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Paula Wendt

Bublitz/Pommern (Bobolice/Polen) 25.8.1897 - Berlin 1972

Lausitzer Platz 10

Hier wohnte
Paula Wendt
Gerechte unter
den Völkern
Yad Vashem, Israel
In diesem Haus lebte Paula Wendt, geb. Butzke, in einer Ein-
zimmerwohnung von 1936 bis zu ihrem Tod 1972. 2004 wurde sie
für ihre Unterstützung verfolgter jüdischer Menschen und für ihren
aktiven Widerstand gegen das Nazi-Regime von der Holocaust-
Gedenkstätte Yad Vashem, Israel, gemeinsam mit ihrer Schwester
Ida Röscher als “Gerechte unter den Völkern” geehrt.

Paula Wendt, geb. 1897 in Bublitz, Pommern, arbeitete nach ihrer
Ankunft in Berlin 1928 in der Buchbinderei und Druckerei von Adolf
und Frida Wiegel in der Köpenicker Straße 115. Ihre Schwester Ida
Röscher war Hausdame bei den Wiegels und später auch stille
Teilhaberin in deren Firma.

Paula Wendt, Ida Röscher und das Ehepaar Wiegel halfen in der
Nazi-Zeit jüdischen Zwangsarbeitern in ihrem Betrieb: sie boten
ihnen Verstecke, druckten falsche Ausweise und finanzierten
Tickets zur Flucht nach Shanghai. So beherbergte Paula Wendt
in ihrer Einzimmerwohnung das jüdische Ehepaar Gertrude und
Werner Scharff. 1944 schloss sie sich der von Werner Scharff
gegründeten Widerstandsgruppe “Gemeinschaft für Frieden und
Aufbau” an und verteilte Anti-Hitler- und Anti-Kriegs-Flugblätter.

Am 12. Oktober 1944 wurden die beiden Schwestern und das Ehe-
paar Wiegel von der Geheimen Staatspolizei verhaftet. Begründung
in dem Gestapo-“Schutzhaftbefehl” für Paula Wendt: “Sie gefährdet
nach dem Ergebnis der staatspolizeilichen Ermittlungen durch ihr
Verhalten den Bestand und die Sicherheit des Volkes und Staates,
Begünstigung von flüchtigen Juden, die sich mit falschen Namen
und Papieren als Arier getarnt hatten.”

Alle vier waren im Gestapo-Gefängnis am Alexanderplatz äußerst
gewalttätigen Verhören ausgesetzt. Danach wurden die drei Frauen
in das “Arbeitserziehungslager” Fehrbellin bei Berlin verschleppt.
Dort mussten sie bis zu ihrer Befreiung durch die sowjetische Armee
am 24. April 1945 zusammen mit 700 anderen Frauen in einer Bast-
faserfabrik Zwangsarbeit leisten. Viele Frauen starben dort an den
brutalen “Lebensbedingungen” und gewalttätigen Übergriffen.

Adolf Wiegel kam in das “Arbeitserziehungslager” Wuhlheide in
Berlin. Er wurde am 8. April 1945 auf dem Todesmarsch der Häftlin-
ge vom Lager Wuhlheide nach Dachau (Bayern) in Thüringen von
SS-Angehörigen erschossen und im Straßengraben verscharrt.

Körperlich und seelisch schwer gezeichnet, zog Paula Wendt
im April 1945 wieder in ihre Wohnung hier im Haus ein. Arbeits-
fähig war sie nicht mehr. In den 50er Jahren fand sie allmählich
ihre Lebensenergie wieder und erfreute sich an einem lebendigen
Familienleben, aber viele ihrer traumatischen Erlebnisse blieben bis
zu ihrem Tod unausgesprochen. Erst 1952 wurde sie als Verfolgte
des Nazi-Regimes anerkannt.

Alle drei Frauen äußerten nach dem Krieg, dass sie und Adolf
Wiegel es als ihre “menschliche Pflicht” ansahen, zu helfen, auch
wenn sie dabei ihr eigenes Leben riskieren mussten. Adolf und
Frida Wiegel wurden 2005 in Yad Vashem ebenfalls als “Gerechte
unter den Völkern” geehrt.

(Ausweisfoto)
Paula Wendt
Righteous Among the Nations
Paula Wendt, née Butzke, lived in this house in a one-room apart-
ment from 1936 until her death in 1972. In 2004, she was honoured
for her support of persecuted Jewish people and for her active
resistance against the Nazi regime by the World Holocaust
Remembrance Center Yad Vashem, Israel, together with her sister
Ida Röscher, as “Righteous Among the Nations”.

After her arrival in Berlin in 1928 Paula Wendt, born in 1897 in
Bublitz, Pomerania, worked in the bookbinding and printing shop
of Adolf and Frida Wiegler at Köpenicker Straße 115. Her sister Ida
Röscher was a housekeeper for the Wiegels and later also a silent
partner in the company.

During the Nazi era Paula Wendt, Ida Röscher and the Wiegels
helped Jewish forced labourers who worked for the company.
They offered them hiding places, printed false identity cards and
financed tickets to escape to Shanghai. Paula Wendt housed the
Jewish couple Gertrude and Werner Scharff in her apartment. In
1944, she joined the resistance group “Community for Peace
and Reconstruction” founded by Werner Scharff and distributed
anti-Hitler and anti-war leaflets.

On October 12, 1944, the two sisters and the Wiegel couple were
arrested and subjected to extremely violent interrogations in the
Gestapo prison. Afterwards, the three women were deported to the
Fehrbellin “labour education camp” near Berlin. Together with 700
other women, they were forced to work in a bast fiber factory until
their liberation by the Soviet Army on April 24, 1945. Many women
died there from the brutal “living conditions” and violent assaults.

Adolf Wiegel was sent to the “labour education camp” at Wuhlheide
in Berlin. On April 8, 1945, during the death march of the prisoners
from Wuhlheide camp to Dachau (Bavaria) he was shot by SS
members and left in a roadside ditch.

Physically and mentally severely scarred, Paula Wendt moved back
into her apartment here in this house in April 1945. She was no
longer able to work. She gradually regained her vitality in the 1950s
and enjoyed a vibrant family life, but many of her traumatic expe-
riences remained unspoken until her death. It was not until 1952
that she was recognized as a persecutee of the Nazi regime.

After the war the three women expressed that they and Adolf
Wiegel felt it was their “human duty” to help even if it meant risking
their own lives. In 2005 Adolf and Frida Wiegel were also honoured
as “Righteous Among the Nations”.

Die Tafel ging aus einer Initiative von Anwohnenden hervor, ausgehend von einem am 26.4.2014 verlegten Stolperstein für Paula Wendt vor dem Haus. Für die Recherchen und Text zeichnen sich Christoph Albrecht, Reiner Redmann, Christiana Hoppe und Catharina Hansen verantwortlich. Die Tafel wurde gestaltet von Sarah Mia Böhm und am 22.8.2022 enthüllt. Der Text ist zweisprachig in Deutsch und in Englisch gefasst.
Für Ida Röscher (Bublitz/Pommern [Bobolice/Polen] 24.3.1896), Adolf Wiegel (Berlin 25.6.1881 - bei Sonneberg/Thüringen 8.4.1945) und Frida Wiegel (Berlin 15.3.1891 - Berlin 8.11.1964) gibt es ebenfalls am 26.4.2014 verlegte Stolpersteine am ehemaligen Wohnort Köpenicker Straße 36-38.

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