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Aktion T4 - Die grauen Busse

Tiergartenstraße

Seite A:
AKTION T4
Die Opfer des geheim durchgeführten Mordprogramms
»Aktion T4« waren Frauen, Männer und Kinder, meist mit
psychischen Erkrankungen oder geistigen Behinderungen,
die gemäß der nationalsozialistischen Rassen- und Volks-
gemeinschaftsideologie als »lebensunwert« galten. Als
Patienten von heil- und Pflegeanstalten, Krankenhäusern
und der Forensischen Psychiatrie und manchmal auch als
Bewohner von Alten- und Fürsorgeheimen wurden sie ab
dem 9. Oktober 1939 von Ärzten vor Ort per Meldebogen
erfasst, der vor allem im Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit
und sogenannte »Rassezugehörigkeit« ausgewertet wurde.
Die nicht arbeitsfähigen Menschen, zumal wenn sie jüdisch
waren, wurden in einer der sechs T4-Tötungsanstalten
Bernburg, Brandenburg, Grafeneck, Hadamar, Hartheim und
Pirna-Sonnenstein durch Gas ermordet. Öffentliche Proteste
führten im August 1941 zu einer formalen Einstellung der
»Aktion T4«. Ermordet wurden bis dahin etwa 70 000
Patientinnen und Patienten. Aber auch sozial unangepasste,
straffällige und homosexuelle Menschen.
Ein großer Teil des Personals ist nach der formalen Einstel-
lung der »Aktion T4« in die Vernichtungslager der »Aktion
Reinhardt«, Belzec, Sobibór und Treblinka versetzt worden,
um dort den Massenmord an Juden in Gaskammern zu
organisieren.
Es gab nahezu keine Überlebenden der »Aktion T4« oder
anderen nationalsozialistischen »Euthanasie«-Programmen.
Viele Täter entgingen der strafrechtlichen Verfolgung und
konnten ihre beruflichen Karrieren fortsetzen, Die von den
Hinterbliebenen erkämpfte Rehabilitation der mindestens
200 000 Opfer erfolgte erst 2007.
Diese Tafel geht der künstlerischen Gestaltung eines
Informations- und Gedenkortes voraus.
From 1939 to 1941 the Nazis carried out a secret mass
murder programme codenamed ”Aktion T4". Most of the
victims - men, women and children - were mentally ill
or disabled. Under the Nazi ideology of a racelly pure and
healthy nation, they were considered ”unfit to live”. From
9 October 1939, doctors completed special registration
forms on patients in mental health clinics, hospitals and
forensic psychiatry units, and on some residents of homes
for the aged and infirm. The main purpose was to evaluate
the patients’ ability to work and their ”racial affiliation”.
Patients judged incapable of working, especially Jewish
people, were gassed in one of the six T4 killing centres in
Bernburg, Brandenburg, Grafeneck, Hadamar, Hartheim
and Pirna-Sonnenstein. After public protests, ”Aktion T4"
was officially stopped in August 1941. By then, around
70,000 patients had been murdered, as well as ”social
misfits”, delinquents and homosexuals.
After T4 was formally shut down, many of the staff were
transferred to Operation Reinhardt in the extermination
camps of Belzec, Sobibór and Treblinka, to organize the
mass murder of Jews in the gas chambers.
At least 200,000 people were murdered in ”Aktion T4"
and other Nazi ”euthanasia” programmes. There were
almost no survivors. Many of the perpetrators escaped
prosecution and were able to continue their professional
careers. After a long campaign by their relatives, the vicitms
were finally vindicated in 2007.
The area around this plaque is due to be redesigned as a
memorial site for remembrance and information on ”T4".

Seite B:
AKTION T4
Hier befand sich die Zentrale für das nationalsozialistische
Mordprogramm an behinderten Menschen - die »Aktion T4«.
The headquarters of ”Aktion T4", the Nazi programme for
mass murder of disabled people, was once located on this site.

Mit grau überstrichenen, ehemaligen Postbussen wurden
Patienten der Heil- und Pflegeanstalten in die T4-Tötungs-
anstalten verbracht. Dieses - vermutlich 1940 - heimlich
aufgenommene Foto zeigt die Registrierung von Patienten
der Heil- und Pflegeanstalt Liebenau kurz vor der Verlegung
in die T4-Tötungsanstalt Grafeneck. Ein Arzt stellte anhand
einer Liste die Identität der zum Transport vorgesehenen
Patienten fest, ein Angehöriger des Transportpersonals mar-
kiert die Patienten mit einem Stempel auf den Unterarm.
Patients from Liebenau Mental Hospital being registered
shortly before transfer to the T4 killing centre in Grafeneck.
The photo was taken secretly, probably in 1940. A doctor
is checking the identity of patients selected for the transfer
convoy on a list, while a member of the convoy staff stamps
the patients on their forearms.

Auf Seite A befinden sich links übereinander vier Fotos und ein Dokument. Deren Unterschriften lauten (v.o.n.u.)

»T4« war das Tarnkürzel für das in der Stadtvilla Tiergartenstraße 4 seit
1940 geplante und organisierte Mordprogramm.
”T4” was the codename for the villa at Tiergartenstr. 4 where the murder
programmes were planned and organized from 1940 onwards. 

Prof. Werner Heyde, Medizinischer Leiter der »Aktion T4«, konnte bis zu
seiner Enttarnung und Verhaftung 1959 unter falschem Namen, geschützt
von Politikern und Kollegen, in Flensburg leben und als Arzt praktizieren.
Prof. Werner Heyde, medical director of ”Aktion T4", succeeded in living
and working under an assumed name as a doctor in Flensburg, protected
by politicians and colleagues, until he was exposed and arrested in 1959.

Meldebogen zur Erfassung der Anstaltspatienten. Wesentliches Kriterium
für die Entscheidung über Leben oder Tod waren die »rassische Zugehörig-
keit« und die Arbeitsfähigkeit dieser Menschen.
Registration form for mental clinic patients. ”Racial affiliation” and ability to
work were the main criteria for deciding whether patients should live or die.

Bernhard Lichtenberg (1875-1943), Domprobst der St. Hedwigs-Kathedrale
in Berlin-Mitte. 1941 nach Protest gegen die Krankenmorde verhaftet und
verurteilt, starb am 5. November 1943 auf dem Weg in das KZ Dachau.
Bernhard Lichtenberg (1875-1943), dean of St. Hedwig’s Cathedral in Berlin-
Mitte, was arrested and convicted for protesting against the murder of mental
patients in 1941. He died on 5 November 1943 on the way to Dachau
concentration camp.

»Denkmal der Grauen Busse« von Horst Hoheisel und Andreas Knitz
für das Psychiatriezentrum »Die Weissenau«, Stadt Ravensburg, 2006.
Temporäre Ausstellung in Berlin, Januar bis September 2008.
The Monument of the Grey Buses, by Horst Hoheisel ans Andreas Knitz,
for Die Weissenau Psychiatric Centre/City of Ravensburg, 2006.
Installation of the second version in Berlin, January-September 2008.

Auf Seite B ist außer dem großformatigen auf der Tafel beschriebenen Foto noch oben klein eingeblendet eine Karte mit den Standorten der sechs Tötungsanstalten.

Die von Helga Lieser gestaltete Tafel wurde gemeinsam von der Senatskanzlei, Kulturelle Angelegenheiten, und der Stiftung Topographie des Terrors geschaffen. Die Einweihung in unmittelbarer Nähe zur Bodentafel in Erinnerung an die »Aktion T4« erfolgte am 10.7.2008 durch Kulturstaatssekretär André Schmitz.

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