne Stalins“ diffamierte Gruppe erfuhr erst spät eine gerechte Würdigung. Zum 50. Jahrestag der Verhaftung Schulze-Boysens wurde in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand eine Ausstellung über die „Rote Kapelle“ eröffnet. Bei diesem Anlaß stellte Berlins Kultursenator Ulrich Roloff-Momin fest: „Die Rote Kapelle war ein wichtiger und integraler Bestandteil des deutschen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus.“

Zu der Gruppe, die den deutschen Teil einer europaweiten Widerstandsorganisation unter Leitung von Leo Trepper bildete, gehörten neben Harro Schulze-Boysen, Arvid und Mildred (16.9.1902 - 16.2.1943) Harnack u.a. an: Karl Behrens (Berlin 18.11.1909 - 13.5.1943), Cato Bontjes van Beek (Bremen 14.11.1920 - 5.8.1943), Liane Berkowitz (Berlin 7.8.1923 - 5.8.1943), Erika von Brockdorff (Kolberg/Pommern [Kołobrzeg/Polen] 29.4.1911 - 13.5.1943), Eva-Maria Buch (Berlin 31.1.1921 - 5.8.1943), Hans Coppi (Berlin 25.1.1916 - 22.12.1942), Hilde Coppi (Berlin 30.5.1909 - 5.8.1943), Ursula Goetze (Berlin 29.3.1916 - 5.8.1943), Wilhelm Guddorf (Melle Kr. Gent/Belgien 20.2.1902 -13.5.1943), Helmut Himpel (Schönau/Breisgau 14.9.1907 - 13.5.1943), Emil Hübner (Vater von Fri[e]da Wesolek, Berlin 26.3.1862 - 5.8.1943), Walter Husemann (2.12.1909 - 13.5.1943), Else Imme (Berlin 24.9.1895 - 5.8.1943), Annie (oder Anna) Kraus(s) (Bogen/Bayern 27.10.1884 - 5.8.1943), Walter Küchenmeister (Waldheim/Sachsen 9.1.1897 - 13.5.1943), Adam Kuckhoff (30.8.1887 - 5.8.1943), Ingeborg (Hamburg-Rahlstedt 23.8.1912 - 5.8.1943) und Hans-Heinrich (27.2.1903 - 4.2.1944) Kummerow, Friedrich Rehmer (Berlin 2.6.1921 - 13.5.1943), John Rittmeister (Hamburg 21.8.1898 - 13.5.1943), Klara Schabbel (Berlin 9.8.1894 - 5.8.1943), Philipp Schaeffer (Königsberg/Ostpreußen [Kaliningrad/Rußland] 16.11.1894 - 13.5.1943), Rose Schlösinger (Frankfurt/M. 5.10.1907 - 5.8.1943), Oda Schottmüller (Posen [Poznań/Polen] 9.2.1905 - 5.8.1943), Elisabeth (Darmstadt 28.4.1904 - 22.12.1942) und Kurt (Stuttgart 6.5.1905 - 22.12.1942) Schumacher, John Sieg (USA 3.2.1903 - 15.10.1942), Heinz Strelow (Hamburg 15.7.1915 - 13.5.1943), Marie Terwiel (Boppard/Rheinland 7.6.1910 - 5.8.1943), Erhard Tohmfor (+13.5.1943), Richard Weißensteiner (Pola/Italien 6.2.1907 - 13.5.1943), Fri[e]da Wesolek (Sommerfeld/Niederlausitz [Lubsko/Polen] 3.9.1887 - 5.8.1943), Stanislaus Wesolek (Posen [Poznań/Polen] 10.9.1878 - 5.8.1943).

Allein am 5.8.1943 starben unter dem Fallbeil in Berlin-Plötzensee binnen vierzig Minuten zwischen 19 Uhr und 19.40 Uhr 16 Angehörige der Widerstandsgruppe (13 Frauen und drei Männer). Die Leichen von Hingerichteten wurden für „medizinische Forschungszwecke“ zur Verfügung gestellt. Einer der Mediziner, die sich schon ab 1938 erfolgreich um Leichen Hingerichteter bemühten, war der Hallenser Fortpflanzungsforscher Prof. Dr. Dr. Hermann Stieve. "Er entnimmt ihnen, oft sofort nach der Tötung, eine Reihe von Organen und publiziert die Forschungsergebnisse - auch nach dem 'Zusammenbruch'. Er schildert zum Beispiel in der Zeitschrift 'Das deutsche Gesundheitswesen' vom 15.9.1946 eine 22jährige Frau, deren Monatsblutung 'infolge starker nervöser Erregung' elf Monate ausgeblieben war. Aber plötzlich trat, 'im Anschluß an eine Nachricht, die die Frau sehr stark erregt hatte (Todesurteil), eine Schreckblutung ein. Am folgenden Tag starb die Frau plötzlich durch äußere Gewalteinwirkung." (Ernst Klee, Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer, Frankfurt/M 1997; zit. nach Tsp, 24.11.1997) Es handelte sich nicht um die Verkündung des Todesurteils, das bereits am 18.1.1943 gefällt wurde, sondern um die Mitteilung des Vollstreckungstermins. Die emotionslose, nur an "wissenschaftlicher Forschung" interessierte Schilderung läßt etwas erahnen von der ungeheuren nervlichen Anspannung und Belastung während der Monate zwischen Verhaftung, Urteil und Ermordung der jungen Cato Bontjes van Beek, um die es sich handelte.

Bereits in der DDR wurde „im Foyer des Haupteinganges des Hauses der Ministerien (...) eine kleine würdige Gedenkstätte errichtet“. Ob diese bereits die wiedergegebene Inschrift trug, lässt sich schließen aus Hans Maur (Mahn-, Gedenk- und Erinnerungsstätten der Arbeiterbewegung in Berlin-Mitte, o.J., S. 84): "Zur Erinnerung an ihren heldenhaften Kampf gegen Faschismus und Krieg und zur Mahnung an die Lebenden."

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