zurück zur Suche

Gedenkort Rummelsburg Gruppe C Sophie B.

1879 - 1941

Friedrich-Jacobs-Promenade

[linke Spalte]
Als ich im Oktober 1937 nach Rum-
melsburg kam, war ich alkoholkrank,
entmündigt und blind. Knapp sechs
Monate nach meiner Einlieferung
nahm ich eine Malzbierflasche und
schmiss sie gegen eine Fensterscheibe.
Dazu erklärte ich später, dass ich in eine
Blindenanstalt verlegt werden
wollte. Wegen „hochgradiger Erregung“
wies mich der Rummelsburger An-
staltsarzt Dr. Grimm aber stattdessen
in die Heilanstalt Herzberge ein.
Dort notierte ein anderer Arzt, dass
ich genau wisse, dass ich nun in der
Irrenanstalt sei. Ich sei tief traurig,
dass ich so enden müsse, nach einem
schönen Leben, sei ich dort als Bett-
lerin gelandet.
Ihm erzählte ich auch, dass ich vor
meinem Abstieg lange mit einem
Mann zusammengelebt habe. Zusam-
men reisten wir unter anderem nach
Paris, Venedig und Neapel.
Darüber wollte ich einen Film machen.
Um an Geld zu kommen, habe ich
später mit meinem Bruder ein Immobi-
liengeschäft eröffnet, das aber Pleite
gegangen sei. Als das Geld dann zu
Ende war, habe ich mit dem Trinken
angefangen. Drei Liter Bier und mehr
pro Tag seien es gewesen, behauptete
eine Mitarbeiterin der Caritas, die
mich einmal heimlich in einer Kneipe
beobachtete. Ich bin „immer tiefer
gesunken“, sagte ich dem Arzt.
(nach einer Patientenakte)
Herzberge blieb nicht die letzte Station von Sophie B.
Es folgte eine Odyssee durch weitere Krankenhäuser
und Heime. Zuletzt wurde sie 1940 in ein Altersheim
in Buch überwiesen. Das Foto von Sophie B. wurde
aus einer Patientenakte entnommen.

[rechte Spalte]
Sophie B.
1870 – 1941
When I arrived in Rummelsburg in
October 1937, I was an alcoholic, blind,
and declared legally incapable. Barely
six months after I had been admitted,
I grabbed a bottle of malt beer and
threw it at a window pane. Later on, I
told them that I wanted to be trans-
ferred to a home for the blind. Due to
[my] ‘extreme agitation’, Dr. Grimm,
the resident asylum physician, com-
mitted me instead to Herzberge
Sanatorium.
There, a different doctor noted that I
knew very well that I was now in a
mental asylum. I was very sad that I
had to end up like this: after a won-
derful life, I was now classed a beggar.
I also told him that well before I expe-
rienced my decline, I had been living
with a man. Together, we had travelled
to Paris, Venice and Naples. I had
wanted to make a film about this. In
order to get the money, I later opened
a real estate business with one of my
brothers, but it went bankrupt. When
the money had all gone, I started
drinking. I was downing three litres
of beer or more every day, according
to a Caritas member who had been
secretly watching me in a pub. I told
the doctor that I had fallen deeper
and deeper.
(according to a case file)

Herzberg was not the last stage in Sophie B.’s
downfall. She passed through other hospitals and
homes, too. Ultimately, in 1940, she was transferred
to an old people’s home in Buch. The photo came
from her patient’s file.

Die Stele gehört zu einer Dreiergruppe zusammen mit den Stelen für Auguste Löwenthal und Marie R. an der Friedrich-Jacobs-Promenade in Höhe des Hauses Hildegard-Marcusson-Straße 21. In ihrem oberen Teil befindet sich ein Foto von Sophie B.

zurück