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Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis Moabit: Bau- und Nutzungsgeschichte ab 1842

Lehrter Straße 5b

Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis Moabit
Moabit Prison Historical Park

[linke Spalte]
BAU- UND NUTZUNGSGESCHICHTE AB 1842

Gefängnisreform in Preußen und
Bau des Zellengefängnisses Moabit
Außerhalb der Stadtmauer Berlins entstand auf dem Gelände
der ehemaligen Königlichen Pulvermühle von 1842 - 1849 das
Zellengefängnis Moabit. Es wurde nach einem Entwurf des
Architekten Carl Ferdinand Busse (Schüler u. Mitarbeiter von Carl
Friedrich Schinkel) gebaut und galt als das erste Mustergefängnis
in Preußen.
Dem voraus ging eine von Friedrich Wilhelm IV., König von
Preußen, eingeleitete Gefängnisreform. Die Gefangenen soll-
ten nicht länger in Gemeinschaftszellen, wie sie bisher üblich
waren, sondern in Einzelzellen untergebracht werden. Statt der
bisher üblichen körperlichen Bestrafung wurde der Versuch
unternommen, die Gefangenen durch die Einzelhaft moralisch
zu läutern. Da Kriminalität gewissermaßen als ansteckend galt,
versprach man sich von Isolation und Einzelhaft eine Besserung
der Häftlinge.
Vorbild für das Zellengefängnis Moabit war das Gefängnis
Pentonville in London, das nach dem sogenannten panoptischen
System errichtet war. Von einem runden, mit einer Kuppel
versehenen Zentralbau zweigten vier Zellenbauten und der
Verwaltungsflügel sternförmig ab. Der Vorteil dieses Bautyps war
die personalsparende Überwachung der Anstalt. Nach einem
Besuch in London war Ferdinand Busse von dem Gefängnis-
konzept in Pentonville so begeistert, dass er den König davon
überzeugte, eine Kopie dieser englischen Strafanstalt nachzu-
bauen und nur die Fassaden architektonisch zu verändern.
Neben dem Zellengebäude mit ca. 520 Einzelzellen enthielt der
Gesamtkomplex Wohnhäuser für die Gefängnisbeamten, Gärten,
Friedhöfe, eine Kirche, ein Schulgebäude sowie eine Hinrich-
tungsstätte.

[rechte Spalte]
Isolationshaft
Um die Isolationshaft konsequent durchführen zu können,
mussten die Gefangenen, sobald sie ihre Zelle verließen, eine
Mütze mit einem heruntergeklappten Schirm tragen, der ihr
Gesicht verdeckte. In der Kirche und in den Schulräumen saßen
sie in senkrechten Holzkisten, die ihnen nur den Blick nach vorn gestatten.
Da es bei den Hofgängen trotz starker Überwachung immer
wieder zu geflüsterten Gesprächen kam, wurden nach einigen
Jahren drei Spazierhöfe angelegt, die in jeweils 20 Einzelhöfe
unterteilt waren. Hohe Trennmauern verhinderten jeglichen
Kontakt untereinander.
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die strenge Isola-
tionshaft langsam gelockert. Die Spazierhöfe blieben jedoch bis
1910 erhalten.

Summary
The cellular prison in Moabit, constructed between 1842 and 1849 was
Prussia's model penal institution following the prison reform introduced
by King Friedrich Wilhelm IV. In lieu of communal cells and corporal
punishment, the reformers devised a system of isolation with individual
cells for the moral betterment of prisoners. They were cut off from each
other at all times: at night in their cells, in chapel, in the schoolhouse and
during walks in the prison yard.
Until 1910, the yards were divided up into 20 walking areas to prevent
prisoners from making eye contact or conversing with each other.
The prison building, constructed according to a design by Carl Ferdinand
Busse, was modelled on Pentonville prison in London, which employed
a panoptic system. The only architectural modification were the facades.
Four cell blocks and an administrative wing branched off from a domed
central structure in a star-like formation (Fig. 2). The advantage of this style
of building was that it required less security personnel.

Auf der Acryltafel befinden sich drei Abbildungen mit folgenden Bildunterschriften:

oben links: Abb. 1: Zellengefängnis Moabit, gezeichnet von F.A. Borchel, gestochen von F. Foltz, 1855 (Landesarchiv Berlin)

Mitte rechts: Abb. 2: Zellengefängnis Moabit. Perspektivische Darstellung der Gesamtanlage, beschriftet

unten: Abb. 3: Zellengefängnis Moabit, Ansicht der Hauptfassade und des Torgebäudes mit daranstoßenden Wohngebäuden für Verwaltungsbeamte
(Abb. 2 und 3: lithografische Tafeln aus Wilke, Karl: Baueinrichtung und Verwaltung der königlichen neuen Strafanstalt (Zellengefängnis) bei Berlin, Berlin 1872)

Text und Layout: Glaßer und Dagenbach, Garten- und Landschaftsarchitekten, Berlin, www.glada-berlin.de

 

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