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Karl Wolffsohn
Karl Wolffsohn
Karl Wolffsohn
Karl Wolffsohn

Karl Wolffsohn

Wollstein (Wolsztyn/Polen) 16.5.1881 - Berlin 6.12.1957

Stölpchenweg (vor der Hubertusbrücke)

(Vorderseite)
Der Filmpionier Karl Wolffsohn
am Stölpchensee
Treffpunkt der Filmwelt
Am Südostufer des Stölpchensees, direkt am heutigen Griebnitzkanal,
lebte von 1924 bis 1938 Karl Wolffsohn (1881 – 1957) mit seiner Familie.
Er zählte zu den Pionieren der deutschen Film- und Unterhaltungs-
industrie und war Mitbegründer sowie ab 1937 alleiniger Eigentümer
der heute denkmalgeschützten Wohnanlage Gartenstadt Atlantic mit
dem Großkino „Lichtburg“ in Berlin-Gesundbrunnen.
1924 pachtete Karl Wolffsohn das rund 7500 qm große Grundstück
einschließlich Landvilla, Gärtnerhaus und Bungalow. Hier, in unmittel-
barer Nähe der Filmstadt Babelsberg, traf sich bei Karl und Recha
Wolffsohn (1887 – 1972) fortan die damalige Welt des Films. 1935
kaufte Karl Wolffsohn das gesamte Anwesen. Dass ein Jude noch
1935 - unmittelbar vor den sogenannten “Nürnberger Gesetzen” -
eine deutsche Immobilie kaufen durfte und nicht verkaufen oder die
“Arisierung” seines Besitzes hinnehmen musste, die einem Raub
gleichkam, war ungewöhnlich. Obwohl unter nationalsozialistischer
Kontrolle, hatte das Amt des Zehlendorfer Bezirksbürgermeisters
diesen Kauf genehmigt.

Raub durch die Nationalsozialisten
Im August 1938 kam Karl Wolffsohn in Gestapo-„Schutzhaft“. Er hatte
sich geweigert, die Gartenstadt Atlantic und das Kino „Lichtburg“
„arisieren“ zu lassen. In der „Schutzhaft“ wurde er schließlich gezwungen,
die Enteignung seines Besitzes hinzunehmen, und wurde daraufhin
im Februar 1939 aus der Haft entlassen. Im März 1939 floh er nach
Britisch-Palästina. Das war gleichbedeutend mit dem Verlust seines
gesamten Vermögens, einschließlich seines Anwesens am
Stölpchensee. Bei der Zwangsversteigerung 1941 erwarb das
Spitzeninstitut der deutschen Sparkassen und Kommunalbanken
das Anwesen. Zuvor hatte es sich verpflichtet, das Anwesen in eine
Erholungsstätte für seine Angestellten umzuwandeln. Tatsächlich zog
ihr Geschäftsführer ein.

Rückerstattung und neuer Verlust
Um ihr geraubtes Vermögen nicht den NS-Profiteuren zu überlassen,
kehrten Karl und Recha Wolffsohn 1949 trotz allem und nach allem
aus Israel nach Deutschland zurück. Für Karl Wolffsohn begann der
jahrelange, meist vergebliche Kampf um Rückerstattung. Er scheiterte
an der nur mangelhaft entnazifizierten westdeutschen Justiz. Die
Gartenstadt Atlantic konnten er und sein Sohn Max (1919-2000)
jedoch gerichtlich zurückerkämpfen. Das teils von der Roten Armee
zerstörte und völlig heruntergekommene Stölpchensee-Anwesen
wurde Karl Wolffsohn 1954 rückübertragen. Doch bereits zwei Jahre
später verweigerte der Bezirk Zehlendorf Max Wolffsohn, auf dem
Grundstück notwendige Baumaßnahmen durchzuführen, mit der
Begründung, dass ein Gesamtbebauungsplan noch nicht vorliege
und sich das Grundstück in einer geplanten öffentlichen Grünfläche
befinde. Nach fast zehnjährigem ergebnislosen Hin und Her sah Max
Wolffsohn 1965 schließlich keine andere Möglichkeit mehr, als in den
Verkauf des Grundstücks an den Bezirk einzuwilligen.
Der Familie wurde gestattet, das Grundstück bis zum Baubeginn zu
nutzen. 1976/77 musste Familie Wolffsohn das von ihr genutzte Garten-
teilstück sowie den Bungalow räumen. Die Mieter der übrigen Wohnungen
durften bis 1984 bleiben. Erst 1986 wurde alles abgerissen. Eine
öffentliche Grünfläche hat der Bezirk am Stölpchensee nie realisiert.
Thomas Brechenmacher

