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Lans-, Taku- und Iltisstraße

Lansstraße 8

Lans-, Taku- und Iltisstraße
Das Straßenensemble Lans-, Taku- und Iltisstraße erinnert an die Rolle
des Deutschen Reiches im Kolonialkrieg in China während der Jahre
1900-1901. Als Boxerkrieg ging er in die Geschichte ein. Der Krieg gegen
das chinesische Kaiserreich wurde am 17. Juni 1900 mit der Schlacht um
die Taku-Forts (heutige Umschrift: Dagu) eröffnet. Korvettenkapitän Wilhelm
Lans beteiligte sich als Befehlshaber des Kanonenboots „Iltis” an der
Eroberung der chinesischen Befestigungsanlage.

„Boxer” und „fremde Teufel”
1897 hatte das Deutsche Reich die Halbinsel Jiaozhou („Kiautschou”) in
Ostchina besetzt und einen Pachtvertrag erzwungen. Das Gebiet wurde
zur deutschen Kolonie, die Stadt Qingdao zum Flottenstützpunkt. Im
Umgang mit der chinesischen Bevölkerung verbanden sich weltpolitische,
wirtschaftliche und militärische Interessen des Deutschen Reiches mit
zivilisatorischen und rassistischen Überlegenheitsgefühlen sowie
christlichem Sendungsbewusstsein.
Ab 1899 regte sich Widerstand im deutschen Kolonialgebiet: Vielerorts
wurden Ausländer und Christen von sogenannten Boxern angegriffen. Als
„Boxer” wurden sie bezeichnet, weil Beobachter ihren traditionellen
chinesischen Kampfstil als Form des Boxens deuteten. Die Kämpfer selbst
sahen sich als „Verband für Gerechtigkeit und Harmonie” (Yihetuan). Ihre
Gewalt verstanden sie als Mittel zur Abwehr der „fremden Teufel”, also
der Kolonialmächte.
Im Frühsommer 1900 hatten die Unruhen auf weite Teile Nordchinas
übergegriffen. Selbst Peking schien nicht mehr sicher: Hier wurden
Ausländer und chinesische Christen im internationalen Gesandschaftsviertel
belagert, ihre Quartiere beschossen. Als in dieser angespannten Situation
die Dagu-Forts besetzt wurden und der deutsche Gesandte Clemens von
Ketteler ermordet wurde, kam es zum Krieg: Acht Kolonialmächte standen
gegen das chinesische Kaiserreich und die Boxer.

„Pardon wird nicht gegeben”
Der Kolonialkrieg wurde durch das deutsche, italienische, französische,
österreichisch-ungarische, britische, russische, US-amerikanische und
japanische Militär mit äußerster Härte auch gegen die Zivilbevölkerung
geführt. Deutsche Marinesoldaten waren aus Bremerhaven mit der
„Hunnenrede” Kaiser Wilhelms II. Nach China geschickt worden. Die
Schlüsselpassage lautete: „Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden
nicht gemacht!”
Der Krieg war nach wenigen Wochen entschieden. Mitte August 1900
wurde Peking durch die Kolonialmächte besetzt. Der chinesische Kaiserhof
floh aus der Hauptstadt, die Boxer waren geschlagen. Aus Europa trafen
zum gleichen Zeitpunkt weitere Truppen ein. An ihrer Spitze stand der
deutsche Generalfeldmarschall Alfred Graf von Waldersee, das Deutsche
Reich stellte auch das größte Kontingent an Soldaten. Da die militärischen
Auseinandersetzungen vorüber waren, lag ihre Hauptaufgabe in der
Durchführung von „Strafexpeditionen”: Erklärtes Ziel war es, den
verbleibenden Widerstand zu brechen und sich für den Aufstand der Boxer
zu rächen. Peking und andere Städte wurden geplündert, Dörfer im Umland
niedergebrannt. Vielerorts kam es zu Massakern.
Die Zahl von Menschen, die der alliierten Kriegsführung zum Opfer fielen,
lässt sich nicht beziffern. Schätzungen sprechen von mehreren
hunderttausend Toten. Hinzu kamen unzählige Verletzte sowie eine hohe
Dunkelziffer chinesischer Frauen, die Opfer von Vergewaltigungen wurden.
Ihnen gegenüber standen rund 250 Ausländer und einige tausend christliche
Chinesen, die vor und während des Kolonialkrieges durch Boxer getötet
wurden.
Den Abschluss des Kolonialkrieges bildete ein Friedensabkommen, das
„Boxerprotokoll” (1901). Man zwang China, Verantwortung für den Ausbruch
des Krieges zu übernehmen, die Kolonialmächte zu entschädigen und
ihnen noch weitreichendere Rechte einzuräumen. Die Handlungsfähigkeit
Chinas wurde durch hohe Reparationszahlungen langfristig eingeschränkt.
Im Jahr 1924 wurde der 7. September als Jahrestag der Unterzeichnung
des Boxerprotokolls in China zum „Tag der Nationalen Schande” erklärt.
Hauke Neddermann

Auf der rechten Seite der roten Stele befinden sich übereinander vier Abbildungen und ein Foto. Von oben nach unten: Schauplatz des „Boxer”-Krieges; Kämpfe zwischen „Boxern” und Preußen, China, um 1900; Wilhelm Lans; Der Angriff auf die Taku-Forts; Das deutsche Kriegsschiff Iltis.

Konzeption und Gestaltung der Stele lagen bei Karin Rosenberg. Die Einweihung durch Bezirksstadträtin Cerstin Richter-Kotowski und Kulturamtsleiterin Sabine Weißler in der Lansstraße 8 (gegenüber der Einmündung der Iltisstraße) war am Montag, dem 20.6.2011, um 11 Uhr. Außer ihnen sprach der Sinologe Hauke Neddermann.

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