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Gedenkort Rummelsburg Gruppe C Auguste Löwenthal

7.4.1871 - Bernburg Januar 1941

Friedrich-Jacobs-Promenade

[linke Spalte]
Ich war 67 Jahre alt, als ich im Juni
1939 von der Kriminalpolizei festge-
nommen wurde. Ich war denunziert
worden, in meiner Wohnung in Fried-
richshain als Prostituierte zu arbeiten.
Ich hätte mich der „Rassenschande“
schuldig gemacht, da ich als Jüdin,
auch „arische“ Kunden empfangen
habe, so die Kriminalpolizei. Ich stelle
eine „Gefahr für die deutschblütige
Männerwelt“ dar.
Als sie mir androhten, mich als „aso-
ziale Jüdin“ in Vorbeugehaft zu neh-
men, unterschrieb ich einen Antrag
auf „freiwillige“ Einweisung in das
Arbeitshaus Rummelsburg. Sollte ich
mich nicht dort der „Anstaltszucht
fügen“, drohte mir die Polizei mit der
Überstellung in ein Konzentrationslager.
(nach einer Polizeiakte)

Getarnt als „Sonderaktion“ zur Verlegung in den Osten
wurde Auguste Löwenthal am 13. Januar 1941 mit
den 29 anderen jüdischen Arbeitshaus-Insassen ab-
transportiert. Sie kamen in das Hufeland-Hospital in
Buch, wo sie vier Tage blieben. Anschließend wurden
sie in einem Bus in die Tötungsanstalt Bernburg ge-
bracht. Dort mussten sie sich in Dreier-Gruppen nackt
ausziehen, dann wurden sie einem Arzt vorgeführt,
fotografiert und schließlich in einen zur Gaskammer
umfunktionierten Duschraum geführt. Eine Kranken-
schwester, die auch den Transport aus Buch begleitet
hatte, beschrieb die üblichen Abläufe so: „Wir mussten
den Kranken sagen, dass sie in dem Raume gebadet
würden. In Wirklichkeit war es so, dass in diesen Gas-
räumen etwa 35 Personen gesammelt wurden und
dann wurde (…) der Gashahn geöffnet …“.
Die Ermordung der jüdischen Insassen des Arbeits-
lagers Rummelsburg war Teil von mehreren Mord-
aktionen im Reichsgebiet, die sich 1940/41 im
Rahmen der NS-Euthanasie gezielt gegen jüdische
Patienten richteten. Mehrere tausend Menschen
fielen dem zum Opfer.
Die Polizeiakte enthält kein Foto von ihr.

[rechte Spalte]
Auguste Löwenthal
1871 – 1941

[Abbildung]

I was sixty-seven years old when I was
arrested by the Criminal Investigation
Department in June 1939. I was de-
nounced for working as a prostitute in
my flat in Friedrichshain. I was found
guilty of committing Rassenschande
(racial defilement), because I, as a Jew-
ish woman, had also received ‘Arian’
clients, according to the Criminal In-
vestigation Department. I represented
a ‘danger to world of German-blooded
men’.
When they threatened to put me in
preventive custody as an ‘asocial Jew-
ish woman’, I signed an application
for ‘voluntary’ admission to Rummels-
burg Workhouse. In case I failed to
‘adapt to workhouse discipline’ when
I was there, the police threatened to
commit me to the concentration camp.
(according to a police file)

On 13 January 1941, Auguste Löwenthal and all twen-
ty-nine other Jewish inmates from the workhouse
were put in a transport. The move was disguised as
a ‘special operation’ designed to transfer all Jewish
workhouse inmates to the East on 13 January 1941.
They were taken to the Municipal Hufeland Hospital
in Buch, were they remained for four days. From there,
they were transported by bus to Bernburg Killing
Centre, where they had to undress completely in
groups of three. Once they had done so, they were
shown to a doctor, photographed, and finally led into
a shower that had been converted into a gas chamber.
A nurse, who accompanied the transport from Buch,
described the standard procedure as follows: “We had
to tell the sick that they would be washed in this room.
In reality, however, about thirty-five people were as-
sembled in these gassing-rooms and then (…) the
gas tap was turned on …”
The murder of Jewish inmates at Rummelsburg Work-
house was one of many murder operations carried
out in the territory of the German Reich and directed
specifically against Jewish patients within the frame-
work of the Nazi ‘euthanasia’ programme in 1940-45[!].
Several thousand human beings paid with their lives.
The police file does not contain any photos of her.

Die Stele gehört zu einer Dreiergruppe zusammen mit den Stelen für Sophie B. und Marie R. an der Friedrich-Jacobs-Promenade in Höhe des Hauses Hildegard-Marcusson-Straße 21. In ihrem oberen Teil befindet sich ein verschwommenes Foto einer Frau.
In der rechten Spalte ist über dem Fließtext eine Kostenaufstellung mit folgender Unterschrift abgebildet:
„Nachweisung“ Städtisches Hufeland-Hospital, 1. April 1941
Certificate receipt „Evidence“ Urban Hufeland Hospital,
1. April, 1941

In der DDR wurde das Schicksal von Auguste Löwenthal 1978 in dem Film von Anne Dessau „Die Gesetzesfalle“ geschildert (https://www.fernsehenderddr.de/index.php?script=dokumentationsblatt-detail&id1=17674).

 

 

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