(Rückseite)
Karl Wolffsohn
Der jüdische Verleger des Filmfachblatts „Lichtbild-Bühne“ (LBB) und
Filmunternehmer Karl Wolffsohn engagierte sich ab den 1910er
Jahren bis zum Ende der Weimarer Republik für den Wandel des
anfangs kleinteiligen deutschen Filmgewerbes zu einer international
wettbewerbsfähigen Filmindustrie, die sich mit künstlerisch wertvollen
Produktionen weltweites Ansehen verschaffte.
Geboren am 16. Mai 1881 in Wollstein (Wolsztyn, Polen), erlernte
Karl Wolffsohn in der väterlichen Druckerei und beim Ullstein-Verlag
in Berlin das Handwerk der „schwarzen Kunst“. Von 1901 bis 1905
besaß er mit Bruder Willy (1875 – 1914), dann allein die Gebr. Wolffsohn,
Buch- und Kunstdruckerei in der Kreuzberger Naunynstraße 38. 1908
gründeten seine Brüder Jacob (1880 – 1915) und Max (1885 – 1919)
in der Michaelkirchstraße 17 die Gebr. Wolffsohn GmbH, Buchdruckerei
und Verlag, und ernannten Karl zum Geschäftsführer. Das Trio erhielt
im April 1910 den Auftrag, die Wochenausgabe der LBB zu drucken,
und erwarb im folgenden Juni den Berliner Verlag.
Nach dem Tod von Jacob und Max führte Karl Wolffsohn die
Gebr. Wolffsohn GmbH in der Weimarer Republik erfolgreich allein
weiter. 1924 gelang es ihm, den Ullstein-Konzern als Minderheits-
gesellschafter zu gewinnen und das kleine Familienunternehmen zu
einem mittelständischen Betrieb auszubauen. Sein Verlag in der
Friedrichstraße 225 mit Druckerei, Buchbinderei und Klischeeanstalt
beschäftigte 1931 rund 150 Personen. Daneben publizierte Wolffsohn
Fachbücher zum Film, darunter die Standardwerke „Reichs-Kino-
Adreßbuch“ und „Jahrbuch der Filmindustrie“.
Wolffsohn verstand sich als Unternehmer im buchstäblichen Sinn.
So beteiligte er sich an den 1919 und 1929 eröffneten Berliner Varietés
Scala und Plaza, betrieb allein ab 1929 in Essen und Berlin die neu
erbauten Kinos „Lichtburg“ mit je 2.000 Plätzen, daneben drei
mittelgroße Kinos in Köln und Düsseldorf. Um in Deutschland die
neu entstehende Filmwissenschaft zu fördern, machte der Verleger
das weltweit einzigartige LBB-Archiv mit Bibliothek ab dem
30. Mai 1927 der Öffentlichkeit zugänglich. Der Bestand umfasste
Fotos, Schriftgut, Monographien und Filme aus der Frühzeit der
Kinematographie, ergänzt um deutsche Dissertationen zum Film.
Seit Beginn der nationalsozialistischen Diktatur widersetzte sich
Wolffsohn energisch, doch letztlich vergeblich der erzwungenen
Übertragung seines beträchtlichen Firmen- und Privatvermögens an
nichtjüdische Profiteure. Nach dem Exil in Palästina von 1939 bis
1949 lebte er wieder in Berlin. Skeptisch gegenüber dem ernsthaften
Interesse der westdeutschen Justiz, ehemals verfolgten deutschen
Juden zu ihrem recht zu verhelfen, erreichte Wolffsohn vor seinem
Tod am 6. Dezember 1957 in langwierigen juristischen Verfahren um
Wiedergutmachung und Entschädigung bestenfalls eine Geldzahlung
oder die Rückgabe geringfügig beschädigter Immobilien.
Ulrich Döge

Auf jeder Seite der Stele sind rechts neben dem Text übereinander fünf Fotos resp. Abbildungen. Die Bildunterschriften lauten (Frontseite v. o. n. u.):
Karl und Recha Wolffsohn, um 1925
Institut für Zeitgeschichte (IfZ) Archiv,
Nachlass Karl Wolffsohn, BA 00035854

Villa am Stölpchensee
IfZ Archiv, Nachlass Karl Wolffsohn,
BA 00035858_L_1648_Berlin

Villa am Stölpchensee, Gartenseite
IfZ Archiv, Nachlass Karl Wolffsohn,
BA 00035858_R_1648_Berlin

Karl, Thea, Michael und Recha
Wolffsohn, um 1955
IfZ Archiv, Nachlass Karl Wolffsohn,
BA 00035848

Altenumschlag der Grundstücksakte
mit dem Vermerk „Abgeräumt 18.11.86“
Landesarchiv Berlin, B Rep. 210,
Nr. 1823


(Rückseite, v.o.n.u.)
Karl Wolffsohn, um 1939
Institut für Zeitgeschichte (IfZ) Archiv,
Nachlass Karl Wolffsohn, BA 00035855

Titelblatt der „Lichtbild-Bühne“,
7. Jahrgang, Nr. 30, 30. Mai 1914


Karl Wolffsohn mit dem Dokumentar-
filmer Robert Flaherty im Bibliotheks-
saal der „Lichtbild-Bühne“
Ein Leben für den Film. Zum
50. Geburtstag von Karl Wolffsohn,
Berlin 1931, S. 26

Außenfassade des Kinos „Lichtburg“
in Berlin, um 1929
IfZ Archiv, Nachlass Karl Wolffsohn,
BA 00035879, Fotograf: Martin Höhlig

Karl Wolffsohn, um 1950
IfZ Archiv, Nachlass Karl Wolffsohn,
BA 00035853

Enthüllt wurde die von Karin Rosenberg gestaltete Stele am 13.12.2023. Sie steht am Rande eines Waldwegs vor der Nordostecke der Hubertusbrücke neben einer neu aufgestellten Bank. Zum Betrachten der Rückseite muss man an das etwas abfallende Gelände am Wald treten. Zur Enthüllung sprachen (in der Reihenfolge) die Bezirksstadträtin für Bildung, Kultur und Sport, Cerstin Richter-Kotowski, die Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Cornelia Seibeld, und Prof. Dr. Michael Wolffsohn, Enkel von Karl Wolffsohn. Unter den gut 30 Anwesenden befanden sich der Staatssekretär für Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Oliver Friederici, und der Bezirksverordnetenvorsteher von Steglitz-Zehlendorf, René Rögner-Francke.

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