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Sanatorium Schlachtensee

Spanische Allee 10-14

Das Sanatorium Schlachtensee

Gründerjahre und Glanzzeit
ln Schlachtensee entstand kurz vor der Jahrhundertwende ein Zentrum
für Nervenpflege, mit den Privatkliniken Fichtenhof, Kurhaus Hubertus
und Sanatorium Schlachtensee. Letzteres gewann an Bedeutung,
als seine Leiter Dr. Julius Weil und Dr. Salo Unger 1905 einen groß-
räumigen Neubau an der damaligen Viktoriastrafie errichteten. Das
„Alte Sanatorium” bezogen sie ein. Ihre Glanzzeit hatte die Klinik im
ersten Jahrzehnt, als Nervenschwache mit Gemütsschwankungen
in der bürgerlichen Gesellschaft als zeittypisches Krankheitsbild galt.
Der Schriftsteller Christian Morgenstern war einer der bekannten
Patienten des Hauses. Vor 1914 wandelte sich der Zeitgeist; statt
Nervosität war nun Nervenstärke gefragt und statt Heilbädern das
„Stahlbad”.

Schwierige Zwanziger und das Ende
Auch nach dem Kriege war Nervenheilung in stiller Waldlage kaum
zeitgemäß. Der bekannte Sanitätsrat Dr. Otto Juliusburger versuchte
mit der Übernahme einen Neuanfang und gab bald auf. Eigner des
Sanatoriums und angrenzender Grundstücke wurde 1921 der lettische
Kaufmann Moritz Mendelson. Sein Schwiegersohn, der Neurologe
Dr. llja Wolpert, wurde ärztlicher Leiter.
Die Judenverfolgung ab 1933 traf Klinik und Familie unmittelbar.
Schon 1934 emigrierte Dr. Wolpert mit seiner Frau Josefine nach
England. Zurück blieb die Witwe Rahel Mendelson. Sie war Eignerin
der Klinik und der Grundstücke Nr. 10-14, zusammen mit ihren
Töchtern Johanna und Lili. Das Sanatorium verwaiste, und ein Teil
der Gebäude wurde vermietet. Corder Catchpool, Leiter des
Internationalen Quäkerbüros in Berlin, zog in die Nr. 14. Ab 1933
unterstützte er politische Gefangene, darunter Carl von Ossietzky
und Hans Litten. Damit geriet auch er in Gefahr und ging 1936 zurück
nach England.

Enteignung und Nutzung durch die SS
Rahel Mendelson starb 1939, ihre Tochter Johanna Weinreich emi-
grierte in die USA. Lili Mendelson, Meisterlehrerin für Violine am
Stern’schen Konservatorium, erhielt 1935 Berufsverbot. 1941 gelangte
sie über einen Personenaustausch in die Sowjetunion und wurde
dort nach Sibirien verbannt, wo sie 1942 starb. Besitzer der Sana-
toriumsbauten wurde 1943 das Deutsche Reich. Den Anstoß für
diese Enteignung hatte die SS-Führung gegeben, zugunsten des
Hygiene-Instituts der Waffen-SS. 1943 zog es dort ein und wurde,
geführt von Dr. Joachim Mrugowsky, zu einer Leitzentrale für
Menschenversuche in Konzentrationslagern.
Zuvor waren die Gebäude zu „räumen”; die Volkszählung 1939 hatte
dort zehn jüdische Mieter registriert. Sechs starben nach der
Deportation in die Konzentrationslager Theresienstadt und Auschwitz.
Die Namen stehen auf den Stolpersteinen vor dem Pflegewohnheim
Spanische Allee 8~10.
Mrugowsky wurde im Nürnberger Ärzteprozess zum Tode verurteilt
und 1948 hingerichtet. Eine menschliche Medizin zog erst nach dem
Kriege wieder in die Sanatoriumsbauten ein. Der Verein zur Errichtung
Evangelischer Krankenhäuser pachtete sie von der US-Militärregierung,
erwarb sie später von der Familie Mendelson und ersetzte sie 1984
durch das heutige Hauptgebäude.
Hans H. Lembke

Rechts neben der Inschrift sind übereinander fünf Abbildungen zu sehen. Ihre Unterschriften lauten von oben nach unten:
Ansichtskarte Sanatorium, Altbau,
1908

Ansichtskarte Neues Sanatorium,
1905

Auszug aus Bezirkskarte 1926

Lili Mendelson, um 1933

Corder Catchpool, um 1935


Die Enthüllung der Stele fand am 6.7.2016 durch Bezirksstadträtin Cerstin Richter-Kotowski, den Medizinischen Direktor des Evangelischen Krankenhauses Hubertus, Dr. Matthias Albrecht, und Prof. Dr. Hans H. Lembke statt. Gestaltet wurde sie nach einem Entwurf von Karin Rosenberg. Sie steht hinter der niedrigen Backsteinmauer an der Grundstücksgrenze gut 30m entfernt von der Zufahrt zum Parkplatz des Krankenhauses.

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